Unbekanntes Regierungsmitglied: Dialog-Sucher mit CSU-Parteibuch
Kaum einer weiß, wer Bundeslandwirtschaftsminister ist. Christian Schmidt wird dank fehlender Skandale nur selten wahrgenommen.
Christian Schmidt, CSU-Politiker und Bundeslandwirtschaftsminister, ist in der Öffentlichkeit dagegen weithin unbekannt. Allenfalls während der Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ taucht sein Name häufig in der Öffentlichkeit auf. Dabei rackert und ackert der Franke, wie Mitarbeiter berichten, vom frühen Morgen bis zum späten Abend.
Die geringe Strahlkraft des Ministers ist zu einem guten Teil einer positiven Entwicklung geschuldet. In seiner Amtszeit ist noch kein großer Lebensmittelskandal an die Öffentlichkeit gedrungen. Es gab daher keine medienwirksamen Auftritte in Talkshows dazu, keine Besuche in Krisenzentren und keinen Grund zu politischen Schnellschüssen, die andere Ressortleiter vor ihm bekannt gemacht haben. Renate Künast rief als Folge der BSE-Krise mal eben das Ende der Agrarfabriken aus, Horst Seehofer zog ein 10-Punkte-Programm gegen Gammelfleisch aus dem Ärmel, und Ilse Aigner legte sich mit Facebook und Google an.
Der „Nanny-Minister“
Eine menschliche Stärke Schmidts ist die Fähigkeit zum Dialog. „Er ist der Nanny-Minister“, sagt Martin Rücker, der Sprecher von Foodwatch. Im Ernährungsressort werde nur auf Moderation gesetzt. So hat Schmidt Gegner und Befürworter der Agrarindustrie vor ihren Demonstrationen aus Anlass der Grünen Woche ins Ministerium eingeladen. Er will beide Seiten zusammenbringen. Die Vorgänger im Amt haben sich nicht sonderlich um Gespräche mit kritischen Verbänden bemüht. Das Treffen kam daher gut an, wie Beteiligte bestätigen.
Doch Ergebnisse blieben aus. Das kreiden die Kritiker der Agrarindustrie Schmidt an, die gesetzliche Vorgaben verlangen. Schmidt will zwar am Ende auch ein Tierschutzlabel sehen. Doch zunächst sollen die Beteiligten auf freiwilliger Basis an gemeinsame Standards der Tierhaltung herangeführt werden. Auch bei der Kennzeichnung von grüner Gentechnik werfen Umweltverbände dem Minister Tatenlosigkeit vor. Dabei hängt eine Entscheidung dazu derzeit im föderalen Gestrüpp zwischen Bund und Ländern fest.
Der CSU-Mann will keine grüne Gentechnik in Deutschland. Kaum jemand bemerkte, dass er dafür nach Südamerika reiste, um dort für die Zulieferung gentechnikfreier Futtermittel zu werben. Oder Vereinbarungen mit China über den Ausbau der Ökolandwirtschaft treffen konnte. Schmidt kommt dabei seine langjährige Erfahrung auf internationalem Parkett in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zugute.
Kritiker fordern Entscheidungsstärke
Im eigenen Haus blieb mit seinem Antritt fast alles beim Alten, außer einer Vergrößerung des Exportreferats. Den wirtschaftlichen Verbraucherschutz musste das Haus nach der letzten Bundestagswahl an das Justizministerium abgeben. Zuständig ist es noch für Ernährung und Landwirtschaft.
Hier wiederum steht Schmidt vor einem nicht auflösbaren Interessenkonflikt. Landwirtschaftsbetriebe und Lebensmittelhersteller haben zumindest teilweise andere Ziele als Verbraucher. Die entwickelten Länder haben andere Interessen als die Schwellenstaaten. Allen Seiten kann das Ministerium nicht gerecht werden. Deshalb lotet Schmidt aus, was geht. Dahinter steckt die Überzeugung, dass Veränderungen angesichts der Gemengelage nicht ohne die Beteiligten erreicht werden können. Kritikern ist diese Haltung viel zu anspruchslos, fordern sie doch gerade von der Politik Entscheidungsstärke.
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