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Unterstützung für Putin in KasachstanEine kleine, gefährliche Minderheit

Es sind in Kasachstan nicht nur Russen, die pro-russisch denken. Ein Sendeverbot für russisches Fernsehen wird das Problem nicht lösen.

Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew besucht die Militärparade in Moskau Foto: Gavriil Grigorov/Sputnik/imago

Wer wollte mit mir reden? Ich bin für Putin, ich unterstütze Russland, wenn ihr damit irgendwelche Probleme habt, dann lasst uns rausgehen!“, spricht uns ein Barbesucher an. Mein Kollege und ich haben für eine Reportage in der kasachischen Hauptstadt Almaty nach Russen gesucht, die vor der Mobilmachung geflohen sind. Vor einer Bar hat uns einer der Gäste erzählt, er kenne Menschen, mit denen wir sprechen können.

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Fünf Minuten später kommt ein adrett gekleideter Typ auf uns zu. Er sieht aus wie Anfang, Mitte 20. Leider war es ganz und gar nicht einer derer, nach denen wir gesucht hatten. „Kommen Sie aus Russland?“, fragt mein Kollege. „Nein, ich bin Kasache, in Almaty aufgewachsen und ich unterstütze Russland. Und wenn euch das nicht passt, sagt Bescheid!“ Hinter dem jungen Putinisten tauchen fünf seiner Freunde auf. Glücklicherweise können wir eine Schlägerei vermeiden.

Aber bis zu diesem Augenblick hatten wir nicht mal daran gedacht, dass so ein Mensch aussehen könnte, der den Krieg unterstützt. Es war irgendwie bequemer zu denken, dass es vor allem die fernsehschauenden Rentner in Kasachstan seien, die die russische Propaganda unterstützen. Seit dreißig Jahren sehen Kasachen russisches Fernsehen, das jetzt den Personenkult um Putin propagiert und den Einmarsch in die Ukraine rechtfertigt. Auf Petitionen, die ein Sendeverbot für russisches Fernsehen fordern, hat die kasachische Regierung bisher nicht reagiert.

Aber denken Sie nicht, dass Russland in Kasachstan nur von alten Sowjetnostalgikern aus dem Norden des Landes unterstützt wird. Auch bei jungen Menschen aus dem Süden des Landes gibt es diese Haltung. Erst kürzlich erregte ein Bewohner der südkasachischen Großstadt Schymkent in den sozialen Medien Aufsehen, weil er sich ein Putingesicht mit der Aufschrift „Imperator“ hat tätowieren lassen. Auch einzelne kasachische Fußballfans machen keinen Hehl aus ihrer prorussischen Einstellung.

Nikita Danilin

Journalist aus Almaty (Kasachstan). Geboren 1996. Arbeitet seit mehr als fünf Jahren zur Arbeit kasachischer Rechtssprechung, dem öffentlichen Beschaffungswesen und Menschenrechtsverletzungen in Zentralasien.

Das kommt wahrscheinlich daher, dass die russische Propaganda schon so weit in die sozialen Netzwerke vorgedrungen ist. Es nützt also nicht, die russischen Fernsehsender „einfach abzuschalten“. Ein Glück sind die Kasachen, die das blutige Putin-Regime unterstützen, in der Minderheit. Aber diese Minderheit ist ziemlich gefährlich. Nicht selten betrachten ihre Vertreter kasachische Gebiete als Teil Russlands und Putin als ihren Präsidenten. Separatistische Ideen sind bei ihnen deshalb besonders verbreitet.

Doch wie geht man mit ihnen um? Und wie kann man den Einfluss russischer Propaganda auf die kasachische Bevölkerung beschränken? Bisher hat man den Eindruck, dass die kasachische Regierung nicht nur der Allgemeinheit darauf keine Antwort geben möchte, sondern auch selbst keine weiß.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

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