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Ungewöhnlich hohe Temperaturen in WeltmeerenRekordhitze in den Ozeanen

Die Weltmeere schlucken viel der Wärme, die die Klimakrise mit sich bringt. Die nun erreichten Temperaturen sind beispiellos – und werden Folgen haben.

Zum Surfen und Baden dieses Jahr warm genug: Lido Beach in New York Foto: Shannon Stapleton/reuters

Berlin dpa | Die Oberflächentemperatur der Ozeane hat neue Rekordwerte erreicht. Im globalen Mittel liegt sie nach vorläufigen Daten der US-Plattform „Climate Reanalyzer“ nun schon seit rund zwei Wochen bei 21,1 Grad – ein Wert, der in den rund 40 Jahren Aufzeichnung bis 2022 niemals erreicht wurde. Die Temperatur liegt damit anhaltend weit über den üblichen Werten für den Monat August.

Außerordentlich warm sind die Ozeane nun schon seit fast einem halben Jahr, seit März weist die Oberfläche der Meere global Rekordtemperaturen für den jeweiligen Monat auf. Anfang April hatten die Temperaturen schon einmal mehrere Tage bei 21,1 Grad und damit so hoch wie nie seit Beginn der Auswertung gelegen. Davor war ein Rekord von 21 Grad im März 2016 und erneut Ende März 2023 erfasst.

Als Hauptgrund für den Anstieg gelten die menschengemachten Treibhausgase. Über 90 Prozent der durch sie entstehenden Wärme wird Experten zufolge von den Ozeanen aufgenommen. So winzig sich dabei Veränderungen um Zehntel Grad anhören mögen: Dahinter steckt die Erwärmung unfassbar großer Wassermassen, wie Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) erklärt. Ein Liter Wasser könne dreitausend mal mehr Wärme aufnehmen als ein Liter Luft.

Im Jahresverlauf zeigen sich bei der globalen Ozeantemperatur zwei Gipfel: einer im März zum auslaufenden Südsommer und einer im August, wenn der Sommer im Norden sich dem Ende zuneigt. „Der Süden hat viel mehr Ozean, darum dominiert sein Sommereffekt üblicherweise“, erklärt Levermann.

Beispiellose Hitze im Nordatlantik

Dass es diesmal im August so hohe Werte gibt, liegt demnach an der seit Monaten beispiellosen Hitze im Nordatlantik. Am 1. August etwa sei das Wasser dort im Mittel der vergangenen Jahrzehnte 23,6 Grad warm gewesen – am 1. August 2023 aber 25,0 Grad, also fast eineinhalb Grad mehr. „Das ist wuchtig.“ Das wärmende Klimaphänomen El Niño, das natürlicherweise auftritt, spiele dabei derzeit noch keine große direkte Rolle. „Das baut sich gerade erst auf.“

Levermann hat eine Theorie entwickelt, was – neben weiteren Faktoren wie den Hitzewellen in der Atmosphäre – die hohen Nordatlantik-Temperaturen der letzten Monate verursacht haben könnte. Durch die globale Erwärmung schwächt sich seit Jahrzehnten das Golfstrom-System ab.

Eigentlich sei hierdurch eher eine Abkühlung im Nordatlantik zu erwarten. Doch womöglich komme es zu einem Wärmestau, weil eines der beiden zusammenwirkenden Fließbänder versagt, die von der US-Ostküste hinaus in den Nordatlantik strömendes warmes Wasser weiter nördlich in die Tiefe bringen.

Das erste Band funktioniere noch, wenn auch abgeschwächt, das zweite aber könnte dabei sein auszufallen, erläutert der Klimaforscher zu seiner Theorie. „Es könnte sein, dass die Wärme nur noch durch das südliche Band bis südlich von Island transportiert wird.

Wenn die Tiefenwasserbildung im hohen Norden stark abgeschwächt ist, dann wird die Wärme nicht mehr weitergetragen und staut sich vor der spanischen und französischen Küste, wie wir es derzeit erleben. Das ist zumindest eine Möglichkeit“, sagt Levermann.

Die Ökosysteme leiden

Für die Ökosysteme im Meer sei die Entwicklung fatal. „Sie sind Stabilität gewohnt, viel mehr noch als Lebensräume an Land.“ Entsprechend empfindlich reagierten viele von ihnen, sagt der PIK-Forscher. Folgen habe das wiederum für die Fischerei. „Es gibt unzählige Nahrungsketten und -netzwerke, die wir damit durcheinanderbringen.“

Die zusätzliche Strömungsänderung im Nordatlantik bringe zudem wie auch der El Niño mehr Wärme in die Atmosphäre – mit einem weiter steigenden Risiko für Extremwetter-Ereignisse als Folge, wie Levermann erklärt. Die Erwärmung bringe mehr Bewegung ins System, das eigentlich kreisrund um die Erde reichende Jetstream-System beginne auszubeulen – was wiederum Hitzewellen oder Starkregen verursache.

