Union Berlin in patriarchaler Hand: Einer entscheidet
Dass sich Union von Trainer Urs Fischer getrennt hat, ist letztlich Fußballbusiness. Ein Problem ist eher die patriarchale Art des Präsidenten Dirk Zingler.
U rs Fischer ist nicht mehr Trainer des 1. FC Union Berlin. Kein Wunder, mag sich denken, wer einen Blick auf die Tabelle der Männerbundesliga wirft. Ganz unten auf Platz 18 stehen dort die sogenannten Eisernen. Jetzt wird ein Retter gesucht, damit der Klassenerhalt noch erreicht wird. So ist das eben im Fußballbusiness. Das kann gut gehen oder in die Hose.
Moment mal? War Union nicht der etwas andere Verein, der Kultklub aus dem Osten, die bodenständige Fußballfamilie, die zueinanderhält in guten wie in schlechten Tagen? Und jetzt macht der Klub, was alle machen, die in sportliche Nöte geraten. Er trennt sich keine zwei Wochen nach einem schwülstigen Treueschwur von Präsident Dirk Zingler in der Stadionzeitschrift von seinem Trainer.
Man kann dem Klubchef schon glauben, dass es ihm nicht leicht gefallen ist, den Trainer, der den einstigen Problemverein von der Zweiten Liga bis in die Champions League geführt hat, zu verabschieden. Und es ist ganz sicher, dass sie in Köpenick noch lange von der Zeit unter Urs Fischer sprechen werden, der einen Klub nach Europa geführt hat, der 2006 in der Oberliga des Nordostdeutschen Fußballverbands noch gegen einen Klub namens SV Falkensee-Finkenkrug gespielt hat.
Dirk Zingler hat am Mittwoch auf einer Pressekonferenz versucht zu erklären, wie es zur Trennung von dem auf den Tribünen der Alten Försterei messianisch verehrten Schweizer gekommen ist. Fischer habe nicht aufgeben wollen, er habe Fischer auch nicht entlassen wollen, und doch sei man sich einig gewesen, dass eine Trennung am besten für den Klub sei. Das mag originell klingen, im Ergebnis ist es alles andere als originell: der Trainer geht.
Union hat sich für die einfachste aller Lösungen entschieden. Statt alles dafür zu tun, den verdientesten Mitarbeiter, den der Klub je hatte, zu halten, ihm vielleicht auch nach einem Abstieg weiter zu vertrauen, hat Zingler sich dafür entschieden, ihn aus der Union-Familie zu entlassen. Und er hat klargemacht, dass das jedem passieren kann, der an verantwortlicher Stelle beim Verein arbeitet. Sportmanager Oliver Ruhnert, der mit seiner Kaderplanung die Grundlage für die großen Union-Erfolge gelegt hat, stehe unter Beobachtung, hat er gesagt. Die Unionfamilie, sie kann ganz schön brutal sein.
Da gibt es keinen Familienrat, in dem die Probleme verhandelt werden. Da gibt es ein Oberhaupt, das im Zweifel die Entscheidungen trifft.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Mal betreffen sie die großen sportlichen Dinge wie im Fall Urs Fischer, mal die kleinen Angelegenheiten im Stadionalltag. Sie sind in jedem Fall identitätsstiftend. Und Zingler ist der Präsident, der immer wieder aufs Neue die Identität des Klubs definiert. Statt die Fans darüber entscheiden zu lassen, was sie im Stadion konsumieren, legt er fest, dass erstmal keine vegane Wurst gegrillt wird. Er entscheidet, dass im Klub nicht gegendert wird, weil die Sprache im Stadion rau bleiben soll. Und als guter, alter Ossi macht er sich in einem Gastbeitrag zum Tag der Deutschen Einheit für die Berliner Zeitung darüber Sorgen, dass Andersdenkende in der Bundesrepublik bald ähnlich ausgegrenzt werden könnten, wie es in der DDR der Fall war.
Wie es sportlich weitergeht bei Union, entscheidet er sowieso. Zingler ist der Patriarch in der Unionfamilie. Er hat das Sagen. Neben ihm darf es keine Götter geben. Das mag in der Tat anders sein als anderswo, vorbildlich ist es gewiss nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt