Urlaub machen für wenig Geld: DDR-Trip oder zu den Verwandten?
Jeder Sechste kann sich keinen Urlaub leisten. Doch es gibt kostengünstige Varianten, um mal zu verreisen. Wir haben da ein paar Ideen.
Jeder Sechste in Deutschland kann sich nicht mal einen einwöchigen Urlaub leisten. Darauf weist die Linkspartei hin und bezieht sich dabei auf Zahlen von Eurostat. Von den Alleinstehenden muss sogar jeder Vierte, unter den Alleinerziehenden sogar jede Dritte wegen Geldmangels zu Hause bleiben.
Nun ist es nicht lustig, wenn der Nachwuchs von Alleinerziehenden wegen Geldmangels nicht wegfahren kann und sich nach den Ferien die Schwärmerei der Klassenkameraden über Motorbootfahrten im Mittelmeer oder den Ponyhof in Österreich anhören muss. Immerhin aber gibt es Billigvarianten des Urlaubs, die Reisesehnsüchtige in Erwägung ziehen können. Dies lehrt ein Blick in die Freizeit- und Urlaubshistorie. Varianten sind:
1. Der Verwandtenbesuch
Der Verwandtenbesuch ist weltweit das verbreitetste Verfahren in der Freizeit- und Reisegestaltung und ein Grund, warum das Konzept „Urlaub“ mit teuren Aufenthalten in Hotellerie und Gastronomie in vielen Ländern unbekannt ist. Stattdessen fährt man mitsamt der Familie zu den Eltern, Onkeln, Tanten, Geschwistern, möglichst in schöneren Gegenden als dem Heimatort, lässt sich von den Angehörigen bekochen und bleibt eine ganze Weile. Viele türkischstämmige Deutsche leben vor, wie man dank der Verwandtschaft in der Türkei auf billige Weise viele Wochen in den Süden kommt. Aber Vorsicht: Beim Verwandtenbesuch gehen Gastfreundschaft, Pflichtgefühle und Blutsbande eine gefährliche Melange ein, die jederzeit explodieren kann.
2. Die Hippievariante
Wie zu Hippiezeiten halten Hartgesottene auch heute noch an der Autobahnauffahrt den Daumen in den Wind, ein selbstgemaltes Schild mit dem Namen des Urlaubsziels in den Händen und das Gepäck mit Schlafsack im Hintergrund. Man wird auch durchaus mitgenommen und sogar viel eingeladen – solange man unter 22 ist.
Populärer bei Reisehippies ist inzwischen aber die Web-Variante, das Couchsurfing bei Fremden, die man vorher über das Internet kontaktiert hat. Das ist billig und funktioniert, allerdings gilt das Gleiche wie früher beim Trampen und Schlafplatzsuchen: Man muss über PR-Qualitäten in eigener Sache verfügen, also gerne mit Fremden reden wollen und eine gewisse Grundwitzigkeit besitzen. Wer seine Ruhe haben will, für den ist die Hippie-Variante mit Schnorreranteil nicht das Richtige. Aber es gibt ja noch:
3. Die DDR-Variante
Für dieses früher im Osten bewährte Verfahren braucht man ein Fahrrad, ein Zelt und viel Muskelkraft. Sinnvoll wäre, sich vielleicht noch einen Fahrradanhänger für die Dauer des Urlaubs zu leihen. Die alte Ostmethode ist ein preisgünstiger und gesunder Weg, um mal rauszukommen. Kaum Geld, aber viel Beinkraft sind nötig, um es irgendwo an einen See zu schaffen. Mit Gaskocher, Schnellreis und Gemüse kommt man gut über die Urlaubstage, so ernähren sich weltweit viele Trucker. Unter Umständen ist das Zelten allerdings nur auf einem Campingplatz erlaubt. Dann ist das mit der Ruhe wieder so eine Sache. Aber es gibt ja noch:
4. Die „innere Reise“
Die schönste und billigste Reise ist die innere Reise, das wissen nicht nur buddhistisch Beeinflusste. Holen Sie sich aus der Leihbücherei einen Bildband über Wüstennomaden, Himalajavölker oder Klöster der Welt. Dann setzen Sie sich irgendwo in den Park, blättern und suchen ein Lieblingsbild. Sie schließen die Augen und träumen sich in die Landschaft hinein, vielleicht noch mithilfe irgendwelcher Sphärenklänge im Ohr. Sie sind ganz weit weg – aber am Ende der inneren Reise kommen Sie wieder zu Hause bei sich an. Genauso wie Ihre Bekannten nach ihrem 3.000 Euro teuren Erlebnistrip in Asien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül