Urteil in Ägypten: Muslimbruderschaft verboten
Ein Gericht in Kairo beschließt auch die Beschlagnahme des Vermögens der Organisation. Weitere Klagen zur Auflösung sind noch anhängig.
KAIRO/BERLIN ap/taz | Ein ägyptisches Gericht hat die islamistische Muslimbruderschaft des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi verboten. Das Gericht ordnete am Montag auch an, das Vermögen der Organisation zu beschlagnahmen, wie das Staatsfernsehen berichtete. Gegen die Entscheidung kann Berufung eingelegt werden.
Der Prozess geht auf eine Klage der sozialistischen Partei Tagammu zurück, die Teil des Bündnisses Ägyptischer Block ist. Die Tagammu hatte argumentiert, die Muslimbrüder hätten terroristische Operationen durchgeführt und religiöse Parolen in der Politik verwandt.
Doch dies ist nicht die einzige Klage gegen die Muslimbrüder. Eine weitere Klage vor dem Verwaltungsgericht in Kairo, die ebenfalls auf die Auflösung der Organisation abzielt, wurde kürzlich auf den 5. November vertagt. Und in Alexandria ist eine Klage anhängig, die den Muslimbrüdern vorwirft, eine terroristische Organisation zu sein. Der Verhandlungstermin wurde für dem 23. Dezember festgesetzt. Gemäß den Normen des internationalen Rechts können Mitglieder der Muslimbrüder jedoch nicht rückwirkend, etwa für die Beteiligung an Protesten gegen den Militärputsch in diesem Sommer, belangt werden.
Das Urteil trägt weiter zur Eskalation zwischen Militär und Muslimbrüdern bei
Das Urteil vom Montag bedeutet eine weitere Eskalation in der immer härteren Auseinandersetzung zwischen der vom Militär gestützten Übergangsregierung und den Anhängern von Expräsident Mohammed Mursi. Dieser war am 3. Juli 2013 nach tagelangen Massenprotesten vom Militär gestürzt worden. Seitdem wurden zahlreiche führende ranghohe Mitglieder der Muslimbruderschaft festgenommen, darunter auch deren Chef, Mohammed Badie.
Die Organisation wurde 1928 von Hassan al-Banna gegründet. Im Jahr 1954 wurde sie unter dem damaligen Präsidenten Gamal Abdel Nasser verboten und blieb es auch die meiste Zeit, so auch unter dem langjährigen Machthaber Husni Mubarak. Je nach politischer Opportunität wurden die Muslimbrüder geduldet und konnten als Unabhängige bei den Wahlen antreten. Zum Teil arbeiteten sie auch im Untergrund; außerdem waren sie in der Sozial- und Wohltätigkeitsarbeit aktiv.
Nach dem Sturz Mubaraks 2011 konnte die Gruppe ihre Arbeit rechtmäßig wieder aufnehmen. Die Organisation gründete eine politische Partei, die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei. Sie wurde stärkste Partei und stellte schließlich auch den Präsidenten. Im März ließ sich die Muslimbruderschaft als Nichtregierungsorganisation registrieren. Sollte das jüngste Urteil Bestand haben, würde dies bedeuten, dass die Muslimbrüder weniger Manövrierfähigkeit haben als unter Mubarak.
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