„Unteilbar“-Demo in Berlin: Die Mitte in Bewegung bringen
Die #Unteilbar-Demo gilt schon als Erfolg, bevor sie überhaupt stattgefunden hat. Bleibt zu hoffen, dass daraus langfristig mehr entsteht.
Viele müssen’s sein. An der Antirassismusparade „We’ll come united“ in Hamburg sollen 25.000 Teilnehmer*innen, bei der „Jetzt gilt’s“-Demo in München 40.000 und im Hambacher Wald sogar 50.000 Menschen teilgenommen haben.
Und in Berlin erwarten die Organisator*innen der #unteilbar-Demonstration an diesem Sonnabend rund 40.000 Teilnehmer*innen. Damit setzt sich die Folge der großen Solidaritäts-Demonstrationen dieses Jahres fort. Gegenüber rechten Demonstrationen ist das schon rein quantitativ ein – wenn auch leider oft übersehener – Erfolg. Doch Symbolpolitik allein reicht nicht aus.
Denn wer sind diese vielen? Auf der Straße tobt seit Monaten der Kampf nicht nur um die Deutungshoheit von Diskursen, sondern auch um die politische Mitte. In einem scheinbar orientierungslosen Taumel möchten von AfD bis Seebrücken-Bewegung alle die gesellschaftliche Mitte ansprechen oder gar repräsentieren – ob in Chemnitz, Köthen, München, Hamburg oder nun in Berlin. Denn Mitte zu sein, ist wichtig: Sie gilt als Aushängeschild des demokratischen Fundaments.
Eisbären und Amnesty
Das #unteilbar-Bündnis hat es tatsächlich geschafft, seine Demonstration genau darauf aufzubauen, indem es einen Querschnitt der Gesellschaft für sich gewann. Rund 9.000 Einzelpersonen und Organisationen, darunter die Eisbären Berlin, Amnesty International, Carolin Emcke, Hengameh Yaghoobifarah oder die Punkband ZSK, unterschrieben den Aufruf zur #unteilbar-Demonstration.
Die Demo beginnt am Samstag um 12 Uhr mit einer Auftaktkundgebung auf dem Alexanderplatz und zieht ab 13 Uhr über die Leipziger Straße, den Potsdamer Platz und am Brandenburger Tor vorbei zur Siegessäule. Dort beginnt um etwa 16 Uhr die Abschlusskundgebung mit einem Programm bis 21 Uhr.
Zu den Rednerinnen und Rednern der Kundgebungen gehören unter anderen Anja Nordmann vom Deutschen Frauenrat, Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in Deutschland, Lala Süsskind vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus, Wenzel Michalski von Human Rights Watch, die britische Autorin Priya Basil und Christian Specht, Mitglied im Vorstand der Berliner Lebenshilfe.
Im Kulturprogramm treten unter anderem Jilet Ayşe, Daniel Kahn, Konstantin Wecker, Herbert Grönemeyer und Bernadette La Hengst auf.
Alle Infos unter www.unteilbar.org (taz)
Darin heißt es, dass Rassismus und Menschenverachtung zunehmend gesellschaftsfähig würden. Dem müsse man ein Signal der unteilbaren Solidarität und die Stärkung des Sozialsystems entgegensetzen. Denn mit dem gesellschaftlichen Rechtsruck würden Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt. Mit ihrer Unterschrift werten das die Unterzeichner*innen des Aufrufs als einen „Angriff auf uns alle“.
Um diesen Angriff abzuwehren, braucht es jedoch mehr als ein Demo-Event der breiten Mitte in Mitte. Denn ergänzend zur Größe hat auch die Route der Demonstration Symbolcharakter. Vom Alexanderplatz wird sie sich bis zur Siegessäule quer durch Berlin-Mitte, selbst schon ein Eventspace, wenn man an die Einheits-Feierlichkeiten oder die Fanmeile denkt, schlängeln.
Doch um tatsächlich eine kraftvolle antirassistische Bewegung zu werden, muss die solidarische Symbolpolitik sowohl zivilgesellschaftlich wie auch politisch Wirkung zeigen. Was heißt das? Die gewohnten Oppositionspolitiker*innen werden gewiss für Selfies auf der Demo posieren. Aber es ist die regierende Parteipolitik, die den Willen zur Handlungsbereitschaft zeigen muss, strukturellen Rassismus in den eigenen Reihen, dem eigenen Kopf und den eigenen Institutionen anzuzeigen. Die Debatten nach Chemnitz haben anderes gezeigt.
Gute Voraussetzungen
Zum anderen bedarf es zivilgesellschaftlicher Interventionen, neuer Bündnisse und Vernetzungen. Nur so kann #unteilbar von der Event-Demo in den Alltag aller Teilnehmenden übersetzt werden. Dafür werden mit der Demonstration gute Voraussetzungen geschaffen, denn hier kommen Menschen zusammen, die bereits in Willkommensinitiativen, Organisationen von und für Geflüchtete, der antirassistischen oder queer-feministischen Bewegungen und so fort organisiert sind, mit solchen, die noch aktiviert werden möchten.
Deshalb ist es wichtig, dass die Demonstration groß wird. Je mehr Menschen, desto höher ist der Wirkungsgrad, Rassismus, Menschenverachtung und Diskriminierung sichtbar zu machen. Diese Themen müssen im Alltag und auf den politischen Agenden beim Namen genannt werden.
Das ist der Anfang. So kann #unteilbar an die gesellschaftlichen Ränder getragen und die sogenannte Mitte verbreitert werden. Das würde #unteilbar zu einem wahren Erfolg machen, und nicht nur klangvolle Solidaritätsbekundungen Herbert Grönemeyers auf der Abschlusskundgebung. Trotzdem gut, dass auch er dabei ist.
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