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Ungerechtfertigte AbschiebungZurück nach Deutschland

Ein junger Afghane wurde nach Bulgarien abgeschoben, obwohl es in seinem Fall Anlass für einen Abschiebestopp gab. Er soll nun zurückgebracht werden.

Zurückgenommen: Der 23-jährige Afghane soll wieder nach Deutschland (Symbolbild) Foto: dpa

Berlin taz/dpa | Ein nach Afghanistan abgeschobener 23-Jähriger muss nach Deutschland zurückgeführt werden. Das beschloss das Verwaltungsgericht Sigmaringen schon im September. Getan hat sich in dem Fall bisher aber nichts.

Am 2. August erhielt das Verwaltungsgericht einen Eilantrag des Afghanen. Er sollte nach dem sogenannten Dublin-Verfahren nach Bulgarien abgeschoben werden, wo er innerhalb der EU zuerst registriert wurde. Das Dublin-Verfahren ist ein Zuständigkeitsverfahren, das vor der eigentlichen Prüfung des Asylantrages stattfindet. Darin wird festgestellt, welcher europäische Staat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist.

Der Eilantrag sollte einen vorläufigen Abschiebestopp im laufenden Verfahren bewirken. „Zehn Tage vor der Abschiebung ging dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Mitteilung zu, dass es einen Eilantrag gibt“, sagt Albrecht Mors, Pressesprecher des Verwaltungsgerichts Sigmaringen, gegenüber der taz. Die Abschiebung ist ausgesetzt, damit der Kläger die Entscheidung des Gerichts abwarten kann. „Es ist die Aufgabe des Bundesamts, in einem solchen Fall das grüne Licht für die Abschiebebehörde auf Rot umzustellen.“

Dennoch wurde der 23-Jährige nach Bulgarien abgeschoben. Inzwischen ist er offenbar wieder in Afghanistan. „Was in Bulgarien geschehen ist, weiß ich nicht“, so Mors. Bereits am 22. September hatte das Verwaltungsgericht beschlossen, dass der Geflüchtete nach Deutschland zurückgebracht werden muss. „Die Rückführung nach Deutschland gilt global“, sagt Mors. Der Kläger müsse deshalb auch aus Afghanistan zurückgeholt werden.

„Es geht vor allem darum, Rechtsschutz zu gewährleisten“, sagt Mors. Die Rückführung nach Deutschland sei keine Garantie, dass der 23-Jährige Asyl erhält.

Die Mitteilung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen sei verspätet eingegangen und man habe verzögert reagiert, sagt Andrea Brinkmann, Pressesprecherin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), der taz. Der Geflüchtete sei deshalb schon am 14. September nach Bulgarien überstellt worden. Am 9. Oktober wurde angeordnet, dass der Afghane zurück nach Deutschland geschickt wird.

Erst danach fand das Bamf eigenen Angaben zufolge heraus, dass der Geflüchtete schon am 3. Oktober nach Afghanistan zurückgekehrt war. „Nach Auskunft der bulgarischen Behörden erfolgte dies freiwillig“, so Brinkmann. Das Bamf habe am 24. Oktober einen weiteren Beschluss des Verwaltungsgerichts erhalten. Die Rückholung werde nun umgesetzt, „sofern dies dem Willen des Antragstellers entspricht“. Das gerichtliche Verfahren über die Zuständigkeit Deutschlands für den Asylantrag bliebe davon unberührt.

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5 Kommentare

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  • Die Sachlage scheint doch klar: Er kam über Bulgarien nach Europa und ist nun von den dortigen, qua Dublin-Abkommen für ihn zuständigen Behörden, wieder zurückgeführt worden - insofern ist doch der Eilantrag des Afghanen von vornherein schon gegenstandslos; er sollte daher auch nicht als Voraussetzung für eine erneute "Einbestellung" nach Deutschland herangezogen werden können. Ob man dem jungen Mann damit einen Gefallen tut, sein Vertrauen auf die deutsche Rechtsstaatlichkeit erst zu stärken, um ihn dann (evtl.) doch wieder abzuschieben, sei dahingestellt; daß Vertrauen der Bürger, daß man seitens des BaMF leichtfertig mit ihren Steuergeldern umgeht, wird auf jeden Fall gestärkt - nur auf ein gezieltes Bemühen des Staates, das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit auch beim hiesigen Bürger wiederherzustellen, wartet man noch vergeblich !

  • Die Gewaltenteilung funktioniert, dass ist doch sehr erfreulich.

     

    Mal schauen, was passiert, wenn das Verwaltungsgericht dann feststellt, dass Bulgarien für das Asylverfahren zuständig sein sollte. Dann müsste Deutschland das bulgarische Ergebnis akzeptieren und entweder nach Bulgarien überstellen oder nach Afghanistan ausweisen.

     

    In jedem Fall spannend.

  • Tja, für menschenfeindliche Politik bedarf es nicht einer AFD. Das schaffen Bürgis auch so...

    • @Uranus:

      Deutschland war für das Asylverfahren nicht zuständig, ein hier gestellter Antrag unzulässig. Deshalb erfolgte die Rückführung in den für das Asylverfahren zuständigen EU-Staat Bulgarien, da ein "Asylshopping" unzulässig ist.

       

      Dort wurde ein Asylverfahren durchlaufen und endete mit einer Antragsablehnung.

       

      Die Rückkehr nach Afghanistan erfolgte freiwillig.

       

      Verfassungswidrige VG-Beschlüsse - siehe Art. 16a Abs. 2 GG - sind unbeachtlich.

       

      Ein Anflug von Größenwahn beim Richter "am deutschen Wesen soll die Welt genesen" kann nicht ausgeschlossen werden. Ab zum Amtsarzt zur Prüfung der Diensttauglichkeit.

       

      Und dessen Beschluss knicken und im Rundordner ablegen. Unmögliches muss nicht geleistet werden.

       

      "Der Ausschluss vom Asylgrundrecht ist nicht davon abhängig, ob der Ausländer in den Drittstaat zurückgeführt werden kann oder soll. Ein Asylverfahren findet nicht statt. [!!!] Es entfällt auch das als Vorwirkung eines grundrechtlichen Schutzes gewährleistete vorläufige Bleiberecht. Hieran knüpft Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG die Folge, dass in den Fällen des Satzes 1 aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden können“, siehe BVerfGE 94, 49 , B. v. 14.05.1996.

      • @Cristi:

        "Deutschland war für das Asylverfahren nicht zuständig, ein hier gestellter Antrag unzulässig. [...]"

        Eben, darum geht es mir ja unter anderem - Kritik am Dublin-Abkommen und dessen Verschärfungen. Staaten, wie die BRD winden sich aus ihrer Verantwortung und machen aus Asylsuchenden Menschen zweiter Klasse.