Unternehmen sehen Pflichttests skeptisch: Wirtschaft sträubt sich
Wirtschaftsverbände behaupten, 90 Prozent der Firmen würden ihre Beschäftigten bereits regelmäßig untersuchen. Doch stimmt das?
![Ein VW Mitarbeiter arbeitet mit Mundschutz in der Fertigungsstrasse an einer Autotür Ein VW Mitarbeiter arbeitet mit Mundschutz in der Fertigungsstrasse an einer Autotür](https://taz.de/picture/4785677/14/Unternehmen-Pflichttests-1.jpeg)
Bedenken äußerte unter anderem Uwe Schummer, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe von CDU und CSU im Bundestag: „Das Testen in den Unternehmen sollte zu einer gesetzlichen Verpflichtung werden.“ Die Debatte kochte auch deshalb hoch, weil am kommenden Montag das nächste Bund-Länder-Treffen zur Pandemie stattfindet. Neben weiteren Kontaktbeschränkungen stehen die Tests auf der Tagesordnung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Beteiligung von 90 Prozent der Firmen verlangt. Für den Fall, dass diese Marke nicht erreicht werde, drohte das SPD-geführte Arbeitsministerium mit der Testpflicht.
In ihrer Erklärung betonen die Verbände, dass „heute schon 87 Prozent der Betriebe allgemein Coronatests anbieten oder dies in Kürze tun werden“. Unter den großen Unternehmen seien es bereits 91 Prozent. Schneller gehe es nicht, weil die Tests nicht immer in ausreichenden Mengen zu beschaffen seien. Außerdem hätten manche Beschäftigte keine Lust, sich ständig überprüfen zu lassen, erklärten die Wirtschaftsverbände. Dass die Mehrheit der Firmen Anstrengungen unternähme, wollte Unionspolitiker Schummer nicht infrage stellen. „Aber es gibt immer Ausnahmen, die sich nicht an die Testempfehlungen halten“, sagte er. „Deshalb müssen wir die Zügel anziehen für diese Minderheit der Unternehmen, die den Empfehlungen nicht folgt.“
Böckler-Stiftung hegt Zweifel
Dagegen bezweifelt die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung, dass die optimistischen Zahlen der Wirtschaftsverbände stimmen. In der zweiten März-Hälfte hätten nur 23 Prozent der befragten Beschäftigten berichtet, dass das anwesende Personal in ihrer Firma mindestens einmal pro Woche einen Schnelltest machen konnte, heißt es in einem diese Woche veröffentlichten Bericht. Für 54 Prozent der Arbeitnehmmer:innen gab es demzufolge weder betriebliche Schnelltests noch waren diese angekündigt. Allerdings war die Böckler-Umfrage nicht repräsentativ, und wahrscheinlich gibt sie auch nicht den aktuellen Stand in den Unternehmen wieder.
Das Bundesarbeitsministerium lässt derweil ebenfalls eine Befragung von Beschäftigten durchführen. Das Wirtschaftsministerium konsultiert Unternehmen. Auf der Basis beider Erhebungen will die Regierung bis spätestens nächsten Montag eine Bewertung vorlegen. Dann könnte über die Testpflicht entschieden werden.
„Viel Luft nach oben“
Eine weitere Baustelle ist das Homeoffice. Zwar gibt es die Corona-Arbeitsschutzverordnung. Damit wurden die Unternehmen verpflichtet, ihrem Personal die Arbeit zu Hause zu ermöglichen, wenn das betriebstechnisch möglich ist. Im März arbeitete jedoch nur ein Drittel der Leute im Homeoffice, teilte das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung kürzlich mit. „Deutschland hat noch viel Luft nach oben. Wir schätzen das Potenzial für Homeoffice auf 56 Prozent der Beschäftigten“, sagt Oliver Falck, Leiter des ifo-Zentrums für neue Technologien.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Linksruck bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft