Urteil in Karslruhe: Erfolg für Thomas Fischer
Ex-Bundesrichter Fischer hat gegen die Journalistin Mayr vor Gericht im Wesentlichen gewonnen. Es ging um ihre Kritik seiner Kommentierung zum § 219a.
Der Konflikt begann im Jahr 2018. Deutschland diskutierte über § 219a Strafgesetzbuch (StGB), der „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ mit Strafe bedroht. Die Journalistin Gaby Mayr stellte im Frühjahr 2018 in zwei Beiträgen im Deutschlandfunk und in der taz die These auf, dass für die Verurteilung von Ärztinnen wie Kristina Hänel der Kommentar von Thomas Fischer zum Strafgesetzbuch mitverantwortlich sei, weil er eine Erläuterung des Vor-Autors Herbert Tröndle übernommen habe. Tröndle war ein fanatischer „Lebensschützer“, der gegen jede Liberalisierung der Rechtslage beim Schwangerschaftsabbruch gekämpft hat.
Fischer stellte später klar, dass das von Mayr monierte Zitat gar nicht von Tröndle stammte, sondern aus der Begründung des Gesetzgebers von 1974. Journalistin Mayr erhob daraufhin einen neuen Vorwurf gegen Fischer, Dieser habe die Gesetzesbegründung selektiv zitiert und einen wichtigen Satz weggelassen. Dieser Satz zeige, dass der Gesetzgeber sachliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche nicht bestrafen wollte. Mayr warf Fischer nun „grobe handwerkliche Schlamperei“ vor.
Das wollte Thomas Fischer, bis 2017 Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, nicht auf sich sitzen lassen und verklagte Mayr zivilrechtlich beim Landgericht Karlsruhe auf Unterlassung, Widerruf und Schadensersatz.
Erfolg in drei von vier Punkten
Mit drei von vier Punkten hatte Fischer Erfolg. Folgende Aussagen muss Journalistin Mayr laut Landgericht Karlsruhe künftig unterlassen: – „Die Kommentierung von Herbert Tröndle zum Schwangerschaftsabbruch lebt im Kommentarwerk des Klägers weiter.“ – „Der Einsatz des Strafrechtskommentars der beiden Juristen Herbert Tröndle und Thomas Fischer durch Staatsanwaltschaften und Gerichte im Zusammenhang mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch ist schlecht für die Rechtsprechung.“ – „An der Kommentierung zum Paragrafen 219a StGB hat der Kläger auch in der 65. Aufl. von 2018 nichts verändert, außer der Rechtschreibung.“
Die erste und dritte Äußerung muss Mayr zusätzlich „durch schriftliche Erklärung“ gegenüber Fischer widerrufen. Außerdem muss sie Fischer Schadensersatz in bisher nicht bezifferter Höhe bezahlen. Nur in einem Punkt wurde Fischers Klage abgewiesen. Mayr darf weiter behaupten, Fischers Kommentar zu § 219a beruhe auf „grober handwerklicher Schlamperei“.
Aus der schriftlichen Urteilsbegründung, die der taz vorliegt, ergibt sich folgendes: Das Landgericht stuft die Behauptung, Tröndles Kommentierung zum Schwangerschaftsabbruch lebe in Fischer Kommentar fort, als „unwahre Tatsachenbehauptung“ ein. Denn Fischer habe die Kommentierung zum Abtreibungsrecht „grundlegend geändert“, so das Landgericht, und vertrete nun „inhaltliche Positionen, die denen des Vorautors Tröndle diametral widersprechen“.
„Recht zum Gegenschlag“
Die Aussage, dass Fischers Kommentar im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen „schlecht für die Rechtsprechung“ sei, wertet das Landgericht zwar als Werturteil. Dieses Werturteil basiere jedoch auf der falschen Tatsachenbehauptung, dass Tröndles Kommentierung zu diesem Thema in Fischers Kommentar weiterlebe.
Die Formulierung, dass Fischer an Tröndles Kommentierung zu § 219a nichts geändert habe außer der Rechtsschreibung, wird vom Landgericht wiederum als „unwahre Tatsachenbehauptung“ gesehen. Das war zu erwarten. Anwalt Lehr hatte in der mündlichen Verhandlung auch schon die Klarstellung angeboten, dass sich Mayrs Aussage nur auf den Anfang der Kommentierung beziehe.
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Allerdings hat das Landgericht den Vorwurf der „groben handwerklichen Schlamperei“ als rechtmäßig eingestuft. Dies sei eine Meinungsäußerung, die auf dem wahren Tatsachenkern beruhe, dass Fischer den Satz aus der Gesetzesbegründung nicht oder nicht vollständig zitiert habe.
Mayrs Schlamperei-Vorwurf sei auch zulässig, so das Landgericht, weil sie sich auf ein „Recht zum Gegenschlag“ berufen könne. Fischer hatte zuvor über Mayr geschrieben: „Mayr, Journalistin, weiß nicht, wovon sie spricht. Sie hat, so drängt sich auf, nichts nachgelesen, kein Zitat geprüft, nichts verstanden, und keine Ahnung vom juristischen Veröffentlichungswesen.“
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