Unterbringung von Bauarbeitern: Bruchbude für Arbeiter
In Hannover mussten aus Bulgarien stammende Beschäftigte in einem früheren Hotel schlafen. Sie hatten nicht einmal Toiletten.
![Im Hintergrund ist das Maritim Hotel zu sehen, im Vordergrund blühen gelbe Blumen Im Hintergrund ist das Maritim Hotel zu sehen, im Vordergrund blühen gelbe Blumen](https://taz.de/picture/4265361/14/62377120-1.jpeg)
Dass es in anderen Branchen auch nicht immer besser aussieht, stellten Mitarbeitende der Gewerbeaufsicht und der Gesundheitsbehörde in Hannover am Dienstag bei einem nicht angemeldeten Besuch auf der Baustelle des ehemaligen „Maritim“-Hotels fest. Rund 50 überwiegend aus Bulgarien stammende Beschäftigte, die mit der Entkernung des Gebäudes beauftragt sind, hausten dort ohne Trinkwasser, ohne sanitäre Einrichtungen und ohne Waschmöglichkeiten.
Bei dem Termin fanden die Behördenleute wohl auch keine kompetenten Ansprechpartner vor. Der Leiter des Gewerbeaufsichtsamtes, Bernd Reese, sagte der Hannoverschen Allgemeine Zeitung (HAZ), die am Mittwoch zuerst über die Zustände auf der schwer mit Schadstoffen belasteten Baustelle berichtet hatte, es sei „kein Bauleiter, der der deutschen Sprache mächtig war“, angetroffen worden. Lediglich ein Mitarbeiter solle gebrochen gedolmetscht haben.
Für Mittwochnachmittag wurde deshalb erneut eine Kontrolle angesetzt – der Termin dauerte bei Redaktionsschluss noch an. Das Gewerbeaufsichtsamt habe die Zusage erhalten, dass dann ein Bauleiter vor Ort sein werde, sagte Reese zur taz. Themen des Treffens sollten unter anderem Fragen des Arbeitsschutzes und vorgegebene Corona-Hygienemaßnahmen sein.
Übernachten auf der Baustelle ist nicht unüblich
Das Übernachten in den Räumen wurde bereits am Dienstag mit sofortiger Wirkung untersagt. Grundsätzlich sei es aber nicht unüblich, dass Arbeiter auf Baustellen übernachteten, so Reese – dann allerdings meistens in extra dafür aufgestellten Containern. Wenn entsprechende Bedingungen hergestellt werden könnten, gelte das auch für das „Maritim“.
Beschäftigte aus umliegenden Büros hatten Ende vergangener Woche die Polizei über vermutete Missstände im früheren „Maritim“ informiert. Die Anrufer hätten sich darüber gewundert, dass die Abbrucharbeiter in dem maroden Gebäude übernachten mussten, hieß es. Deutlich sichtbar seien Schuhe, Hosen und andere Wäschestücke zum Trocknen auf die äußeren Fenstersimse gelegt worden.
Das Hotel wurde in den 1960er-Jahren am Friedrichswall im Zentrum der niedersächsischen Landeshauptstadt errichtet. Es war der erste Großhotelbau in Hannover nach dem Zweiten Weltkrieg. 1995 erwarb die Hotelkette „Maritim“ das Gebäude für rund 35 Millionen D-Mark. Im Expo-Jahr 2000 wurde das Vier-Sterne-Haus erstmals saniert.
Nachdem weder das Land Niedersachsen noch die Stadt Hannover für eine weitere Sanierung Bürgschaften übernehmen wollten, verkaufte die Hotelkette das Gebäude im Jahr 2014. Besitzer ist seitdem die Berliner „Intown“-Gruppe, ein Finanzinvestor inmitten eines unübersichtlichen Geflechts aus zahlreichen Unterfirmen und Beteiligungen. Strategie des Unternehmens ist es, Immobilien in schlechtem Zustand an gut gelegenen Standorten zu erwerben, um diese dann zu sanieren und teuer zu vermieten und zu verkaufen.
Seit Anfang 2019 gehört die „Intown“-Gruppe zur „Lianeo Real Estate GmbH“. Diese versteht sich laut Eigenwerbung als „übergreifende Plattform für Asset Management, Property Management, Facility Management und Leasing Management“. Sie verwaltet Vermögen und Immobilien mit einer Gesamtfläche von drei Millionen Quadratmetern. Im vergangenen Jahr waren mehr als 130 Firmen unter diesem Namen registriert.
Zwischenzeitlich lebten dort Geflüchtete
Der neue Eigentümer kündigte zunächst den Beginn der Totalsanierung und den Umbau zu einem modernen Hotel für 2018 an. Es passierte dort aber erst mal lange Zeit gar nichts. Erst kürzlich begann die Entkernung und die Beseitigung der mit Schadstoffen belasteten Altlasten.
In der Zwischenzeit hatte die Stadt Hannover das Haus für mehrere Millionen Euro angemietet, um dort geflüchtete Menschen unterzubringen. Zeitweise lebten dort bis zu 550 Geflüchtete. Betreiber der damals größten Flüchtlingsunterkunft in Hannover war das Deutsche Rote Kreuz.
Auftragnehmer für die Bauarbeiten ist angeblich die „Manufortis Construction GmbH“ aus dem brandenburgischen Zossen. Sie musste am Dienstag dafür sorgen, dass die Beschäftigten an anderen Orten untergebracht werden. Ob das erfolgt ist, sollte bei der gestrigen Begehung überprüft werden. Das Unternehmen hat zwar einen Eintrag im Handelsregister, aber keinen eigenen Internetauftritt.
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