Unternehmen Standard & Poor's: Bosswechsel beim Ratingriesen
Die Ratingagentur Standard & Poor's bekommt einen neuen Boss: ausgerechnet einen Banker. Mit der Herabstufung der Bonität der USA durch S&P hat der Wechsel nichts zu tun.
BERLIN taz | Als hätte Standard & Poors (S&P) nicht schon genug um die Ohren - nun steht auch noch ein Führungswechsel bevor. Der bisherige Chef der US-Ratingagentur, Deven Sharma, wird bereits am 12. September seinen Stuhl räumen. Das teilte das Medienunternehmen McGraw-Hill mit, der Eigentümer von S&P. Neuer Präsident werde Douglas Peterson, bislang Topmanager bei der Citibank. Konkrete Gründe wurden nicht genannt. Sharma sei "bereit zu neuen Herausforderungen" gewesen, hieß es lediglich aus der Konzernzentrale.
Nicht erst seitdem S&P Anfang August den USA die Spitzenbonität aberkannt und an den Börsen weltweit für Kursstürze gesorgt hat, steht die weltgrößte Ratingagentur heftig unter Beschuss. Das Unternehmen hatte für Banken wie Lehman Brothers, Bear Stearns oder der Hypo Real Estate jahrelang Bestnoten vergeben, obwohl bei diesen Instituten hochriskante Immobilienkredite gebündelt waren. Das löste die Finanzkrise von 2008 aus.
S&P gehört mit Moodys und Fitch zu den drei größten und einflussreichsten Ratingagenturen. Ihre Aufgabe besteht darin, die Kreditwürdigkeit von Banken, Unternehmen und Ländern zu bewerten. Doch obwohl weltweit zwischen 130 und 150 Ratingagenturen existieren, ist das Ratinggeschäft weitgehend zwischen diesen dreien aufgeteilt. In einer aktuellen Studie weist die deutsche Unternehmensberatung Roland Berger nach, dass S&P und Moodys mit 80 Prozent der weltweiten Ratingumsätze eine marktbeherrschende Stellung hat und zum guten Teil auch noch denselben Kapitalbesitzern gehören.
Falsche Urteile?
Aktuell ermittelt das US-Justizministerium gegen S&P und überprüft deren Analysemethoden. Der Vorwurf: Das Unternehmen soll des Profits wegen bewusst falsche Urteile gefällt haben. Das Problem ist grundlegender Natur. Da Schuldner die Gebühren für die Bewertungen der Ratingagenturen tragen und nicht Anleger, liegt die Gefahr einer Interessenkollision nahe. Bei einer Herabstufung könnte der Auftraggeber mit einem Wechsel drohen. Echte Unabhängigkeit sieht anders aus.
Das Wall Street Journal als auch die Financial Times berichten unter Berufung auf interne Kreise, dass der Wechsel an der S&P-Spitze jedoch nichts mit den jüngsten Vorwürfen zu tun habe und schon gar nicht mit der umstrittenen US-Herabstufung, sondern mit Querelen beim Mutterkonzern. Beim S&P-Eigentümer McGraw-Hill rumort es, seit mit einem kanadischen Pensionsfonds für Lehrer und dem Hedgefonds Jana Partners zwei neue Großaktionäre eingestiegen sind. Diese Investoren haben sich mehrfach für eine Aufspaltung des Konzerns in vier Teile ausgesprochen. Branchenkenner hatten errechnet, dass nach einer Aufspaltung die hochrentable Ratingagentur mehr wert sein könnte als der börsennotierte Konzern insgesamt. Da leuchten bei diesen beiden Investoren die Dollarzeichen.
Sharma hatte den Spitzenposten bei S&P gerade einmal vier Jahre inne. Dem künftigen Chef Peterson kommt zugute, dass er vorher Geschäftsführer der US-Bank Citibank war, einem Hauptkunden von S&P.
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