Laut einer Anfang des Jahres vorgestellten Studie hat sich die Geschwindigkeit, mit der sich die Meere erwärmen, seit den späten 1980er Jahren mindestens verdreifacht. Die Wärmemenge in Meeresschichten bis zu einer Tiefe von 2000 Metern erreichte 2022 einen Höchststand, wie das Forschungsteam im Fachjournal „Advances in Atmospheric Sciences“ berichtete.

2023 dürfte neue Rekordwerte bringen. „Solange wir keine Klimaneutralität erreichen, wird sich der Trend des Aufheizens fortsetzen, und wir werden jedes Jahr neue Wärmerekorde in den Ozeanen messen“, sagte Mitautor Michael Mann von der Universität von Pennsylvania.

Aufgrund der Wärmespeicherung im Ozean hat auch das Klimasystem ein langes Gedächtnis, betont Levermann. „Wir müssen aufhören, Gas, Öl und vor allem Kohle zu verbrennen, denn die Temperaturen in der Atmosphäre werden lange nicht heruntergehen, lange nachdem wir aufgehört haben, CO2 zu emittieren.“

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3 Kommentare

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  • Solange wir Menschen auch nur ein Wenig von unserem gewohnten Wohlstand hergeben müssen, solange wird sich nicht wirklich etwas ändern. Es ist eine dringende Aufgabe für sämtliche Eliten dagegen anzugehen. Vor allem für Politiker*innen. Stattdessen aber schaufeln Politiker tonnenweise Sand in die Augen der Menschen, etwa mit der "technischen Machbarkeit" den Klimawandel zu bekämpfen. Genau das bestätigt die These, nichts (!!) aufgeben zu wollen.Wer ehrlich mit dem Thema umgeht, wird gnadenlos von macht- und habgierigen Parteien und anderen Interessenverbänden fertig gemacht. Das sieht man in D an dem "Heizungsgesettz", dem fehlenden Tempolimit, Flugbenzinbesteuerung, der Weigerung sogar von Ministern den CO2 Ausstoß zu mindern. Stattdessen windet man sich mit verlogenen Argumenten und wider besseres Wissen aus den dringend notwendigen Massnahmen heraus. Für die Politik reicht die Zukunft nur bis zur nächsten Wahl, für verantwortliche in der Wirtschaft nur bis zum nächsten Börsenkursstand. Und die, die es ganz besonders treffen wird, die junge Generation, die wird für den wahrhaftig notwendigen Widerstand kriminalisiert. Jde*r einzelne von uns muss bei sich selbst anfangen. JEDE*R!

  • greenpeace.de schrieb 2021



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    "Schmilzt das Eis an Nord- und Südpol, wird der Salzgehalt in den Ozeanen abnehmen. Zwar sind Meer- und Schelfeis salzig, doch das kilometerdicke Gletschereis an Land besteht aus Süßwasser. Zusätzlich werden – ebenfalls durch die Klimakrise bedingt, Niederschläge über den Ozeanen wahrscheinlich zunehmen und das Meer weiter „versüßen“. Diese Veränderung könnte die Meeresströmungen verlangsamen, umlenken, sogar lahmlegen. Sollte beispielsweise der Golfstrom abreißen, würde es in Nordeuropa drastisch kälter werden."



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    Wissenschaftlich ist manches umstritten, aber die Szenarien werden diskutiert und die sich verändernden Daten berücksichtigt. Es gab vor einigen Jahren eine publizierte Berechnung, dass es bereits im WK2 massive Einflüsse auf das Klima gab durch die drastische Zunahme des Schiffsverkehrs im Nordatlantik in den ersten Kriegsjahren. Auch die Zahl ungewöhnlich kalter Winter in der ersten Hälfte der 40er wurde darauf bezogen. Nach diesen Informationen hätten sich mutmaßlich Hitlers (!)Meteorologen mit ihren Prognosen zum sog. "Unternehmen Barbarossa" gewaltig verkalkuliert, der frühe Wintereinbruch sei ihnen statistisch unwahrscheinlich gewesen. Sollten wir akut irgendwelche Kipppunkte verpassen und überschreiten, was in irreversible Änderungen von gigantischen Fließbewegungen verschiedener "Elemente" führen kann, dann "müssen wir uns vielleicht auch bald warm anziehen".



    Gemeint waren damit auch die Winde und die sogenannten Fliegenden Flüsse, denn nach Heraklit gilt: 'Alles fließt'



    (Und alles hängt mit allem zusammen)

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Die Aufladung der hohen Wärmespeicherkapazität der Meere mit Energie wird sehr lange als "Batterie" das Klima "warm" halten.



    Meerwasserwärmepumpen !?