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Urteil des BGHGut so: Aktionäre müssen haften

Ulrike Herrmann

Kommentar von

Ulrike Herrmann

Der BGH macht klar: Aktionäre haben im Insolvenzfall keinen Anspruch auf ihr Geld. Das ist nur gerecht – und gut für den Finanzplatz Deutschland.

Markus Braun, Verzocker anderer Leute Geld, das diese auch nicht mehr wiederbekommen, und das ist auch gut so Foto: Lennart Preiss/dpa

W irecard war ein unglaublicher Wirtschaftsskandal: Der Finanzdienstleister war angeblich so wertvoll, dass er sogar im deutschen Aktienindex DAX gelistet wurde – bis er im Juni 2020 spektakulär zusammenbrach. Plötzlich stellte sich heraus, dass die Firma nur Scheinbuchungen vorgenommen hatte und Milliarden Euro fehlten. Seither ist die Frage offen, wer den Schaden trägt, was auch Gerichte beschäftigt.

Am Donnerstag ist nun ein entscheidendes Urteil ergangen. Der Bundesgerichtshof (BGH) befand, dass die Aktionäre vorerst keinen Anspruch haben, entschädigt zu werden. Sie müssen sich ganz hinten in der langen Schlange der Wirecard-Gläubiger anstellen.

Damit ist klar: Die Wirecard-Aktionäre werden kein Geld sehen. Denn die Insolvenzmasse beträgt nur 650 Millionen Euro, und geprellte Nicht-Aktionäre haben Ansprüche von 15,4 Milliarden Euro angemeldet. Bei Wirecard gibt es nur Verlierer.

Trotzdem ist das BGH-Urteil wichtig, denn es klärt grundsätzlich, dass Aktionäre bei einer Insolvenz haften müssen. Das ist nur konsequent. Schließlich sind die Aktionäre die Eigentümer, weswegen sie den Aufsichtsrat wählen – und damit indirekt die Manager im Vorstand. Die Aktionäre sind also verantwortlich dafür, dass bei Wirecard Trickbetrüger das Sagen hatten.

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Zugleich ging es bei dem BGH-Urteil um weit mehr als nur Wirecard – letztlich wurde über den Finanzplatz Deutschland entschieden. Hätte nämlich der BGH befunden, dass Aktionäre gleichrangig wie andere Gläubiger zu behandeln sind, wären prompt alle Unternehmenskredite teurer geworden. Denn bisher sind die Zinsen für Firmen relativ niedrig, weil die Banken davon ausgehen, dass bei einer Pleite zunächst die Aktionäre haften. Würden aber die Aktionäre plötzlich auch Geld aus der Insolvenzmasse bekommen, fiele der Risikopuffer für die Banken weg – und die Zinsen würden steigen.

Das Finanzchaos in Deutschland wäre beispiellos gewesen. Aber das wusste das BGH natürlich. Weswegen alles bleibt wie bisher: Aktionäre müssen haften.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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11 Kommentare

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  • Die Pleite kam weder plötzlich, noch unerwartet:



    (Zitat) "Bereits 2015 hatte FT-Journalist Dan McCrum Hinweise erhalten, dass in den Bilanzen von Wirecard etwas nicht stimme. ..."



    www.deutschlandfun...urden-die-100.html



    Man hatte aber lieber den Postboten verfolgen, als die Briefe lesen wollen.

  • Von wegen Aktionärs hier geht`s um Amtshaftungsfrage; War Mega Finanzskandalrad Zahlungsdienstleister Wirecard AG bis 2020 verdeckt in Weltschattenwirtschaft drehte, gedeckt von der BaFin? Teil Versuchs mit chinesisch-russischer Hilfe neues internationales Zahlungssystem, neben Swift, zu etablieren, das Iran Abkommen 2015 nach Ausstieg USA 2018 abzusichern, Zusagen Abkommens an Iran durch Berlin, Paris, Russland, China zugewährleisten? wenn ja, heißt das, dass 1.9 Milliarden € nicht weg, nur woanders sind, nämlich in Moskau. Peking oder? Wenn nun FSB, Marsalek BND 2022 zum Verhör in Moskau offeriert, ist das Signal, wir haben Erpressungsmaterial gegen Bundesregierung Angela Merkel/Olaf Scholz?



    Indiz dafür ? Fabio de Masi Newsletter 23.5.2022 Causa Jan Marsalek "In Welt am Sonntag enthülle ich exklusiv, dass früherer militärische Berater der Bundeskanzlerin, Brigadegeneral a.D. Erich Vad, der an dubiosem Abendessen mit Jan Marsalek Nicolas Sarkozy weiteren hochrangigen Persönlichkeiten teilnahm, mir anbot in dubiosen Beirat um österreichischen Milliardär, Immobilleninvestor Cevdet Caner zu kommen, Spur zum flüchtigen Wirecard Manager Jan Marsalek von Russland wegführen sollte

  • Das BGH-Urteil wirkt logisch: Aktionäre stehen im Insolvenzfall hinten an. Risiko gehört zum Spiel. Trotzdem trifft der taz-Kommentar einen Ton, der arg selbstzufrieden wirkt. Der Satz „Aktionäre müssen haften“ klingt so, als müssten Kleinanleger nachschießen. Das ist falsch. Niemand haftet privat. Es geht nur um nachrangige Forderungen. Ein wichtiger Unterschied, den man nicht einfach rhetorisch verwischen sollte.

