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VW-Chef diskutiert mit Kritikerin„Wir meinen das ernst“

Für Tina Velo vom Protestbündnis „Sand im Getriebe“ sind die VW-Elektrofahrzeuge ein „Feigenblatt“. Konzernchef Herbert Diess weist das zurück.

Freundlich im Ton, aber hart in der Sache: Aktivistin Tina Velo und VW-Chef Herbert Diess Foto: Felix Schmitt

Frankfurt/M. taz | Zumindest an einem Punkt waren sich VW-Chef Herbert Diess und seine Kritikerin Tina Velo einig: Für eine Verkehrswende braucht es mehr Unterstützung der Politik und eine deutliche Erweiterung des öffentlichen Verkehrs. „Der öffentliche Nahverkehr ist auszubauen, die Bahn muss besser funktionieren“, sagte Diess. „Das brauchen wir auf jeden Fall.“ Tina Velo stimmte zu: „Die Alternativen müssen masssiv ausgebaut werden.“

Diess und Velo waren am Montagabend kurz vor Beginn der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt am Main auf Einladung der taz aufeinandergetroffen. Der Chef des weltgrößten Automobilkonzerns präsentiert dort von Dienstag an die Neuheiten des Unternehmens. Velo ist Mitinitiatorin einer Protestaktion von Auto-KritikerInnen, die am kommenden Sonntag den Zugang zur IAA blockieren wollen.

Die Kritik an der Branche könne er sogar nachvollziehen, sagte Diess: „In der Tat kann man der Automobilindustrie natürlich viel vorwerfen.“ Als er von den Protesten hörte, sei sein erster Gedanke gewesen: „Die kommen viel zu spät.“ Denn die Branche habe „die Zeichen der Zeit verstanden“ und stelle ihre Modellpolitik um. Volkswagen präsentiere auf der Messe vor allem neue Elektrofahrzeuge, sagte der Vorstandsvorsitzende. „Wir haben vor, in den nächsten zehn Jahren 50 Prozent unserer Flotte auf Elektrobetrieb umzustellen.“

Velo (die in Wirklichkeit anders heißt, aber aufgrund von massiven Bedrohungen nach früheren Aktionen unter einem Pseudonym auftritt) ließ sich von dieser Ankündigung nicht beeindrucken. „Im Portfolio von Konzernen wie VW stehen vor allem große, dicke, fette Geländewagen, absolute Klimakiller – und daran wird sich auch in den nächsten Jahren überhaupt nichts verändern“, kritisierte sie. Die angekündigten Elektroautos seien aus ihrer Sicht „ein absolutes Feigenblatt“.

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Rufbusse statt Elektroautos

Das wies Diess entschieden zurück. „Wir meinen das ernst“, versicherte er. Damit die Elektromodelle von den KundInnen auch angenommen würden, sei aber Unterstützung aus der Politik nötig – sie müsse dafür sorgen, dass die Ladeinfrastruktur schnell ausgebaut werde, und steuerliche Anreize für den Kauf von Elektrofahrzeugen schaffen.

Aus Sicht von Tina Velo löst ein Umstieg auf Elektroautos die massiven Verkehrsprobleme dagegen keineswegs. „Wir brauchen weniger Autos“, verlangte sie. In der Stadt seien sie schon heute weitgehend überflüssig, auf dem Land müssten sie es durch neue Angebote wie Rufbusse werden.

Diess erklärte zwar, das Auto habe „eine Berechtigung auch in Zukunft“. Doch auch der VW-Chef räumte ein, dass „das Auto in der Stadt für die Mobilität ein schlechter Kompromiss ist“ und dass man es dort in Zukunft „nicht in dem Maß“ brauchen werde „wie heute“.

Zufrieden, aber nicht befriedet

Auch wenn es viele Differenzen gab, zeigten sich beide Seiten zufrieden über den Austausch. „Das Gespräch lief in einer angenehmen Atmosphäre“, meinte Diess. Auch Velo sagte: „Es war ein gutes Gespräch.“ Der spontanen Einladung des VW-Chefs, beim VW-Eröffnungsabend auf der IAA die Vorstellung des neuen VW-Elektroautos ID3 mitzuerleben, lehnte Velo allerdings dankend ab.

Sonst hätte sie erlebt, dass der Start ins neue Zeitalter bei Volkswagen technisch nicht ganz ohne Probleme verlief: Als der Stand, auf dem das neue Fahrzeug präsentiert wurde, feierlich enthüllt werden sollte, blieb ein großer Teil der Vorhänge einfach hängen. Diess ließ sich davon nicht die Laune verderben. Der ID3 sei „mehr als ein neues Modell“, sagte er bei der Präsentation. „Das ist das Auto, das von uns jetzt erwartet wird.“

Die Kritiker lassen sich davon nicht beeindrucken, sondern tragen ihren Protest auf die Straße: Am Samstag ist in Frankfurt eine große Demonstration gegen die Automobilmesse vorgesehen, am Sonntag findet die von „Sand im Getriebe“ geplante Blockade statt.

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23 Kommentare

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  • Wieder mal ein sehr guter Beitrag von Herrn Kreutzfeldt! Vielen Dank dafür. Wollte ursprünglich nur kurz reinschauen, aber war dann doch zu gefesselt, um aufzuhören.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Arroganter, besserwisserischer und selbstgerechter Auftritt. Wen will man so gewinnen? Komplett disqualifiziert hat sie sich definitiv mit dem Spruch, die Software der Sicherheitssysteme wäre rassistisch, was wohl in ihren Augen selbstredend ist, da die Programmierung von weißen Männern stammt. Hochqualifizierte Ingenieure sollen sich in Velos Zukunft als Altenpfleger verdingen. Und ach ja, ein Nazivergleich durfte am Ende natürlich auch nicht fehlen.

    Diess hat dagegen einen sehr souveränen Auftritt hingelegt. Glückwunsch dazu. Für mich ist es keine Frage, wer dieses Duell gewonnen hat.

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Zugegeben, das Beispiel mit den Blättern war in gewisser Weise seltsam, da es sich dabei wohl ehr um ein technisches Problem handelt.

      "Hochqualifizierte Ingenieure sollen sich in Velos Zukunft als Altenpfleger verdingen."



      Also in erster Linie sind mit den Beschäftigten wohl Facharbeiter und Produktionshelfer gemeint. Und dass mehr Menschen in sozialen Berufen arbeiten müssen, ist auch unstrittig. Also ich seh Ihr Problem da nicht...

      • @Conor:

        "Und dass mehr Menschen in sozialen Berufen arbeiten müssen, ist auch unstrittig. Also ich seh Ihr Problem da nicht..."

        Dass sich hochqualifizierte Spezialisten in einem austauschbaren 08/15-Job verschwenden ist für Sie kein Problem?

        "Und dass mehr Menschen in sozialen Berufen arbeiten müssen, ist auch unstrittig."

        Ist das so? Ich arbeite in einem sozialen Beruf und wäre froh, es wäre anders gekommen. Wir haben hier eher eine Flut an Mitarbeitern. Daher auch die schlechte Bezahlung (nun gut, außer, man ist im öffentlichen Dienst, da fliegen dann die gebratenen Tauben direkt ins Maul).

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Conor:

        Naja, wenn man die Autos komplett abschafft, so wie es Frau Velo vorschwebt, dann trifft es nicht nur DEN Arbeiter am Band, sondern eben auch Ingenieure, Betriebswirte, etc, etc.

        Solche "Lösungsvorschläge" zeigen, dass es ihr, anders als behauptet, wurscht ist, was mit den unmittelbar Beschäftigten, deren Familien und den vielen Menschen in der Zuliefrungsindustrie wird. Sagen kann sie es vielleicht ihrer Meinung nach nicht. Faktisch ist es aber so.

  • 0G
    06227 (Profil gelöscht)

    Wenn Herbert Diess es 'ernst meinen' würde mit dem Umweltschutz müsste er konsequent den Konzern abwickeln. Oder wenn nicht ganz so konsequent den Absatz deutlich nach unten drücken. Oder auf Dienstleistungen umsatteln. Dass, die gesamte Zuliefer- und Schwerindustrie miteingerechnet, Millionen von Menschen hierzulande materiell davon abhängig sind (bzw. sich abhängig machen), dass kontinuierlich weiter !unnötigerweise! Autos (ganz egal welcher Antrieb) gebaut werden? Finde den Fehler...

  • Die Forderungen, die Velo stellt und hier wiedergegeben sind, richten sich an den Falschen:

    "Im Portfolio von Konzernen wie VW stehen vor allem große, dicke, fette Geländewagen, absolute Klimakiller – und daran wird sich auch in den nächsten Jahren überhaupt nichts verändern"

    Ja, weil sie der Kunde kauft. Ein Unternehmen liefert das, was der Kunde wünscht. Sonst kauft er bei einem anderen Unternehmen.

    "Wir brauchen weniger Autos"

    Was soll Diss dazu schon sagen, wenn sein Geschäft im Autoverkauf besteht.

    Waren das wirklich die zentralen Kritikpunkte und Forderungen??

    • 0G
      06227 (Profil gelöscht)
      @Strolch:

      Die Vorstellung, dass Unternehmen Wohlfahrtsvereine (ohne eigenen freien Willen) seien, die sich in ihrem Handeln wie durch eine 'unsichtbare Hand' vom ach so freien Willen des Marktkollektivs leiten lassen, während Gewinnoptimierung und Wachstum Naturgesetz sein muss...



      die existenzielle Lüge Nr 1 unserer Zeit (bzw. mindestens in den Top 3), ich bin bestürzt wie viele Strolche immer noch darauf reinfallen.

      • @06227 (Profil gelöscht):

        Von Wohlfartsverein habe ich nichts geschrieben. Aber - um im Bild zu bleiben - selbst in der DDR wollte keiner Trabi fahren, obwohl der doch so klein und praktisch war. Zudem ist mir entgangen, das VW nur SUV anbietet. Nach meiner Kenntnis gibt es Golf und Polo und den Up. Wenn die Leute aber den Touareg kaufen....

        • 0G
          06227 (Profil gelöscht)
          @Strolch:

          ich stimme voll und ganz zu, dass (nach den Spielregeln des Systems) das Kaufverhalten ein großes Problem ist. (obwohl der Wunsch nach großem Auto weder angeboren ist noch vom Himmel fällt - da lässt sich ne Menge dekonstruieren)



          Aber ich bekomme Pickel von der Idee, das Unternehmen könne gar nicht anders als jedes -egal wie toxische- Bedürfnis im Sinne der Marktwirtschaft zu erfüllen. Und es herrscht meiner Überzeugung nach ein Machtungleichgewicht zwischen Anbieter und Verbraucher (Werbung).

          • @06227 (Profil gelöscht):

            Ich will Ihnen gar nicht widersprechen. Aber, Adressat ist hier die Politik.

            Wenn diese Fragen aber die Quintessenz von Velo sind, bin ich bitter enttäuscht. Interessant wäre doch gewesen:

            Wenn Sie es mit Elektroautos Ernst meinen, wie setzen Sie um, dass die notwendigen Rohstoffe umweltschonend gewonnen werden? Gibt es in den Ländern der Akkuproduktion Konzepte zur CO2-Einsparung?

            Welche Ideen hat VW für eine Infrastruktur mit Lademöglichkeit, damit die Leute Elektroautos kaufen und diese attraktiver werden?

            Wieso setzen Sie auf Elektro (trotz der Nachteile bei der Akku-Herstellung) und nicht auf Brennstoffzellenautos, die ihren Wasserstoff aus regenerativen Energien gewinnen könnten?

            Gibt es Überlegungen für syntetischen Kraftstoff?

            Können Sie kurzfristig den CO2-Ausstoß senken, in dem Verbrenner besser/sparsamer gemacht werden oder sparen Sie das Geld lieber?

            • 0G
              06227 (Profil gelöscht)
              @Strolch:

              Zitat Velo: "wir brauchen weniger Autos" (Antrieb sch...egal). das wird die Volkswagen AG natürlich nie anstreben. Weil Rendite.

              (konsequenter) Umweltschutz ist zwingenderweise Systemkritik. Entweder es wird Umweltschutz oder Wachstum und Umsatz priorisiert - beides gleichzeitig verpufft in einer Logikwolke. Ich zitiere: 'wir müssen kontinuierlich die Zerstörung der Umwelt vorantreiben um ein gewisses Maß an Umweltschutz erwirtschaften zu können.'



              auch ihre an pragmatischen Sachverhalten orientierten Fragen sind -ohne darin eine Wertung aussprechen zu wollen - gnadenlos inkonsequent. Auch Autos mit Akku oder Brennstoffzelle würden wohl aus Alu&Stahl gebaut werden? Die Idee in 30 Jahren den Energiebedarf mit reg. zu decken und alle anderen Probleme lösen sich in Luft auf (ohne dass unser Lebensstil gefährdet ist) erinnert an die verheißungsvolle Utopie der Kernkraft in den 50ern. Ich nenne es 'Alchemie der Moderne'.



              Wie sollten große Mengen Wasserstoff möglichst effizient & verlustfrei transportiert werden?



              Das Problem der jetzt schon zu hohen Zahl an PKW in Innenstädten? usw. usw. usw...

              mein letztes Wort: Deindustrialisierung volle Möhre.

    • @Strolch:

      Sie haben offenbar immer noch nicht den Sinn von Werbung verstanden? Und weshalb es die Studiengänge für Werbepsychologie gibt?

      Konsumforschung, mittlerweile auch Neuronale-Konsumforschung, wird schon seit Jahren an den Universitäten gelehrt, um das Konsumentenvieh dazu zu bringen, dass fressen "zu müssen", was ihnen serviert wird.

      • @Drabiniok Dieter:

        Edit: dass fressen "zu WOLLEN", was ihnen serviert wird.

        • @Drabiniok Dieter:

          Warum stellt VW dann nicht nur ein Auto her - z.B. einen Trabi - und bringt einfach das Konsumentenvieh dazu, diesen für - sagen wir mal - 50.000 Euro zu kaufen? Wäre viel billiger als diese ganze Modellpalette vorzuhalten. Niemand muss eine SUV kaufen. Alle Hersteller bieten auch Kleinwagen an.

          • @Strolch:

            Die Wertschöpfungsketten für große, schwere Fahrzeuge, mit mehr Technik, Komfortaufwand, höherer Reparaturanfälligkeit/Schadensquellen/Funktionsstörungen, Materialaufwand etc sind viel länger und lukrativer für die Produzenten, als für kleine Fahrzeuge!

        • @Drabiniok Dieter:

          So schön einfach.



          Man konnte ja nicht anders als große Geländewagen kaufen. Die Werbung machts.



          Dann brauchen wir auch nicht mehr zu wählen. Verschwörungstheorien hin oder her. Wenn die Werbung den Wahlausgang bestimmt, das Individuum nur eine fremdgesteuerte Masse ist, dann ist doch eh alles egal. Soll der gewinnen, der die besseren Werbeleute hat.

          • 0G
            06227 (Profil gelöscht)
            @fly:

            Vielleicht entspricht von zwei binären Extremen keines wirklich der Wahrheit? Nein, ich bin beim Einkauf nicht pauschal ferngesteuert und Nein, Unternehmen würden nicht riesige Summen in Marketing investieren wenn das ganze keinen messbaren und v.A. vorhersehbaren Effekt hätte.

  • Na ist doch Super, wenn alle mit dem Gespräch zufrieden waren!



    Seit den 80er Jahren (noch analog, also vor KI/Software-Manipulation) das gleiche Gewäsch, vom Verständnis für die Umweltprobleme von Seiten der Autobauer. Die waren schon immer dafür, dass der ÖPNV und die Bahn ausgebaut werden, nur nicht zu Lasten der Verkehrsflächen für Autos.



    Warum ein "umweltbewusster" Kat-Auto Besitzer damals, oder ein "klimabewusster" E-Mobil/SUV Besitzer heute auf den ÖPNV umsteigen soll? Keine Ahnung! Hauptsache die Steuerzahler finanzieren Kaufanreize und die Infrastruktur zum Wohle der Konzerne und Aktionäre.



    Ist doch ein netter Onkel, der Herr Diess! Lasst ihn doch auf der Demo über den Schutz des Klimas durch zusätzliche Fabriken und eine zusätzliche Antriebsart reden. Vielleicht spendet er ja auch was für die Kaffeekasse oder Arbeitsblätter für den Schulunterricht. Gibt es schon? Ach was!

  • "auf dem Land müssten sie es durch neue Angebote wie Rufbusse werden"



    Das wird nur sehr beschränkt funktionieren bzw. die existieren bereits hochsubventioniert. Wenn, so müsste man eine App machen und selbst diese ist von älteren Menschen schlecht nutzbar (Netzabdeckung, Bedienung etc).

    In nichturbanen Gebieten wird das Auto nicht als schnelles Individualverkehrsmittel ersetzbar sein.

    Dass Elektroautos CO2 einsparen ist eher Märchenstunde [hohe Energie für Produktion und damit CO2-Ausstoß], solange man diese nicht teilen kann und autonom rufen kann. Wie das bei Leihwagen aussieht, kann ich aber gerade nicht beurteilen.



    Übrigens sind hochmotorisierte Tesla häufig sogar schwerer und verbrauchen mehr Energie als die SUVs.

    • @marxscheEffizienz:

      Ich bin auf dem Land aufgewachsen und kann sagen, dass sich auch hier der Individualverkehr deutlich verringern könnte, wenn man sich in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft endlich mal was zutrauen würde.

      Pendeln: Hier kann man am einfachsten auf ÖPNV umstellen. Im Normalfall finden die Hin- und Rückfahrt werktäglich zur gleichen Zeit statt, sodass man auf die Flexibilität des Individualverkehrs nicht angewiesen ist. Außerdem könnte man über Homeoffice und dergleichen nachdenken.

      Einkaufen: In den meisten Dörfern gibt es einen Supermarkt oder zumindest einen Tante Emma Laden. Kurzfristige kleinere Besorgungen können also hier gemacht werden. Wocheneinkäufe dagegen meist in der nächsten Kleinstadt. Diese lassen sich zumeist aber auch mit dem Bus erledigen. In meiner Kindheit gab es z.B. eine Zeit, in der wir auf den Bus angewiesen waren.

      Arztbesuche, Friseur etc: Kann alles mit dem Bus oder Fahrrad gemacht werden. Häufig liegen die Dörfer auch nicht so weit auseinander, sodass man sie leicht mit dem Rad erreichen kann.

      Sonstiges: Bei Transporten großer Gegenstände könnte man darüber nachdenken, sich innerhalb einer Straße oder auch Gemeinde ein oder mehrere Kraftfahrzeuge zu teilen.

      Für all das ist aber ein rasanter Ausbau des ÖPNVs auch in ländlichen Regionen notwendig, sowie dem Mut zu Veränderungen (auch im persönlichen Lebensstil).

      Und zum Schluss noch einmal: Nein, damit meine ich nicht, dass das in wirklich jedem Kuhdorf so funktionieren wird. Das Potenzial zur Reduktion ist aber an vielen Orten durchaus vorhanden.

      • @Conor:

        Lieber Conor,



        von welcher Größe der Ortschaften sprichst du?



        Es wäre schön, wenn man das sehr explizit anspricht.

        Ich komme aus einem Dorf mit 3.000 Einwohnern.



        Die nächste Stadt ist 20km weg und hat vllt 12.000 Einwohner.

        Bezüglich der Erledigungen kann ich dir nur beipflichten, wenn entsprechende Radwege vorhanden sind.

        Die Dörfer liegen >6km auseinander und sind entsprechend von der Größe. Leider hat man auch keine seperate Absperrung/Barriere für Radfahrer an der Hauptverkehrsstraße gemacht, sodass das Fahren dort sehr unangenehm ist.

        Jedes ÖPNV bedarf Auslastungsplanung. Wenn die unterschiedlichen Arbeitszeiten oder hohe Terminfluktuation im Job besteht (Handwerker etc), ist das aber leider oft nicht gegeben.

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Conor:

        Home Office, schöne Idee. Bekomme nur leider nicht mehr als 1.3Mbit durch die DSL Leitung. Habs ausprobiert, funktioniert überhaupt nicht. Pendeln zu immer gleichen Zeiten mit Öffentlichen? Hm, 1. Es gibt keine einzige Verbindung vom Wohnort zum Arbeitsort. 2. Thema Gleitzeit, unregelmäßige Termine im Job, kleine Kinder und vollzeitberufstätige Frau. Da muss man oft flexibel reagieren. Mit starren Fahrpläne kommt man da nicht weit. Der Alltag ist so schon zugepackt. Ohne eigenes Auto käme der Kollaps.