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Urteil im Mordfall Lena gefälltOrganisiert Weggesehen

Am Vormittag urteilte ein Gericht über den mutmaßlichen Mörder der 11-jährigen Lena. Seine Geschichte strotzt nur von Fehlern der Polizei.

Die Versäumnisse der Polizei sind bis heute nicht aufgeklärt. Bild: dapd

BERLIN taz/dpa | Der Mörder von Lena, der heute 19-jährige David H., ist verurteilt worden. Er wird wegen der Gefahr für die Öffentlichkeit in die Psychatrie eingewiesen. „Es wird sich um ein sehr langes Wegschließen des Angeklagten handeln“, sagte der Richter Hans Brederlow. Wann er wieder frei kommt, ist offen, entschied am Mittwoch das Landgericht Aurich.

Der junge Mann hat gestanden, im März diesen Jahres die 11jährige Lena erwürgt zu haben. Vorher hatte er versucht, das Mädchen zu vergewaltigen. Als sie um Hilfe rief, brachte er sie um. Der Tod Lenas erscheint auch deswegen so sinnlos, weil der mutmaßliche Täter alles getan hat, um die Polizei auf sich und seine pädosexuelle Veranlagung aufmerksam zu machen.

Richter Brederlow ging auf eine mögliche Mitverantwortung der Sicherheitsbehörden ein. Selbst wenn alle Abläufe bei der Polizei ordnungsgemäß abgelaufen wären, hätte man den Täter nicht aus dem Verkehre gezogen, weil er zu jung gewesen sei.

Pädokriminelle sind gut darin, sich zu tarnen und zu verstecken. Ganz anders David H. Er ging direkt zur Polizei in Aurich und wies auf seine pädophilen Neigungen hin. Er gestand, kinderpornografische Sammlungen auf seinem Rechner zu besitzen.

Die Polizei ignorierte ihn

Und er zeigte den Beamten auch, dass er bereit ist, die Grenze von virtuellem Missbrauch seiner Macht zum realen zu überschreiten: Der junge Mann gestand, ein siebenjähriges Mädchen ausgezogen und fotografiert zu haben, eine Freundin seiner Schwester. Die Botschaft an die Polizei lautete: Ich bin gefährlich und traue mir selbst nicht mehr, helfen Sie mir! Doch die Polizei ignorierte ihn praktisch.

Am Tag nach seiner Selbstanzeige hatte David H., wie man inzwischen weiss, eine Joggerin überfallen. Die Polizei aber konnte die gefundenen DNA-Spuren nicht mit ihm in Verbindung bringen, weil sie keine Speichelproben genommen hatte. Das war im November 2011.

Auch eine Hausdurchsuchung bei dem jungen Pädokriminellen hätte die Polizei damals auf die Spur des Täters und späteren Mörders bringen können. Doch den Durchsuchungsbeschluss, den die zuständige Staatsanwaltschaft in Hannover ausstellte, führte die Polizei nicht aus. Das war im Dezember 2011. Drei Monate später war Lena tot. Dem Polizeivize von Aurich Friedo de Vries stockte in einer Pressekonferenz der Atem über die schwerwiegenden Versäumnisse. Er leitete interne Ermittlungen gegen die Beamten ein. Insgesamt wird gegen acht Polizisten disziplinarisch vorgegangen.

Vorwürfe gegen Polizisten fallen gelassen

Doch während es der Jugendkammer des Landgerichts Aurich in einem halben Jahr gelang, über die Strafe von Daniel H. zu beraten, lassen die organisatorischen und disziplinarischen Konsequenzen für die Polizisten auf sich warten. Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen zwei Polizeibeamte wegen Strafvereitelung im Amt wurden fallen gelassen.

Ein Sprecher der Polizeidirektion Osnabrück, die das dienstrechtliche Verfahren gegen ihre Kollegen führt, sagte der taz, dass sich inzwischen ein recht klares Bild über den Sachverhalt ergebe. Er könne jedoch nicht sagen, ob das Verfahren in vier, sechs oder acht Wochen abgeschlossen werden könne.

Niedersachsens Innenminister Schünemann hat deutlich gezeigt, dass er zwischen der individuellen Schuld der Polizeibeamten und den strukturellen Ursachen im Fall Lena unterscheiden kann. Im April sagte Schünemann, er gehe von persönlichen Fehlleistungen der Beamten aus, nicht von strukturellen Fehlern der Polizeiarbeit. Das bedeutet, der Innenminister sprach sich, den Strukturverantwortlichen, frei – und die Polizisten schuldig. Jetzt sagt Schünemann nichts, wie er der taz mitteilen ließ, weil „der Polizeidirektion Osnabrück die dienst- und personalrechtlichen Befugnisse obliegen“.

*Anmerkung: Der Artikel wurde um 13.10 Uhr aktuallisiert.

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4 Kommentare

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  • C
    Christian

    @derpeer

     

    Ist so eine Wortschöpfung nicht immer noch besser als wie gewöhnlich "pädophil" zu sagen und "Kinderschänder" zu meinen und zu denken? So eine Gleichsetzung führt doch zu noch mehr Stigmatisierung und somit dazu, dass sich noch weniger Betroffene rechtzeitig Hilfe holen ... sprich bevor sie zu Tätern werden.

  • U
    Urgestein

    @derpeer

     

    "Pädokriminalität ist ein Sammelbegriff für verschiedene Ausprägungen sexueller Gewalt gegen Kinder. Der Begriff wurde in den 1980er Jahren geprägt. Seine Verwendung ist dabei umstritten, allerdings wird in diversen Schriftstücken des UNHCHR, WHO sowie UNICEF das Wort ,Pädokriminalität‘ (frz. pédocriminalité, engl. pedocriminality) zusammenfassend für den Themenkomplex rund um Sexuellen Kindesmissbrauch, Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie verwendet." (Wikipedia)

     

    Frau von der Leyen hat also bereits als Studentin der Wirtschaftswissenschaften, Politologie und Medizin, weit vor ihrem Eintritt in die Politik oder Mitgliedschaft in einer Partei, "Wortschöpfungen" kreiert und das gleich mehrsprachig, welche dann auch sofort von den einschlägigen Organen der UNO (die sie wahrscheinlich zu diesem Zweck auch alle selbst gegründet hat, kurz nachdem sie die Welt als solche erschuf) übernommen wurden.

     

     

    Eine sehr umtriebige Frau.

  • R
    reblek

    "Organisiert Weggesehen" - So etwas muss tatsächlich an die große Glocke gehängt werden, aber "weggesehen" ist im Gegensatz zur Glocke kein Substantiv.

  • D
    derpeer

    Pädakriminelle??

     

    Das ist doch diese unerträgliche Wortschöpfung der Zensursula. Muss die Taz das unbedingt weiter aufgreifen?

    Ist OT, klar - aber gerade die Taz sollte doch hier auch auf den Berichtstil achten.