Uwe Kekeritz über Entwicklungspolitik: „Einiges läuft falsch“
Projekte im Globalen Süden sind intransparent und befördern oft nur die eigene Wirtschaft, kritisiert der Sprecher für Entwicklungspolitik der Grünen.
taz: Herr Kekeritz, Sie haben sich stark gegen den Bau des Bisri-Staudamms im Libanon eingesetzt. Wie sinnvoll sind Dämme allgemein für die Wasserversorgung?
Uwe Kekeritz: Ich glaube, das kommt auf die Verhältnisse an. Ich komme beispielsweise aus Mittelfranken, da haben wir eine sogenannte Seenlandschaft und in Bayern finden sich viele künstlich angelegte Seen, die als Wasserreservoirs für die Versorgung von Städten dienen. Ich kann mir gut vorstellen, dass in den Ländern des Globalen Südens so etwas im Prinzip auch sinnvoll sein kann. Wenn wir uns die Urbanisierung anschauen und die Städte, die mit Wasser versorgt werden müssen, dann brauchen wir Wasserspeicher als einen Teil der Lösung. Ein Dammbau wie im Bisri-Tal ist aber hochproblematisch. Durch die Veränderung der Umwelt durch derartige Großprojekte im Libanon hätten die Alternativen geprüft und zunächst das kaputte Rohrsystem repariert werden müssen. Und es hätte der Weltbank als Geldgeberin klar sein müssen, dass die korrupte Regierung und die ebenso korrupten Eliten weniger an die Wasserversorgung gedacht haben, sondern eher daran, wie sie an Geld kommen. Auch dass diese Regierung einen solchen Kredit nicht zurückzahlen kann, musste die Weltbank wissen, da der Libanon schon lange am Rande der Insolvenz stand.
Staudämme bieten auch geopolitisch hitziges Potential, wie wir bei dem Staudamm GERD in Äthiopien sehen.
Dieser riesige Staudamm in Äthiopien dient der Stromversorgung. Was die Wasserversorgung angeht, hat er allerdings für Ägypten natürlich negative Auswirkungen. Es bestehen auf ägyptischer Seite durchaus berechtigte Ängste, denn das ganze Land ist abhängig vom Nilwasser. Ein Staudamm ist für mich eine der letzten Maßnahmen, die man ergreifen kann. Grundsätzlich müssten Alternativen geprüft werden: Vielleicht kleine, dezentrale Kraftwerke. In Äthiopien gibt es aber auch viel Wind und Sonne. Die Alternativen zu den verheerenden Großstaudämmen liegen also auf der Hand.
Gerade im Globalen Süden ist das Wasser aber privatisiert, die Wasserversorgung ist teuer.
Die Wasserversorgung wird häufig durch Lastwagenlieferungen sichergestellt, was als Notmaßnahme richtig ist. Für die Menschen bedeutet dies aber Wasserknappheit, mangelnde Qualität und ein zeitlich hoher Aufwand, um an Wasser zu kommen. Für mich ist wichtig, dass die Wasserversorgung auf keinen Fall privat organisiert werden darf. Sie muss in staatlicher Hand sein. Denn die Privatisierung hat schwere Folgen für die Armen: Beispielsweise in den Armenvierteln in Kenia muss jeder Liter Wasser im Kanistern bezahlt werden. Und dieses Wasser ist teurer als in den Luxusvierteln. Das Menschenrecht auf Wasser darf nicht kommerzialisiert werden.
Die neue Renaissance von Dämmen zeigt, dass Entwicklungsgelder offenbar eher in Bauprojekte gesteckt werden. Eine Priorität liegt auf dem Bauen und Entwickeln, anstatt auf kleineren Lösungen, die nicht so viel Geld verschlingen. Läuft da grundsätzlich etwas falsch in der Entwicklungspolitik?
Ich gebe ihnen Recht, da läuft einiges falsch in der globalen Entwicklungspolitik. Aber die Bundesregierung und auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) haben sich aus den wirklich großen Staudammprojekten zurückgezogen. Da stehen dann andere Finanziers wie die Weltbank bereit. Deshalb muss die Bundesregierung beispielsweise über den deutschen Exekutivdirektor eine progressivere Rolle wahrnehmen. Auch einige deutsche Unternehmen sind nach wie vor am Bau solcher Projekte beteiligt und für diese sind sie durchaus lukrativ. Grundsätzlich brauchen wir sowohl in der Energie- wie auch Wasserversorgung dezentrale Ansätze, Mega-Staudämme bringen keine nachhaltige Lösung.
Der Zugang zu sauberem Wasser ist auf der Welt höchst ungleich verteilt. Ein Rechercheprojekt auf verschiedenen Kontinenten über Trinkwasser, Dürre, Überschwemmungen und Geldströme in der Entwicklungszusammenarbeit unter taz.de/wasser
Die Weltbank agiert als Bank, auch die KfW ist eine Bank. Haben Entwicklungsprojekte überhaupt etwas mit Hilfe zu tun oder sind sie Mittel zum Zweck für Gewinne aus Geldanlagen?
Die Entwicklungsfinanzierung der KfW ist institutionell zweigeteilt. Der eine Teil ist die KfW Entwicklungsbank. Sie stellt Gelder in Form von Zuschüssen und Niedrigzins-Krediten zur Verfügung. Oftmals gibt es dann noch Unterstützung durch das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ). Ich gehe davon aus, dass die KfW bisher keine gigantischen Summen verloren hat. Die Deutsche Entwicklungsgesellschaft (DEG), eine hundertprozentige Tochter der KfW, dagegen schon.
Als deutsche Steuerzahlerin denke ich doch aber: Entwicklungszusammenarbeit hat etwas mit Hilfe zu tun und nicht mit Banken und Kapitalanlagen.
