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Ungerechtigkeit im Anti-Doping-KampfIm Nebel der Doppelstandards

Die Russin Kamila Walijewa darf ihren Wettkampf beenden, die US-Amerikanerin Sha’Carri Richardson gar nicht erst antreten. Wie jetzt?

Flamboyante Sprinterin: Sha’Carri Richardson wittert Rassismus und Benachteiligung Foto: Zuma Wire/imago

Auch Spitzensportler ziehen einen durch. Pro Jahr werden etwa 140 Athleten von den Dopingjägern erwischt. Der Joint ist beliebt, nicht zum Zwecke der Leistungssteigerung, sondern um herunterzukommen, den stressigen Trainingsalltag ausklingen zu lassen in einer Wolke des Wohlgefühls. Nun ist die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa von der Anmutung her so ziemlich das Gegenteil einer Haschkonsumentin, weswegen sie auf ein Opa-Herzmittel zurückgegriffen hat, dennoch roch die Fallakte der 15-jährigen Pirouettenqueen ein wenig nach schwarzer Afghane.

Und das ging so: Sha’Carri Richardson, Sprinterin aus den USA, wollte bei den Olympischen Spielen von Tokio die Konkurrenz über 100 Meter in Grund und Boden laufen, allein sie konnte nicht, weil sie schon vor den Spielen für einen Monat gesperrt worden war. Richtig: Wegen eines Joints, den sie geraucht hatte, um sich über den Tod ihrer Mutter hinwegzutrösten.

In Richardsons Bundesstaat Oregon ist Hasch, Gras, THC, Weed, Marihuana und so weiter erlaubt, nicht aber in der Welt des Leistungssports, da sind Cannabinoide, wie es unter Punkt „S8“ heißt, verboten. Und es hat der schnellen Frau auch nicht mehr geholfen, dass schon seit Monaten über die Streichung von Cannabis aus der Dopingliste diskutiert wird.

„Es liegt an der Hautfarbe“

Jedenfalls geriet der Fall Richardson jetzt wieder zwischen die Twitter-Spalten, denn die US-Amerikanerin wunderte sich, vielleicht nicht zu Unrecht, darüber, dass die Vierfachhüpferin aus Russland Gnade vor den Richtern des Sportgerichts Cas fand, Richardsons olympischer Traum sich aber in Luft aufgelöst hatte. Warum kann die Doperin laufen und die Chillerin nicht? Was ist da los? Ein Fall von höherer Ungerechtigkeit?

„Der einzige Unterschied, den ich sehe, ist, dass ich eine junge schwarze Frau bin“, glaubt Richardson und legte auf Twitter nach: „Es liegt alles an der Hautfarbe.“ Also Rassismus? Kamila Walijewa ist unbestritten eine weiße Athletin, aber sie genießt mit 15 den besonderen Schutz einer Minderjährigen. Darüber hinaus war Richardsons Fall schon vor Olympia abgeschlossen.

Und dass Walijewa nun in Peking laufen durfte, exkulpiert sie nicht vom Vorwurf des Medikamentenmissbrauchs. Es wäre wohl für alle entspannend und mehr als zuträglich, wenn die Wada Gras endlich von der Liste nähme.

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8 Kommentare

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  • Vorschlag: Jede Form von Doping generell erlauben und damit ist die ganze Diskussion beendet. Legalize It!

    Und jetzt komme mir niemand damit, daß das "ungerecht" sei gegenüber jenen, die ihre Gesundheit nicht mit Doping ruinieren wollen. Sport ist immer ungerecht. Einer hat mehr Zeit für's Training als der andere, eine hat eine bessere genetische Disposition als die andere etc. Und wer auf seine Gesundheit wert legt, treibt sowieso keinen Leistungssport.

    • @Yvvvonnne:

      Na dann komm ich mal mit Jugendschutz.

      Die Russin ist 15. In dem Alter bekommt man noch nicht einmal ein Bier. In etlichen Sportarten sind selbst im Spitzenbereich Minderjährige dabei. 7,3 Mio Minderjährige sind allein in Deutschland in Sportvereinen aktiv. Viele davon träumen sicher auch von einer Karriere im Leistungsbereich.

      Doping freizugeben, wäre so ziemlich das Verantwortungsloseste, was man tun könnte. Und das mal ganz ab davon, dass Doping auch jedem Sportsgeist widerspricht.

      • @Deep South:

        Leistungssport sollte für Minderjährige verboten sein, Alkohol, Nikotin und Doping auch.

        Daß Doping dem "Sportsgeist" widerspräche, ist unglaubwürdig, sonst betrieben es nicht so viele. Warum auch? Doping steigert die Leistung. Genau wie bestimmte Ernährung und manchmal geradezu ungesund hartes Training.

        Was Sportsgeist eigentlich ausmacht, hat George Orwell schon in seinem Eassy "The Sporting Spirit" beschrieben:

        www.orwellfoundati...e-sporting-spirit/

        Ein Text, der an Aktualität in 77 Jahren nicht verloren hat.

        • @Yvvvonnne:

          Klar. Leistungsport für Minderjährige verbieten, Doping dafür erlauben. Weils viele machen, ist Grund genug, es mit Sportsgeist für vereinbar zu erklären. Und Ernährung sowie hartes Training sind vergleichbar mit den unzähligen Schäden und Todesfällen durch Doping.

          Lies mal lieber ein paar Berichte von Menschen, die durch systematischem Doping kaputtgemacht wurden und darunter heute noch leiden.

          Tut mir leid, kein einziges deiner Argumente ist auch nur im Ansatz überzeugend. Eine Freigabe von Doping ist unverantwortlicher Nonsens.

          • @Deep South:

            Erwachsene Menschen sollten sich frei entscheiden können, welche Drogen sie zu sich nehmen, solange sie damit anderen nicht schaden. Nennt man Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper.

  • Im Kampf gegen Rassismus ist es immer hilfreich, die Rassismus-Karte zu spielen, wenn es offensichtlich um was anderes geht. So wie hier: das Alter. Spannend auch: sie bestreitet ja nicht einmal, dass sie den Joint geraucht und damit verstoßen hat.

  • Hm, schon ein bißchen albern hochgekocht die Sache. die taz betont hier zur eigenen Ehrenrettung die doch sehr signifikanten Unterschiede der Fälle.



    Nicht dass ich das Vorgehen im Fall Walijewa gutheißen würde, im Gegenteil.

    Kann man sich nicht einfach bei Olympia abmelden und den Breitensport stärker fördern?

  • Wie sagt ein amerikanischer Sportkommentator immer so richtig: Stay of the WeeeeeD!