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Unhaltbare Wohnungszustände in NeuköllnAusgebrannte Mie­te­r:in­nen

Die Be­woh­ne­r:in­nen der Weißen Siedlung in Neukölln wehren sich gegen die Vernachlässigung ihrer Häuser durch den Immobilienkonzern Adler.

Hinter den Fassaden der Weißen Siedlung verbergen sich Schimmel und kaputte Aufzüge Foto: Dirk Sattler/imago

Berlin taz | Auf der Grünfläche inmitten der Wohntürme der Weißen Siedlung in Neukölln steht Helen mit einem Mikrofon in der Hand. Sie ist aufgebracht. Nach einem Brand Februar in ihrem Häuserblock seien die Schäden bis heute nicht behoben worden, auch sei die Hausverwaltung kaum erreichbar. „Auch eine Woche nach dem Brand gab es faktisch keine Ansprechperson für uns. Teilweise waren die Mitarbeiter der Hotline sogar genervt, wenn sie wussten, dass es sich um unseren Wohnblock handelt.“

Trotz Hagel- und Regenschauer versammeln sich am Samstag mehr als 150 Menschen in der Weißen Siedlung, um gegen die Zustände zu protestieren. Die nicht behobenen Brandschäden sind dabei nur die Spitze des Eisberges, seit Jahren verwahrlosen die ehemaligen Sozialbauten im Süden Neuköllns zunehmend.

Be­woh­ne­r*in­nen verschiedener Altersgruppen bringen ihren Unmut über die Zustände auf Plakaten zum Ausdruck. Forderungen wie „Gutes Wohnen ist ein Menschenrecht!“, „Mängel beseitigen!“, und „Dem Adler die Flügel stutzen!“ wiesen auf die Untätigkeit der Eigentümerin, den Immobilienkonzern Adler Group, hin.

Da Appelle an die Hausverwaltungen bisher keine Verbesserung brachten, organisierten sich die Be­woh­ne­r:in­nen des Wohnkomplexes. Im vergangenen Jahr gründeten sie die „Kiezinitiative Weiße Siedlung“. Seitdem sammeln sie Unterschriften und organisieren Kundgebungen, wie an diesem Samstag.

Kaputte Aufzüge, zerstörte Schlösser, Müll und Schutt

Eine der An­woh­ne­r*in­nen und Mitorganisatorinnen der Veranstaltung ist Silke Fehst. Die 51-Jährige lebt seit 2007 in der Weißen Siedlung in Neukölln und engagiert sich nun in der Mietinitiative. Sie will gern vor Ort zeigen, was sie aufregt und weist den Weg zum Keller eines der Häuser in der Aronsstraße.

Dort riecht es noch stark nach Rauch, und von der Decke hängen verkohlte Kabel. Bei den Rohren daneben sind die Ummantelungen verschmort. Die Decke ist schwarz verrußt, einzelne Kabinen der hölzernen Kellerverschläge sind aufgebrochen oder ganz abgebaut. „Im Februar hat es hier gebrannt“, sagt Silke Fehst. „Und weil die ganze Elektronik dabei kaputtgegangen ist, haben die Mietparteien hier in diesem Haus seitdem kein Telefon, kein Internet und kein Fernsehen.“

Fehst liebt ihre Wohnung und auch die Anlage. Aber sie ärgert sich zunehmend über den Zustand der Häuser. „Die Reparatur-Energie der Verwaltung lässt sehr zu wünschen übrig“, findet sie. Da seien die Brandschäden. Aber auch kaputte Aufzüge, zerstörte Schlösser an den Feuerwehrzufahrten, illegal auf dem Gelände abgeladener Sperrmüll und Bauschutt.

Häuser sind 2016 aus der Sozialbindung gefallen

Die Weiße Siedlung an der Sonnenallee in Neukölln und an der Grenze zu Treptow ist ein Ensemble aus fünf Gebäudekomplexen mit jeweils mehreren Eingängen und rund 1.700 Wohnungen. Die Häuser sind teils bis zu 18 Stockwerke hoch, dort leben rund 4.500 Menschen. Ein Drittel der Be­woh­ne­r*in­nen hat laut Quartiersmanagement einen Migrationshintergrund, damit liegt die Siedlung über dem Neuköllner Durchschnitt.

Die Siedlung entstand in den 70er Jahren im Zuge des sozialen Wohnungsbaus. 2016 fielen die Häuser aus der Sozialbindung heraus. Im selben Jahr wurde die gesamte Siedlung an die Adler Group verkauft und seitdem auch von ihr verwaltet. „Und seitdem haben wir eigentlich auch massive Probleme“, sagt Fehst.

„Die Hausverwaltung repariert nichts. Das ist teils schon ein Sicherheitsrisiko“, sagt sie. Denn da die Feuerwehrtore defekt seien und immer offen stünden, seien die Zufahrten oft zugeparkt. Bei Bränden käme die Feuerwehr nicht an die Häuser heran, fürchtet sie. „Auch für Kinder wird es gefährlicher, wenn ständig Autos auf den Wegen zu den Eingängen herumfahren“, sagt sie.

Schlimm trifft es laut Fehst auch erkrankte und alte Bewohner*innen. „Bei uns im 14. Stock wohnt ein Mann, der regelmäßig zur Dialyse muss“, sagt Fehst. „Wir haben auch viele ältere Menschen mit Rollator oder auch Kinder mit Behinderungen die jeden Tag vom Fahrdienst abgeholt werden.“ Wenn da die Aufzüge defekt seien, könnten die Menschen teils gar nicht ihre Wohnungen verlassen. Sie zählt weitere Mängel auf: Undichte Fenster, Schimmel in den Wohnungen, kaputte Heizungen.

