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Unterwegs auf türkischen BergstraßenSonne im Herzen

Hinter türkischen LKWs her zu fahren ist das beste Mittel gegen Heimweh: Man begegnet Dampf-Bädern auf Rädern und den Dichtern der Landstraße.

Von hier aus ist es noch weit bis Ankara: Berge des Taurusgebirges vor Gewächshäusern in Belek Foto: dpa / Soeren Stache

M it meinem Onkel Ömer fahre ich auf der Landstraße nach Ankara. „Fahren“ ist in unserer aktuellen Situation ein klein wenig zu hoch gegriffen und eher reines Wunschdenken. Wir kriechen seit einer Viertelstunde mit maximal einem Kilometer in der Stunde hinter einem vollbeladenen Lkw eine Bergstraße rauf. Der vollkommen überladene, klapprige Lastwagen stöhnt und ächzt fürchterlich unter den Massen, die er den Berg hochtragen muss, und bläst uns aus Verzweiflung eine derart pechschwarze Wolke ins Gesicht, dass wir nicht mehr wissen, ob Tag oder Nacht ist.

Ich liebe diese pechschwarzen Abgase! Es ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass wir endlich in der Türkei angekommen sind. Das beste Mittel gegen Heimweh. Die andere Art der berühmten türkischen Dampf-Therapie. Ein Hamam auf Rädern sozusagen.

Nachdem ich wieder etwas sehen kann, entdecke ich einen markanten Spruch hinten auf der Ladeklappe des Dampf-Kraftwagens. „Yollarda değil, senin kollarında öleyim.“ – „Nicht auf den Straßen, sondern in deinen Armen will ich sterben“ ist die große Sehnsucht des Fahrers, die er glaubt, alle Welt kundtun zu müssen. „Mit so einer dämlichen Fahrweise wirst du aber nie zu Hause ankommen und doch auf der Straße krepieren, du Ochse“, zischt Onkel Ömer sauer.

„Onkel Ömer, soll ich den Ochsen überholen?“

„Hast du den zweiten Spruch von ihm nicht gelesen? Önünü görmeden sollama, evine acı haber yollama.“ – „Willst du wirklich deine Familie wiedersehen, überhole niemals, ohne richtig zu sehen“ werden wir gewarnt.

Nichts umschreibt die seelische Verfassung eines Volkes besser als die Sprüche an seinen Fahrzeugen

„Der Mann ist ja ein richtiger Poet! Ein Dichter der Landstraße. Hier bekommt das Wort ‚Straßenkünstler‘ eine ganz neue Bedeutung“, rufe ich anerkennend.

„Mein lieber Neffe, nichts kann die seelische Verfassung eines Volkes besser umschreiben, als die Sprüche an seinen Fahrzeugen.“

Ein kurzes Überholmanöver am Berg und wir hängen hinter dem nächsten qualmenden Landstraßenpoeten: „Aşıksan vur saza, şöfersen bas gaza.“ – „Wenn du verliebt bist, spiele Saz, wenn du Fahrer bist, gib Gas.“

„Sen kalbimde batan güneş, ben yollarda çilekeş.“ – „Du bist die untergehende Sonne in meinem Herzen, ich bin der Asket auf der Straße.“

Dann landen wir hinter dem nächsten Poeten. Auf türkischen Landstraßen wimmelt es nur so von Dichtern und Denkern. „Gönlünde yer yoksa, ben bagajda da giderim.“ – „Solltest du keinen Platz in deinem Herzen haben, kann ich auch im Kofferraum fahren.“

Bevor Onkel Ömer und ich noch schwer depressiv werden, überholen wir etwas waghalsig den unglücklich Verliebten und landen hinter einem Geschwindigkeitsfanatiker, der mit zehn Stundenkilometern den Berg hochkriecht: „Tek rakibim Türk Hava Yolları.“ – „Mein einziger Konkurrent ist Turkish Airlines.“

„Bir gaza bassam Google’de arasan bulamazsın.“ – „Wenn ich Gas gebe, kannst du mich nicht mal bei Google finden.“

„Mein lieber Neffe Osman, was steht denn in Deutschland so Interessantes hinten auf den Lkws?“, fragt Onkel Ömer neugierig. Ich sage:

„Bitte zwei Meter Rangierabstand halten.“

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