Uwe Steimle über die Wahl in Sachsen: „Wir werden für blöd verkauft!“
Der Dresdener Kabarettist findet nicht, dass es in Deutschland eine Demokratie gibt. Als Hauptproblem Sachsens sieht er die Bildungspolitik.
taz: Herr Steimle, gehen Sie wählen?
Uwe Steimle: Sehr gute Frage. Ich wollte eigentlich nicht wählen gehen.
Wieso?
Weil das Angebot sehr dürftig ist. In der Diktatur gab es keine Alternativen. Wenn ich die aktuelle Situation betrachte, stelle ich fest, dass wir auch hier keine Alternativen und deswegen keine Demokratie haben.
Was haben wir denn sonst?
Eine inszenierte Mediendemokratie. Es scheint, als hätten wir eine Demokratie, aber es wird durchregiert. Ich dachte nach der Wende, wir würden ein besseres System kriegen. Dann musste ich feststellen, dass das neue System nur anders, nicht besser ist.
Wie könnte man das ändern?
Ich wünsche mir mehr Volksentscheide und weniger Lobbyismus. Ein Volksvertreter darf überhaupt nicht in den Verdacht geraten, für einen Konzern zu arbeiten. Dazu würde ich noch eine Wahlpflicht vorschreiben, wie sie die Belgier haben. So könnte am Ende keiner sagen, er hätte ja nicht gewusst, was passiert. Ich will ja nicht die DDR oder so was zurückhaben, aber ich bin einfach traurig, dass man uns für so blöd hält.
Wo liegen die Hauptprobleme Sachsens?
Eindeutig in der Bildungspolitik. Mehr ausgebildete Lehrer braucht das Land! Wir hatten mal eine pädagogische Hochschule in Dresden. Die wurde direkt nach der Wiedervereinigung gesprengt. Doch wenn Sie zu solchen Vorgängen Fragen stellen, kriegen Sie keine Antwort. Man kann ja der DDR vorwerfen, was man will, aber um die Bildung hat der Staat sich gekümmert. Wäre da bloß der ideologische Überbau nicht gewesen. Die Skandinavier haben ja flächendeckend das Bildungssystem der DDR übernommen. Dass das mit keinem Wort gewürdigt wird, ist schon sehr bitter.
Der Mundartkabarettist und Schauspieler, 51 Jahre alt, lebt in Dresden. Größere Bekanntheit erlangte er als Kommissar aus der Fernsehserie „Polizeiruf 110“.
Erwarten Sie sich dennoch etwas von dieser Wahl?
Ich denke, es wird eine hohe Wahlbeteiligung geben und die CDU wird die absolute Mehrheit erreichen.
Sie haben ja angekündigt, nicht wählen zu gehen …
Jetzt, wo Sie mich gefragt haben, werde ich wohl doch wählen gehen.
Wählen Sie dann die Union?
Ich wähle nicht die CDU, obwohl ich hervorragend finde, wie sie sich für die sächsische Kulturlandschaft eingesetzt hat. Ich wähle auch nicht die FDP, die Grünen oder die SPD. Auch nicht die NPD oder die AfD. Meine Stimme bekommt, wer sich gegen Ungerechtigkeit und Krieg einsetzt. Im Übrigen halte ich es mit Tucholsky: „Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann wären sie verboten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut