Unternehmer über Menstruationsauszeit: „Es wird genutzt, nicht ausgenutzt“
Der Zyklus des Mondes ähnelt dem der Periode. In Marius Baumgärtels Reinigungsfirma „Queere Haushaltshilfe“ können alle einen „Moon Day“ nehmen.
taz: Herr Baumgärtel, vor zwei Jahren haben Sie die „Moon Days“ in Ihrem Unternehmen eingeführt. Sie sind damit dem Beispiel der Niederländerin Kristel de Groot gefolgt. In ihrer Firma können sich Frauen, die Menstruationsbeschwerden haben, freinehmen. Wie kam das Konzept bei den Mitarbeitenden an?
(31) ist Inhaber von „Queere Haushaltshilfe“. In dem 2020 gegründeten Fachbetrieb für Reinigungskräfte und Haushaltshilfen sind 25 Menschen beschäftigt. Er bezeichnet sich selbst als die Herrin im Betrieb, als Chef-Fensterputzerin, Mädchen für alles und als „sozialster Kapitalist, der in dieser Stadt zu finden ist“.
Marius Baumgärtel: Es gab zu der Zeit keinen Betrieb in Deutschland, der das gemacht hat. Als ich die Idee bei uns vorgestellt habe, war das Team erst mal skeptisch. Da ich aber gerne neue Dinge teste, habe ich vorgeschlagen, das Konzept bis zum Jahresende auszuprobieren. Und tatsächlich wurde es sehr gut angenommen und steht jetzt auch offiziell in unseren Arbeitsverträgen.
Wieso der Begriff Moon Days?
Der Mond hat einen ähnlichen Zyklus wie die Periode, daher passt das gut. Und es ist wichtig, dass man in der Wortwahl betont, dass es nicht um „Menstruationsurlaub“ geht. Urlaub bedeutet, sich von der Arbeit zu erholen. Wer einen Moon Day nimmt, der erholt sich von Schmerzen.
Wieso ist Ihnen das Thema so wichtig?
Ich kann bei Menstruation nicht aus eigener Erfahrung sprechen. Aber ich hatte Menschen hier im Büro, die trotz starker Schmerzen zur Arbeit gekommen sind. Und das wollte ich nicht mehr mit ansehen. Niemand sollte sich für die Menstruation schämen müssen und denken, es sei so Not am Mann, dass Frau sich zur Arbeit quälen muss. Wir haben auch Wärmflaschen im Büro eingeführt. Tampons stehen in allen Größen im Badezimmer, auf Kosten der Firma. Ich will das Thema sichtbar machen.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) besagt, dass Beschäftigte wegen ihres Geschlechts nicht benachteiligt werden dürfen. Stellen die „Moon Days“ nicht einen Nachteil für Männer dar?
Ob jemand jetzt wegen Regelschmerzen oder wegen Hodenschmerzen zu Hause bleibt, ist mir egal. Bei uns braucht man grundsätzlich erst ab dem zweiten Krankheitstag ein Attest. Der Fairness halber basieren Moon Days und Krankmeldungen auf derselben rechtlichen Grundlage, das Wording ist aber ein anderes. Es soll verdeutlichen: Es ist okay, wenn du zu Hause bleibst, weil du aufgrund deiner Menstruation Schmerzen hast. Mir ist wichtig, dass meine Mitarbeitenden offen und ehrlich kommunizieren können und nicht fürchten müssen, verurteilt zu werden.
Betont das nicht Unterschiede zwischen den Geschlechtern?
Wir haben alle Phasen, in denen wir besonders leistungsfähig oder weniger leistungsfähig sind. Ich finde, das Sichtbarmachen von Unterschieden ist kein Zeichen von Schwäche, es ist ein Zeichen von gegenseitigem Respekt.
7. März: Die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen ist Thema des Equal Pay Days, dieses Jahr mit dem Fokus auf Ungleichheit in der Kunst- und Kulturwelt. Die Lohnlücke, der Gender Pay Gap liegt in Deutschland bei 18 Prozent, abzüglich von strukturellen Unterschieden wie der höheren Quote von Teilzeitarbeit, immer noch bei 6%. Vor den Rathäusern in Pankow und Tempelhof-Schöneberg wird feierlich die Equal-Pay-Day-Flagge gehisst.
Am Abend wird im Roten Rathaus der Berliner Frauenpreis an Amal Abbass für ihren Einsatz gegen Diskriminierung von Frauen aufgrund von Hautfarbe und geschlechtlicher Identität verliehen. Zuletzt hat sie mit dem Tubman-Network Schwarze Frauen, die aus der Ukraine flüchten mussten, unterstützt. 18 Uhr, Livestream der Senatsverwaltung für Gleichstellung.
8. März: Am Frauenkampftag geht es auf die Straßen. Die wichtigsten Demos im Überblick:
- Die Gewerkschaften Verdi & GEW rufen zur Demo „Feministisch Solidarisch. Gewerkschaftlich“: 13 Uhr, Invalidenpark.
- „Our revolution is coming“ heißt eine „internationalistische" Demo“, CIS-Männer-frei: Frankfurter Tor, 14 Uhr. Eine Fahrraddemo dorthin - Purple Ride - startet 12 Uhr am Mariannenplatz.
- Zur Unterstützung mit den Frauen im Iran protestiert das Woman*life freedom collective: 11.30 Uhr, Rosa-Luxemburg-Platz.
- „Rosen für Clara“ heißt die jährliche Demo vom FrauenNetz Marzahn-Hellersdorf: 13 Uhr, Clara-Zetkin-Park.
- Queerfeminstsich und autonom geht es m Abend bei der „Fight by Night“-Demo zu: 18 Uhr, Spreewaldplatz.
Wie hat Ihr Umfeld auf die Idee reagiert?
Meine Freunde und Familie hatten Sorge. Es ist schon eigenartig. Ich habe keinen Applaus bekommen, stattdessen Kommentare, ich würde zu viel geben und dass ich mich ausnutzen ließe. Da sieht man schon die Grundeinstellung der Deutschen, sie sehen überall Feinde (lacht). Wir haben ein sehr ungesundes Verhältnis zu unserer Arbeit und unserem Körper in diesem Land. Aber es geht hier um Reinigungskräfte, um körperlich anstrengende Arbeit. Sie haben verdient, dass es ihnen gutgeht. Bei uns bekommt man auch am Geburtstag bezahlt frei. Man geht auch nicht nur arbeiten fürs Geld, man darf auch ein bisschen erfüllt sein. Auch wenn man nur, in Anführungszeichen, Putze ist.
Wie wird das Angebot in Ihrem Betrieb genutzt?
Die Moon Days werden genutzt – aber eben nicht ausgenutzt. Die Mehrheit unserer Mitarbeitenden wird entweder weiblich gelesen oder sind Menschen, die menstruieren können. Menschen, die Menstruationsschmerzen haben, müssen nicht immer Frauen sein. Wir haben auch Transpersonen im Betrieb, also kann es auch vorkommen, dass ein Transmann einen Moon Day nimmt. Manche nutzen das Angebot jeden Monat, andere nur ab und zu. Jüngere Mitarbeitende nutzen die Moon Days insgesamt häufiger. Zögerlich sind am Anfang aber alle, einige trauen sich immer noch nicht. Ich denke, das hat viel mit Erziehung und Gewohnheit zu tun. Viele haben verinnerlicht, dass man auch mit Schmerzen zur Arbeit geht – das macht man eben so.
Spanien hat als erstes Land in Europa Menstruationsurlaub sogar im Gesetz festgeschrieben. Können Sie sich vorstellen, dass das auch in Deutschland durchgesetzt wird?
Dazu muss man wissen, dass Spanien ein ganz anderes Sozialsystem hat. In Deutschland gibt es ab dem ersten Krankheitstag eine Lohnfortzahlung, in Spanien ist das nicht so. Wir haben Spanier im Team, die waren völlig geschockt, dass sie krank sein dürfen und trotzdem weiter Gehalt bekommen. Eine gesetzliche Änderung ist in Deutschland daher nicht notwendig. Ich würde mir aber wünschen, dass sich mehr Unternehmen trauen, das Konzept umzusetzen. Die Rolle der Frau in der Arbeitswelt muss mehr in den Fokus rücken. Nach wie vor werden Frauen schlechter bezahlt – für teilweise bessere Leistungen und bessere Qualifizierung. Menstruationsschmerzen dürfen auf keinen Fall ein Hindernis in der Arbeitswelt darstellen.
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