Unabhängige Medien in Russland gesperrt: Noch weniger Wahrheit

Zwei der letzten kremlkritischen Medien sind seit Dienstag in Russland gesperrt. Zuvor wurde Journalisten die Begriffe „Angriff“ und „Krieg“ verboten.

Redaktuerinnen sitzten an Schreibtischen

Redaktion des Oppositionellen Fernsehsenders „Doschd“ im Jahr 2012

MOSKAU taz | Am Dienstagabend gegen 19 Uhr Moskauer Zeit verschwand der Radiosender „Echo Moskau“ aus dem Äther, Rauschen setzte ein. Die russische Aufsichtsbehörde hatte bereits zuvor angekündigt, gegen den kremlkritischen Sender einschneidende Maßnahmen zu ergreifen. Bereits am vergangenen Wochenende hatte die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor untersagt, Begriffe wie „Angriff“, „Krieg“ und „Invasion“ zu benutzen. Auch durften keine Hinweise mehr verbreitet werden, dass Zivilisten durch den Einsatz russischer Militärs getötet wurden. Offiziell spricht Moskau von einer „Spezialoperation“ in der Ukraine.

Auch der TV-Sender Doschd fiel am Dienstagabend der Generalstaatsanwaltschaft zum Opfer. Der Bezahlsender hatte schon mehrere Angriffe der Behörden auf sich gezogen. Bereits vor längerer Zeit wurde er aus der terrestrischen Übertragung ausgeschaltet und musste als digitaler Sender überleben. Auch Doschd ist inzwischen eine Hochburg für engagierten Journalismus. Auch diesem Sender wurde vorgeworfen, falsche Informationen über den Beschuss ukrainischer Städte und getötete ukrainische Zivilisten zu verbreiten.

Auch die Websites der beiden Medien wurden am späteren Abend noch gesperrt. Dennoch gibt es verschiedene Möglichkeiten, über VPN-Zugänge an die Sender heranzukommen.

In Moskau gelang es ziemlich schnell, die Medien auszuschalten. Echo Moskau berichtete unterdessen, dass in einigen russischen Städten zunächst noch die herkömmliche Radioübertragung gewährleistet wurde. Die Staatsanwaltschaft warf auch Echo vor, „wissentlich falsche Angaben“ zu verbreiten.

Von der Tötung ukrainischer Zivilisten durch die Armee darf nicht berichtet werden

Der Chefredakteur von Echo Moskau, Alexej Wenediktow, wies diese Vorwürfe zurück: sie seien unbegründet, unbelegt und eine Beleidigung für Journalisten. Der Sender werde deshalb vor Gericht ziehen: „Wir sehen darin eine politische Komponente, ebenso wie die Einführung einer Zensur, die von der russischen Verfassung direkt verboten ist“. Auch die Leitung von Doschd wies die Vorwürfe zurück und erklärte, der Sender folge in seiner Berichterstattung strikt russischen Gesetzen.

Inzwischen hat die Konfrontation zwischen Staat und Medien ein extrem hohes Maß an Auseinandersetzung erreicht. Die Ankündigung der Medien, sich an Gerichte zu wenden, dürfte im Kreml nicht für Gänsehaut sorgen.

Gestern früh ging „Echo“ unterdessen wieder auf Sendung. Hatte die Aufsichtsbehörde bei der Abschaltung einen Fehler begangen? Wollte man den Hörern im Kreml einen Gefallen tun? Auf der Suche nach glaubwürdigen Nachrichten sind die Beamten auf den Sender angewiesen, wie manch einer hinter vorgehaltener Hand zugibt.

Aber schon nach der Morgensendung war wieder Schluss. Sollte das Verbot diesmal für längere Zeit gelten?

Auch Doschd kehrte nicht mehr zurück. Der Sender hatte in den letzten Tagen durch eindringliche Bilder die offizielle Moskauer Propaganda Lügen gestraft, wonach die russische Armee keine zivilen Ziele angreife. Besonders die Angriffe am Dienstag in der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw bewiesen das Gegenteil. Neben zentralen Verwaltungsgebäuden wurden auch Krankenhäuser und die Universität beschossen.

Die Bilder wecken Erinnerungen an das Vorgehen des russischen Militärs in Tschetschenien und in Syrien. Manch einer erinnert sich noch an die Schleifung der nordsyrischen Stadt Aleppo.

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