Ungerechtfertigte Abschiebung: Zurück nach Deutschland
Ein junger Afghane wurde nach Bulgarien abgeschoben, obwohl es in seinem Fall Anlass für einen Abschiebestopp gab. Er soll nun zurückgebracht werden.
Am 2. August erhielt das Verwaltungsgericht einen Eilantrag des Afghanen. Er sollte nach dem sogenannten Dublin-Verfahren nach Bulgarien abgeschoben werden, wo er innerhalb der EU zuerst registriert wurde. Das Dublin-Verfahren ist ein Zuständigkeitsverfahren, das vor der eigentlichen Prüfung des Asylantrages stattfindet. Darin wird festgestellt, welcher europäische Staat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist.
Der Eilantrag sollte einen vorläufigen Abschiebestopp im laufenden Verfahren bewirken. „Zehn Tage vor der Abschiebung ging dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Mitteilung zu, dass es einen Eilantrag gibt“, sagt Albrecht Mors, Pressesprecher des Verwaltungsgerichts Sigmaringen, gegenüber der taz. Die Abschiebung ist ausgesetzt, damit der Kläger die Entscheidung des Gerichts abwarten kann. „Es ist die Aufgabe des Bundesamts, in einem solchen Fall das grüne Licht für die Abschiebebehörde auf Rot umzustellen.“
Dennoch wurde der 23-Jährige nach Bulgarien abgeschoben. Inzwischen ist er offenbar wieder in Afghanistan. „Was in Bulgarien geschehen ist, weiß ich nicht“, so Mors. Bereits am 22. September hatte das Verwaltungsgericht beschlossen, dass der Geflüchtete nach Deutschland zurückgebracht werden muss. „Die Rückführung nach Deutschland gilt global“, sagt Mors. Der Kläger müsse deshalb auch aus Afghanistan zurückgeholt werden.
„Es geht vor allem darum, Rechtsschutz zu gewährleisten“, sagt Mors. Die Rückführung nach Deutschland sei keine Garantie, dass der 23-Jährige Asyl erhält.
Die Mitteilung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen sei verspätet eingegangen und man habe verzögert reagiert, sagt Andrea Brinkmann, Pressesprecherin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), der taz. Der Geflüchtete sei deshalb schon am 14. September nach Bulgarien überstellt worden. Am 9. Oktober wurde angeordnet, dass der Afghane zurück nach Deutschland geschickt wird.
Erst danach fand das Bamf eigenen Angaben zufolge heraus, dass der Geflüchtete schon am 3. Oktober nach Afghanistan zurückgekehrt war. „Nach Auskunft der bulgarischen Behörden erfolgte dies freiwillig“, so Brinkmann. Das Bamf habe am 24. Oktober einen weiteren Beschluss des Verwaltungsgerichts erhalten. Die Rückholung werde nun umgesetzt, „sofern dies dem Willen des Antragstellers entspricht“. Das gerichtliche Verfahren über die Zuständigkeit Deutschlands für den Asylantrag bliebe davon unberührt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale