Uno ruft zum Erhalt der Eisgiganten auf: „Gletscher sind eine Frage des Überlebens“
Die stillen Riesen schmelzen: 2024 haben das dritte Jahr in Folge alle Gletscherregionen der Welt an Masse verloren.

„Der Erhalt der Gletscher ist nicht nur eine Frage der Umwelt, der Wirtschaft und der gesellschaftlichen Notwendigkeit: Es ist eine Frage des Überlebens“, sagte die Chefin der Uno-Behörde Weltwetterorganisation (WMO), Celeste Saulo. 2024 hätten alle 19 Gletscherregionen weltweit das dritte Jahr in Folge an Nettomasse verloren. „Ihr rapider Schwund ist ein alarmierendes Zeichen für die Klimakrise“, betonte auch Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA). „Wir müssen jetzt handeln, weltweit Emissionen senken, um unsere Gletscher für kommende Generationen zu erhalten.“
Da sie das Sonnenlicht reflektieren, sind Gletscher wichtige Klimaregulatoren. Seit Beginn der Aufzeichnungen 1975 haben die Glaziare der Welt jedoch eine Eismasse verloren, mit der man ganz Deutschland 25 Meter hoch bedecken könnte. Allein im vergangenen Jahr seien in den 19 Gletscherregionen der Welt 450 Milliarden Tonnen an Eis geschmolzen, teilte die WMO unter Berufung auf Daten des Schweizer Gletscherbeobachtungsdienstes (WGMS) mit.
2024 war damit das viertschlimmste Jahr für die Gletscherschmelze seit Beginn der Aufzeichnungen. Das bisher folgenschwerste Jahr war 2023. In fünf der vergangenen sechs Jahre sei zudem ein Rekordverlust an Gletschermasse gemessen worden, so die WMO.
Vor allem Skandinavien und Nordasien betroffen
2024 schmolzen laut WMO vor allem die Gletscher in Skandinavien und Nordasien, mit jeweils einem Rekordverlust an Eismasse. Gegenden wie die kanadische Arktik und die Region um Grönland seien weniger betroffen gewesen. Dennoch: Sollte das Eis weiter im aktuellen Tempo schmelzen, würden viele Gletscher in Kanada, den USA, Skandinavien oder Neuseeland das 21. Jahrhundert nicht überleben, so die WMO.
Mitteleuropa leidet besonders. Hier sind die Gletscher in den vergangenen 25 Jahren um 39 Prozent geschrumpft. Fachleute gehen davon aus, dass im Jahr 2100 auch die Alpen eisfrei sein könnten. In Deutschland würden „Flüsse werden durch das absehbare Verschwinden der Alpengletscher in Zukunft deutlich weniger Wasser führen“, sagte Ulla Burchardt, Vorstandsmitglied der Deutschen Unesco-Kommission.
Der eher kleine „Nördliche Schneeferner“ auf der Zugspitze schmilzt laut Umweltbundesamt täglich um fast eine Million Liter Wasser. In der Schweiz haben die Gletscher in den vergangenen 25 Jahren 38 Prozent ihres Eisvolumens verloren.
Wie Klimawandel und Gletscherschmelze zusammenspielen können, zeigt sich am peruanischen Landwirt Saúl Luciano Lliuya. Er fürchtet, durch den Klimawandel seine Lebensgrundlage zu verlieren – und reichte deshalb im Herbst 2015 eine Klage gegen den Energieversorger RWE ein. Als einer der größten CO₂-Emittenten Europas sei der Konzern mitverantwortlich dafür, dass Lliuyas Haus von Gletscherschmelze infolge des Klimawandels bedroht werde.
Für die Andengletscher ist gerade nachgewiesen worden, dass sie inzwischen kleiner sind als jemals im gesamten Holozän, also der Zivilisationsgeschichte des Menschen. Lliuya und seine Anwältin fordern deshalb, dass sich RWE an dem Bau eines Dammes als Schutzmaßnahme für den Gletschersee beteiligt. Am 14. April will das Oberlandesgericht Hamm das Urteil verkünden.
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