Brandbrief an die Hausverwaltung

In einem Brandbrief fordert die Initiative nun die Hausverwaltung auf, „die Mängel unverzüglich zu beseitigen“ und „in Zukunft zeitnah und zuverlässig auf Mängelanzeigen und Beschwerden der Mie­te­r:in­nen zu reagieren“. Sie fordern außerdem eine feste, vor Ort zu erreichende Ansprechperson, bei der Mie­te­r*in­nen ihre Anliegen vorbringen können sollen. Die Unterschriften der 900 Anwohner:innen, die bislang den Brandbrief unterschrieben, hat die Initiative auf ein großes Plakat gedruckt und bei der Protestaktion am Samstag gezeigt.

Zuständig für die Weiße Siedlung ist das Adler Immobilien Management der Adler Group. Die Initiative fordert eine schnelle Antwort auf ihren Brandbrief ein und will zudem ein Gespräch mit dem Management und dem Berliner Mieterverein führen.

Doch die Adler Group ist in finanziellen Schwierigkeiten. Die Staatsanwaltschaft prüfte im vergangenen Jahr, ob der Konzern möglicherweise Bilanzen gefälscht hat. Im August war die Adler Group der erste Konzern, der aus dem Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten austrat, um die Mieten über die vom Bündnis vereinbarte Höhe anzuheben. Zuvor hatte Adler sowohl in Berlin als auch in Hamburg eigene Projekte brach liegen lassen. Der Vorwurf lautete, dass das Unternehmen damit steigende Werte in seine Bilanzen einbuche um sich dann weiter Geld leihen zu können.

Adler verteidigt sich

Die Adler Group selbst bestätigt, dass es in mehreren Häusern Brandstiftungen gegeben habe und dies auch Wohnungen beeinträchtigt habe. Es werde sich noch hinziehen, bis die Schäden im oben beschriebenen Keller wieder behoben seien. An der Wohnqualität ändere das aber nichts, die Wohnungen seien wieder bewohnbar, teilte Pressesprecherin Dobroslawa Pazder auf Nachfrage der taz mit.

Zur Vermüllung sagte sie, die Verwaltung habe verschiedene Maßnahmen unternommen, etwa einen ausgeweiteten Sicherheitsdienst über Nacht Hinweise zu korrekten Müllentsorgung in den Häusern. Eine Überwachung per Video sei am Datenschutz gescheitert, das mache es nahezu unmöglich, die Verursacher für „wildes Entsorgen des Mülls“ festzustellen.

Grundsätzlich gehe die Adler Group allen Schadensmeldungen nach, es könne aber, je nach Mangel, sein, „dass die Erledigung eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn externe Fachfirmen beauftragt oder Ersatzteile beschafft werden müssen“, heißt es von der Pressesprecherin. Die Mie­te­r*in­nen könnten sich grundsätzlich über die Sprechstunde, die Kundenhotline informieren.

„Die Haus­meis­te­r:in­nen sind an allen Wochentagen auf dem Gelände und können von den Mietern ebenfalls angesprochen werden“, schreibt die Sprecherin. „Wir verstehen den Unmut der Anwohner und versuchen durch unterschiedliche Maßnahmen eine Verbesserung zu schaffen“, schreibt sie weiter, dafür seien sie aber teils auf die Mitwirkung der Be­woh­ne­r*in­nen angewiesen.

Vernetzung mit anderen Betroffenen

Silke Fehst ärgert es, dass die Hausverwaltung die Verantwortung immer wieder von sich weist. „Das haben wir schon oft gehört, dass es Hausmeister geben soll. Wir sehen sie aber nie hier“, sagt sie. Sie sieht weiterhin die Adler Group in der Pflicht.

Die Initiative aus der Weißen Siedlung hat sich langfristig mit den „Westend-Rebellen“ und der Gruppe „Mieter-für-Mieter“ in Spandau vernetzt, um sich über die Versäumnisse der Adler Group auszutauschen, wie Fehst betont. Und sie haben auch die Politik auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht. Auch dort haben sie viele Fragen an Adler Group, bestätigt Niklas Schenker, mietenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.

Eigentlich hätten sie bereits am Montag im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen die Adler Group und andere Wohnungskonzerne zu Wohnbedingungen und Nebenkostenrechnungen anhören wollen. Doch anscheinend war es den Unternehmen nicht möglich, den Termin wahrzunehmen. Die Anhörung werde daher nun auf einen kommenden Ausschuss vertagt, sagt Schenker.

Für Silke Fehst steht schon fest, dass sie als Betroffene da auch dabei sein wollen. Sie planen, dann gemeinsam mit den anderen Initiativen vor dem Abgeordnetenhaus zu demonstrieren und ihre Forderungen dort vorzutragen.

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5 Kommentare

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  • Gibt es doch. Sie müssen nur erstmal die Leute finden, die Müll abladen, Feuer legen oder Einfahrten zuparken.

  • Wenn die Häuser einer staatlichen Wohnungsanstalt gehören würden, wäre das auch keine Garantie für erstklassige Haustechnik. Geldmangel, Schlamperei, unzureichende Fachkunde, Fachkräftemangel kann es auch beim Staat geben.

  • Es ist ein Wunder, dass die Menschen nicht ausziehen, wenn sie so unzufrieden sind. Es kann also nicht so schlimm sein

    • @eicke81:

      Weil der Berliner Wohnungsmarkt ja auch ein übersprudelnder Quell auch für Nicht-so-doll-Verdiener leicht bezahlbarer Wohnungen ist.

  • Es ist sicher kein Wunder dass es hier an den nötigen Strafgesetzen fehlt.