Urteil nach 30 Jahren: Zwei Jahre auf Bewährung für das K.O.M.I.T.E.E.
Sie hatten 1995 versucht, einen Abschiebeknast in die Luft zu jagen. Das misslang. Am Dienstag wurden sie in Berlin verurteilt.

Die Aktion scheiterte und die drei Männer mussten abtauchen. Drei Jahrzehnte lang hatten sie sich der Strafverfolgung entzogen – bis Walter (62) und Krauth (65) Mitte März aus ihrem Exil in Venezuela zurückkehrten, sich den deutschen Behörden stellten und einige Tage in Untersuchungshaft kamen. Vorher hatten sie mit der Bundesanwaltschaft (BAW) eine „Verständigung“ ausgehandelt: Geständnisse gegen Bewährungsstrafe. Für Heidbreder kam das zu spät, er war 2021 im westvenezolanischen Mérida mit 60 Jahren an Krebs verstorben.
Das Gericht entsprach mit seinem Urteil genau der Strafforderung der Bundesanwälte. Wie vereinbart, hatten die Beschuldigten am ersten Prozesstag gestanden, dass sie als Mitglieder der militanten Gruppe Das K.O.M.I.T.E.E. das Gebäude in Berlin-Grünau sprengen wollten. Die BAW hatte sie deshalb der „Verabredung der Herbeiführung eines Sprengstoffanschlags“ beschuldigt.
Alle anderen Vorwürfe wie die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die gescheiterte Aktion selbst waren bereits verjährt, ebenso ein Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt in Bad Freienwald, den die Gruppe 1994 verübt hatte.
Wie die Tatnacht verlaufen ist
Ausführlich beschrieb der Vorsitzende Richter Gregor Herb, wie die Tatnacht nach Interpretation des Gerichts verlaufen war: Wie die drei mit insgesamt 120 Kilogramm Sprengstoff gefüllte Propangasflaschen auf einem Parkplatz in einen roten Ford Transit luden, wie sie dann von einer Polizeistreife überrascht wurden, flüchten mussten und zahlreiche Personaldokumente hinterlassen hatten.
„Es war purer Zufall, dass das Gefängnis nicht in die Luft gesprengt wurde“, erklärte Herb, hielt den beiden aber zugute, dass keine Gefahr für Menschen bestanden habe. „Sie wollten um jeden Preis verhindern, dass Menschenleben gefährdet werden“, sagte er und verwies auf Schilder mit der Aufschrift „Vorsicht Sprengung“, die im Fahrzeug gefunden wurden. Der Bau sei quasi unbewacht sowie ungenutzt und unbewohnt gewesen.

Dennoch spreche das Vorgehen der Gruppe für ein „extrem hohes Maß an krimineller Energie“, so Herb. Durch die Aktion sollte nach Worten des Richters die Abschiebung kurdischer Politiker verhindert werden, um den Kampf der „terroristischen Vereinigung PKK“, der Kurdischen Arbeiterpartei, zu unterstützen.
Angesichts von 30 Jahren auf der Flucht hätten die beiden selbst die Folgen ihres gescheiterten Anschlags zu spüren bekommen. Das sei bestimmt kein Zuckerschlecken gewesen, so Herb. Positiv sei zu bewerten, dass sich die BAW und die beiden schnell und einvernehmlich geeinigt hätten. Das Urteil sei weder eine übertriebene Bestrafung einer Strafverfolgungsbehörde noch unangebrachte Milde, resümierte der Richter.
Peter Krauth selbst sagte der taz: „Schön ist das nicht, aber die einzige Möglichkeit zurückzukommen.“ Thomas Walter verglich den Prozess mit einem Tumor: „Du hast entschieden, ihn rausschneiden zu lassen, aber toll ist das trotzdem nicht.“ Die beiden leben seit vielen Jahren in Venezuela, wie auch der inzwischen verstorbene Heidbreder. 2022 erhielten sie dort Asyl. Sie konnten sich also frei bewegen. Walter und Krauth sind dort in der Landwirtschaft tätig, Heidbreder arbeitete lange als Drucker in einem städtischen Betrieb.
Anklage nach Paragraf aus NS-Zeit
Obwohl sie sich in Venezuela gut eingerichtet haben, gab es immer wieder Versuche, einen Deal mit den deutschen Strafverfolgern auszuhandeln. Doch angesichts des in Aussicht gestellten hohen Strafmaßes kam es zu keiner Einigung. Nach gängiger Rechtsprechung wären die Tatvorwürfe bereits nach 20 Jahren verjährt gewesen. Doch die Haftbefehle wurden zwei Mal erneuert. Durch den Vorwurf der Verabredung zur Herbeiführung eines Sprengstoffanschlags verlängerte sich die Frist auf 40 Jahre.
Krauths Rechtsanwalt Lukas Theune kritisiert gegenüber der taz den der Anklage zugrundeliegenden Paragrafen 30 des Strafgesetzbuches, der 1943 durch die Ermächtigung Hitlers eingeführt wurde und mit der Bestrafung einer „Verabredung“ einer nazistischen Logik folge. Dass durch dieses „Nazigesetz“ die absolute Verjährung um 20 Jahre hinausgezögert worden sei, habe faktisch dazu geführt, dass Heidbreder vor seinem Tod nicht mehr nach Deutschland zurückkehren konnte.
Keiner der drei Mitglieder des K.O.M.I.T.E.E hat den Versuch der Sprengung eines im Bau befindlichen Abschiebeknastes je für problematisch gehalten. „Wenn ich etwas bereue, dann, dass das Ding nicht in die Luft gegangen ist“, sagte Walter der taz.
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