Da haben Sie Recht. Früher sagte man, ein gewährter Kredit ist Entwicklungshilfe. Ist der Kredit getilgt worden, dann ist die Summe von den öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit auch wieder abgezogen worden. Heute wird das nicht mehr so gemacht. Beispielsweise wird nur noch der Teil, der vom Kredit nicht zurückgezahlt werden muss, als Entwicklungszusammenarbeit angerechnet. Zuschüsse und Entwicklungskredite bieten den Partnerländern Finanzierungsmöglichkeiten für Entwicklungsprogramme. Die KfW bietet den Ländern damit eine Finanzierung an, die sie sich so über den Kapitalmarkt wohl nicht hätten beschaffen können oder nur zu horrenden Zinsen. Wenn die KfW einen Kredit mit vier Prozent an ein Entwicklungsland vergibt, dann kann das günstig für das Land sein, aber eben auch günstiger für die Bank: Denn wo bekommen Sie in Deutschland heute noch vier Prozent?
Die KfW ist eine staatliche Institution, legt aber nicht offen, wie sie ihr Kapital anlegt. Wieso ist die Entwicklungszusammenarbeit so intransparent gestaltet?
Die KfW ist in den letzten Jahren in Sachen Transparenz besser geworden. Großes Sorgenkind bleibt die Tochter DEG, die sich gänzlich der öffentlichen Kontrolle entzieht und sich dabei auf das Bankgeheimnis beruft. Ich halte es für unerträglich, dass im öffentlichen Bereich immer noch intransparente Strukturen herrschen.
Aber auch als Anteilseignerin möchte ich wissen, in welche Projekte und Anlagen dieses Geld weiter fließt. Deutsche Steuerzahlende wissen gar nicht, wie die KfW das Geld anlegt, beispielsweise in Fonds mit Firmen im Waffengeschäft.
Da müssen wir unterscheiden, denn die KfW ist eine Bankengruppe mit verschiedenen Bereichen und Tochtergesellschaften. Ich gehe hoffentlich zurecht von der Annahme aus, dass die Entwicklungsbank keine Investitionen in Waffengeschäften tätigt. Aber bei Entwicklungsprojekten mit Privatsektorbeteiligung sind sie oftmals äußert intransparent und verstecken sich hinter dem Bankgeheimnis. Im Entwicklungsbereich müsste die Bank eigentlich Auskunft geben, denn sie agiert hier im Auftrag der Bundesregierung. Trotzdem wehrt sie sich mit Händen und Füßen. Auch das Parlament könnte Transparenz erzwingen. Aber die Mehrheitsverhältnisse lassen das nicht zu.
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Sie sind im Beirat des Deutschen Evaluierungsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit (DEval). Wird dort besprochen, wie Entwicklungszusammenarbeit für die Öffentlichkeit transparenter gestaltet werden kann?
Indirekt ist das immer Thema. Aber das DEval hat die Aufgabe, konkrete Projekte oder Vorhaben zu überprüfen. Beispielsweise beurteilt das DEval, ob Zielgrößen klar definiert und dann auch erreicht werden, wie die internen Kommunikationsstrukturen sind und ob die Projekte in die lokale Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft eingebunden sind. Diese Empfehlungen können durchaus von grundsätzlicher Natur sein, stellen aber nicht die Frage, wie Entwicklungspolitik neu konzipiert werden müsste. Ein weiteres Problem ist, dass die DEval eine Einrichtung des BMZ selbst ist.
Sie plädieren für eine Neuausrichtung der Entwicklungspolitik. Wie soll die konkret aussehen?
Entwicklungspolitik wird immer häufiger instrumentalisiert, um Migrations- und Fluchtbewegungen zu kontrollieren. Das ist zum einen moralisch verwerflich und grundfalsch, aber zum anderen fehlen die Gelder dann in anderen Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Frauenrechte, Ernährung, Wasserversorgung und so weiter. Es ist kontraproduktiv, wenn das BMZ quasi ein verlängerter Arm unserer Sicherheits- oder Migrationspolitik wird. Das stößt auf Ablehnung in den Partnerländern. Es kann nicht sein, dass Außen- und Entwicklungsministerium mit völlig unzureichenden Absprachen im gleichen Flüchtlingslager agieren. Außerdem kritisiere ich, dass die Wirtschaftskomponente immer mehr dominiert. Die Entwicklungspolitik verkommt zur Außenwirtschaftsförderung. Es braucht endlich Kohärenz, und zwar im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. In der Konsequenz muss daraus eine Kehrtwende etwa in der Handels- und Haushaltspolitik, in der Finanz- und Steuerpolitik oder auch in der Agrar- und Wirtschaftspolitik folgen.
ist Mitglied des Bundestages und Sprecher für Entwicklungspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Seit 2018 ist er stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Zudem ist die Struktur falsch, wie wir die Vorhaben mit unseren Partnerländern konzipieren. Wenn wir Konzepte für die Entwicklungspolitik erstellen, dann läuft es so ab, dass das BMZ sich gemeinsam mit GIZ und KfW überlegt, was sie machen wollen. Die Konzepte für solche Programme sollten grundsätzlich anders erstellt werden. Die Länder müssen stärker in die Verantwortung genommen werden. Sie haben sehr viele fähige Wissenschaftler, Kulturschaffende, religiöse Führer und eine aktive Zivilgesellschaft, die in die Entwicklungsstrategien nicht einbezogen werden. Sie müssen von Anfang an selbst Verantwortung innerhalb des Projektes tragen. Das wäre auch eine Methode, die Korruption zu verringern und die Eigenverantwortung zu stärken. Ein Projekt wie der Bisri-Damm wäre so sicherlich nicht entstanden.
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