Union Berlin trennt sich von Urs Fischer: Eisern, aber normal

Trainer Urs Fischer und Union Berlin gehen getrennte Wege. Damit opfert der Tabellenletzte beim Kampf um den Klassenerhalt ein Stück Identität.

Fan-Kurve des FC Union Berlin mit einen riesigen Starschnitt von Trainer Urs Fischer

Liebling der Fans: Urs Fischer genießt Kultstatus bei den Fans von Union Berlin Foto: Matthias Koch/imago

Es ist nichts Besonderes passiert drunten im Südosten Berlins, wo der 1. FC Union Berlin beheimatet ist. Der Tabellenletzte der Fußball-Bundesliga hat sich von seinem Trainer getrennt. Nach fünfeinhalb Jahren im Amt beenden der Klub und Cheftrainer Urs Fischer die Zusammenarbeit. Es sei eine „gemeinsame Entscheidung“ gewesen, die schon am Montag getroffen worden sei. Am Mittwochvormittag wurde dann die Öffentlichkeit darüber informiert, dass der Köpenicker Verein doch nichts anderes ist als ein stinknormaler Bundesligaklub, bei dem der Trainer ersetzt wird, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt.

Es ist noch keine zwei Wochen her, da hat Union-Präsident Dirk Zingler via Stadionmagazin hochoffiziell verkündet, dass man Urs Fischer für den Richtigen halte, wenn es darum geht, Union Berlin zum Klassenerhalt zu verhelfen. Auch das gehört zur Normalität im Bundesligabusiness: Auf ein Treuebekenntnis folgt beinahe unweigerlich die Trennung vom Trainer. Auch hier ist Union Berlin in der Normalität angekommen.

Und nicht einmal die Art der Trennung, die als einvernehmlich bezeichnet wird, ist etwas Besonderes. Als sich vor zwei Wochen der FSV Mainz 05 von Bo Svensson getrennt hat, da seien sich Klub und Trainer auch einig gewesen, dass es besser für die Zukunft des Klubs sei, getrennte Wege zu gehen. Svensson, der Mainz nach seinem Amtsantritt vom 17. Platz zum souveränen Klassenerhalt geführt hat, ist wie Fischer eine Identifikationsfigur bei den Fans gewesen. So einen schmeißt man nicht einfach raus, man einigt sich auf eine Trennung.

Seit dem 1. Juli 2018 war Fischer Trainer in Köpenick und hat die Mannschaft von einem Wunder zum nächsten geführt. Dem Aufstieg in die Erste Liga folgte der Klassenerhalt, die Qualifikation für die Uefa Conference League, die Teilnahme an der Europa League und schließlich in der Vorsaison die Qualifikation für die Champions League. Es wurde viel geweint im Stadion an der Alten Försterei und in ganz Köpenick.

Heimat der Fußballromantik

Und anderswo in der Republik kehrte der Glaube an das Gute im Fußball zurück, weil dieser Klub aus dem Osten Berlins den Beweis anzutreten schien, dass es eben doch möglich ist, mit ehrlicher Arbeit auch mal gegen Investoren- und Konzernklubs bestehen zu können. Dabei wurden Fans und Klub nicht müde zu betonen, dass der natürliche Platz des Klubs im deutschen Fußballgefüge nicht ganz oben ist, dass es auch mal wieder nach unten gehen kann. Die Fußballromantik hatte in Köpenick ihre Heimat gefunden.

Auch deshalb haben viele Fans das Treueversprechen von Präsident Zingler für Fischer nicht als leeres Gerede empfunden. Sie haben daran geglaubt, Teil eines besonderen Projekts zu sein. Nun mussten sie mit­ansehen, wie ihr Klub mit zunehmendem sportlichen Erfolg immer normaler geworden ist.

Nachdem die Qualifikation zur Champions League erreicht war, freute sich die eiserne Gemeinde noch über die Verpflichtung des Nationalspielers Robin Gosens und des italienischen Altinternationalen Leonardo Bonucci. Sie nahmen billigend in Kauf, dass der Klub damit sein bewährtes Transferschema aufgegeben hat, bei dem es in erster Linie darum gegangen war, günstig Spieler anzuwerben, die sich in Urs Fischers Defensiv- und Umschaltphiliosophie einfügen lassen.

Union, der klubgewordene Underdog, der nie zu denen da oben gehören wollte, legte mit einem Mal das handelsübliche Verhalten eines Klubs an den Tag, der alles darauf ausrichtet, wieder um die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb mitzuspielen.

Nach 14 sieglosen Spielen, von denen 13 verloren gegangen sind, wird daraus wohl nichts. Es geht ums Überleben in der Liga. Dem Ziel wird nun alles untergeordnet. Irgendein Trainer soll jetzt die Wende schaffen. Wer auch immer auf den interimsmäßig beförderten U19-Trainer Marco Grote und dessen Co-Trainerin Marie-Louise Eta folgen wird, er wird wissen, dass von ihm der Klassenerhalt erwartet wird. Und er wird sich nicht wundern, wenn man sich von ihm trennt, sollte dieses Ziel akut gefährdet sein. So ist das eben, in der Fußballnormalität, in der Union nun angekommen ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.