    Der Kommentar feiert das Urteil als Sieg für den Finanzplatz Deutschland, als würde damit plötzlich alles stabiler werden. Dabei blendet er komplett aus, dass Wirecard nicht nur Anleger getäuscht hat – auch große Teile der Politik haben das Unternehmen jahrelang gelobt, hofiert und als deutschen Tech-Champion präsentiert. Die Aufsicht versagte, Mahner wurden ignoriert. Viele Kleinanleger wurden betrogen und gleichzeitig von Politik und Behörden im Stich gelassen. Man kann das Urteil juristisch korrekt finden und trotzdem menschlich bitter. Ein wenig weniger Triumph und ein wenig mehr Demut hätten dem Kommentar gutgetan.

  • Schon Recht viele Falschaussagen in diesem Artikel. Das"haften" wurde ja schon angesprochen.



    Was auch falsch ist: nicht jeder Aktionär wählt den Aufsichtsrat. Aktien können mit verschiedenen Rechten ausgestattet werden...

    Bitte besser recherchieren.

  • Wer ist „das BGH“? Ein Monster?! Ein weiteres neben „dem Aktionär“? Große Sorge um den Risikopuffer der Banken und ein voller Erfolg für den Finanzplatz Deutschland. Das dürften geprellte Kapitalanleger genau andersrum sehen.

    Dass „die Aktionäre“ auch für Trickbetrügereien des Vorstands verantwortlich seien, ist so abwegig wie die Verantwortung aller Wahlberechtigten für Straftaten von Politikern. Aktionäre haben keinen unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsführung. Ihre Rechte beschränken sich insoweit auf die Mitwirkung in der Hauptversammlung.

    Effekthascherisch ist auch die Behauptung, Aktionäre müssten bei einer Insolvenz haften. Das ist irreführend. Aktionäre müssen bei einer Insolvenz weder für die Schulden ihrer Aktiengesellschaft einstehen noch sind zum Nachschuss verpflichtet. Ihr Risiko bleibt auf die Einlage beschränkt. Wenn es sich realisiert, geschieht dies nicht aufgrund ihrer Haftung (sondern allenfalls der der Aktiengesellschaft).

    In dem Verfahren ging es auch nicht um Haftungsfragen, sondern das Rangverhältnis bei der Verteilung einer Insolvenzmasse, einen „Verteilungskonflikt“, wie auch die Pressemeldung des BGH unmissverständlich erkennen lässt.

    • @Yes:

      Aktionäre sind Teilhabene Gesellschafter eines Unternehmens und keine Geschäftspartner. Alleine Ihr Vergleich mit mit der öffentlichen Verwaltung ist hanebüchend, der Kauf von Anteilen eines Unternehmens mit der Teilhabe an der politischen Gestaltung gleich zu setzen ist für eine feudalistische Gesellschaft typisch.

      Ihr restlicher Kommentar ist ziemlich wirr! Es geht in diesem Urteil lediglich um die Haftung der AG (und somit auch um die Haftung durch die Einlage der Aktionäre) und nicht um zusätzliche Kostenübernahme durch die Aktionäre.

      Außerdem sind Aktionäre, mit ihren Einlagen, an der Haftung der AG gegenüber Gläubigern beteiligt.

  • Naja, "haften" tun die Aktionäre natürlich nicht, sonst müssten sie ja aus ihrem Privatvermögen im Insolvenzfall auch noch nachschießen. Das trifft nur z.B. persönliche Gesellschafter einer OHG. Aber klar, Rendite gibt's nicht ohne Risiko, im Insolvenzall steht der Aktionär hinten an, so soll's auch sein.

    • @Descartes:

      Selbstverständlich haften Aktionäre. Sie haften nicht mit ihrem Privatvermögen, wie das bei einer OHG, GbR oder einem Einzelunternehmen der Fall wäre, sondern die Haftung ist auf ihre Einlage beschränkt, aber nur weil die Haftung beschränkt ist, ist sie ja nicht aufgehoben. Ähnliches gilt bei Kommanditisten in einer KG, auch die haften ja nur mit ihrer Einlage, aber damit haften sie in jedem Fall.

  • Aktionäre müssen haften. Ist das gut so?

    je,es ist richtig und gut, dass Aktionäre, die mit ihrem Geld noch mehr Geld verdienen wollen, genauer hinschauen müssen, wie sie ihr Geld anlegen. Das könnte den Kapitalismus etwas verantwortlicher machen. Aber:

    Da haben Kleinanleger schlechte Karten, denn ihnen fehlt oft Ein- und Übersicht um die Geschäftsmodelle und -führung beurteilen zu können. Die verlassen sich aber ohnehin zumeist darauf, dass institutionelle und gewerbliche Anleger schon wissen werden, wie ihr Erspartes zumindest ein paar Zinsen bringt.

    Eine Warnung sollte das Urteil für alle die sein, die sich von der politischen Werbung für eine kapitalgedeckte Alterssicherung verlocken lassen. Als Anleger könnten sie alles verlieren. Im Zweifel klammern sie sich so mit ihrer Altersvorsorge an den Erfolg windige Geschäftemacher und das Funktionieren des kapitalistischen System indem sie als ArbeitnehmerInnen schon heute stimmlose Abhängige sind.

    • @DemokratischeZelleEins:

      Sie haben grundsätzlich Recht! Nichtsdestotrotz ist es vernünftig, wenn Unternehmensbeteiligte auch anteilig an der Haftung des Unternehmen beteiligt werden. Das Kleinanleger dort regelmäßig die Gelackmeierten sind, ist eine Grundvoraussetzung im Kapitalismus. Es ist auch nachgewiesen...

      science.lu/de/inve...hte-entscheidungen

      www.innovations-re...hte-investitionen/