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Unabhängig durch Erneuerbare EnergienGegenwind für Demokratiefeinde

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die Windkraft soll stärker gefördert werden. Gut so – aber weil Deutschland lange zu sehr auf die Fossilen setzte, kommen die Ankündigungen viel zu spät.

Windpark im brandenburgischen Sieversdorf vor dem Sonnenaufgang Foto: Patrick Pleul/dpa

D as Thema klang technisch, aber es war politisch hochbrisant: Deutschland debattiert über Massaker an Zivilisten in der Ukraine und ein Embargo von russischem Öl und Gas. Und die Grünen-Amtschefs für Wirtschaft/Klima und Umwelt sprechen darüber, wie Deutschland unabhängiger von Russland werden kann: durch mehr Windkraft, aber gleichzeitig mehr Vogelschutz.

Gut so. Denn der Rotmilan und seine gefiederten Verwandten sind kein Gedöns, ebenso wenig wie etwa eine feministische Außenpolitik. Beides sind Antworten auf die aktuellen Krisen. Eine Lösung dafür, wie in Deutschland sehr schnell sehr viel mehr Windkraftanlagen ins Land gestellt werden können, ohne dabei die Natur noch weiter zu schädigen, entscheidet eine wichtige strategische Frage: Wo kommt unsere Energie her, wenn wir sie nicht mehr von einem Land beziehen, das seine Kriegsverbrechen mit unserer Gasrechnung bezahlt?

Wie schaffen wir das, ohne die andere globale Krise, das Artensterben, noch zu verschlimmern? Und wie bringen wir die berechtigten und oft kontroversen Anliegen der Menschen unter einen Hut, die unsere Energieversorgung planen, die Vögel schützen, das Klima retten oder in Sichtweite der Rotoren leben? Diese oft nervige Aushandlung von Interessen und Konflikten nennt man übrigens Demokratie.

Und die wiederum brauchen wir dringend für Fortschritte beim weltweiten Klimaschutz. Der aktuelle Bericht des Weltklimarats IPCC fordert eine Sofortbremsung bei den CO2-Emissionen, einen Umstieg auf Erneuerbare und Energiesparen. Dazu einen deutlichen CO2-Preis, die Bindung von Kohlenstoff, faire internationale Lastenteilung und globale Kooperation. Alle diese Ziele lassen sich, schwer genug, am besten mit demokratischen Gesellschaften erreichen, die gewohnt sind, halbwegs faire Kompromisse auszuhandeln. Und die nicht von Autokraten beherrscht werden, in denen ihre Oligarchenfreunde die Macht über Staatskonzerne für Öl, Gas oder Kohle haben, ob nun in Russland, am Persischen Golf, in China oder Venezuela. Ein großes Problem der globalen Klimapolitik ist, dass es in den wichtigen Ländern zu wenige Regierungen gibt, die zu Hause wirklich Rechenschaft ablegen müssen.

Auch Deutschland hat da Defizite: Der jetzt gefundene Kompromiss zu Windkraft und Naturschutz kommt um Jahre zu spät, weil die Regierungen der letzten Jahrzehnte zu feige für nötige Veränderungen und zu verliebt in die Verbrennung von Kohlenstoff waren. Sie machten uns lieber abhängig vom klima- und demokratiefeindlichen Gas. Dabei hilft gegen das fossile System nur eines: ihm einen Vogel zu zeigen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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12 Kommentare

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  • Bei Lichte betrachtet ist das nichts als Symbol-Politik:



    Windräder und PV-Anlagen wachsen auch nicht an Bäumen - sie müssen erst hergestellt werden, was viel Zeit und Energie kostet. Dann muß das Energienetz an die neuen Bedingungen angepaßt werden.



    Und man darf die Speicher nicht vergessen, um unweigerlich auftretende Dunkelflauten zu überbrücken.



    Und das in Zeiten, wo Industrie und Handel ohnehin mit massivsten Material-Engpäsen und Lieferschwierigkeiten zu kämpfen haben - wie soll das was man vor hat da praktisch umgesetzt werden?

    • @Denkender_Buerger:

      Das, was die jetzige Regierung da vor hat, hätte man natürlich viel, viel leichter erreichen können, wäre es nicht mit u.a. solchen "wird doch eh nichts"-Argumenten verzögert worden. Nicht falsch verstehen, was Sie ansprechen, sehe ich auch als große Herausforderungen und möchte noch die Problematik der Gewinnung der Rohstoffe hinzufügen. Auch ändert die nationale Bewältigung dieser Probleme nichts daran,



      dass eine effektive globale Lösung auf den Tisch muss und deutlich mehr verspricht als national Versäumnisse zu bereinigen (Vorreiter ist D ja lange schon nicht mehr). Dennoch ist auch der massive Ausbau der Erneuerbaren in Friedland ein wichtiger Teil der Lösung. Das Urteil "Symbolpolitik" finde ich daher unfair und auch sachlich nicht zutreffend.



      LG

      • @Fratercula:

        Die Erde hat genug Wüsten, wo man ohne große ökologische Schäden PV-Anlagen aufstellen kann.



        Auch gibt es weltweit genug Steppen und in den Meeren genug Flachwaser-Zonen, wo Windräder weder das Landschaftsbild verschandeln noch eine Gefahr für die Vogelwelt sind und auch sonst keinen großen ökologischen Schaden machen.



        Da in Wüsten, Steppenund Meeren konstante klimatische Bedingungen herrschen, könnte man PV-Anlagen nd Windräder obendrei auf die jeweiligen Bedingungen optimieren.



        Und was einen effektiven Energietransport angeht:



        Beschäftigen Sie sich mal mit der Power-to-Gas-Technologie.



        Die weltweite Energieversorgung aus Windkraft und Sonne wäre möglich - wenn man das Ganze endlich mal in ein vernünftiges, durchdachtes Gesamt-Packet packen und dieses dann konsequent umsetzen würde.

        • @Denkender_Buerger:

          Moin, danke für die ausführliche Antwort!



          Erneut kann ich nur sagen, Sie haben ja tlw. gute Punkte, nur dürfen die nicht weiter dazu gebraucht werden, weiter die Energiewende zu verschleppen, die einen Beitrag auch in Deutschland leistet, der außerdem die Energiesouveränität verbessert. Eine sinnvolle Strategie besteht aus mehreren Bausteinen.



          Leider machen Sie es sich aus meiner Sicht zu einfach. Auch ist mir nicht klar, mit welchem Ziel sie argumentieren - geht es darum, die Energiepolitik der BReg als Symbolpolitik abzuqualifizieren oder wollen Sie einen wirklichen alternativen Weg aufzeigen, auf dem politische Energie besser investiert wäre? In letzterem Fall müssten Sie sich Gedanken über Folgendes machen:

          1. Was denken die Menschen in den Länderm mit Wüsten und Steppen über diese Projekte? Wie gesagt, auch ich halte Klimadiplomatie für das A und O.

          2. Ist eine weitgehende Abhängigkeit von zB Marokko (PV mit Power2Gas) gewollt? Im Übrigen ist P2G bzw. v.a. H2 seit Jahren Teil der Strategie in D, liegt nur in großem Maßstab in so weiter Ferne, dass es nicht den Ausbau der heimischen erneuerbaren Energieerzeugung ersetzt. Außerdem lässt sich P2G auch in D als Speicher einsetzen.

          3. Welche Ökosysteme sollen dran glauben - Steppen oder artenreiche Flachwasserzonen*? Wo ziehen Zugvögel entlang? Zuletzt müssen Schiffsverkehr und Häfen ausgebaut werden für den Transport von mit Erneuerbaren hergestelltem Flüssiggas, was in Ökosysteme eingreift. Zielkonflikte wird es immer und überall geben.

          Mit Verlaub möchte ich nicht Ihre Punkte völlig abstreiten, sie sind für sich genommen richtig. Und doch keine hinreichende Argumentation, um die Energiewende hierzulande weiter zu verschleppen, sondern eher Gründe, um darüber hinaus an weiteren Lösungsbausteinen zu arbeiten.

          LG



          Fratercula

          *Wüsten klammere ich mal aus, dort könnte es vllt. konfliktloser ablaufen - wobei das Problem dann wohl die Wartung der Anlagen und ihre Anbindung an Verbraucher bzw. P2G wäre.

  • Lützerath soll von RWE eingenommn worden sein - jedenfalls fast, eine kleine Region leistet noch Widerstand.



    Es ist sehr ernst, dass RWE mit ihren Lobbyisten bei CDU und SPD indirekt oder direkt mitverantwortlich ist für diese Probleme der Abhängigkeit von Rußland und deren Rohstoffimporte. Indirekt sind diese deutschen Konzerne wohl damit mitverantwortlich für die Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine.



    Es sollten nicht nur die Oligarchen sondern auch alle deutschen Gewinnler an Putins Politik von Schröder bis zu RWE und Rheinnmetall zu Schadensersatzleitungen herangezogen werden. So eine Sondersteuer sollte doch möglich sein. Auch jede kahlgeschlagene Trasse wie die der A49 in Hessen könnte z.B. für Windkraftwerke genutzt werden. Die Infrastruktur wäre da ja jetzt (leider) vorhanden. Das wäre lebendige Klimaschutzpolitik, die unbürokratisch und flexibel sich den notwendigen Anforderungen stellt.

  • Mehr Windkraft und mehr Artenschutz sind nur eine winzige Ausprägung des notwendigen Wandels.



    Ein zentraler Punkt ist die Abkehr von der kapitalistischen Gier.



    Also letztlich ein gewisser Ruck nach Links.

    Und dagegen gibt es natürlich grade seitens der "Habenden" immense Widerstände.

    Aus deren Augen sicherlich nachvollziehbar - aber es geht um den Fortbestand der Menschheit.



    Auch wenn viele das nicht glauben wollen.

  • Die einfachste Energiewendemöglichkeit:

    1) Massentierhaltung verbieten. Argument: Der Mensch kann kein Fleisch mehr essen, weil es zuviel CO2 produziert. End of Story.

    2) Sehr viele Flächen werden frei. Äcker, Schlachthöfe etc. Und Gelder werden frei, weil der Staat die Fleischproduktion nicht mehr subventionieren muss.

    3) Windräder dort aufstellen.

    Wem das zu "kurzgedacht" scheint. Ist es auch, aber ähnlich kurz gedacht wurde, als man z.B. die rheinischen Dörfler enteignete und umsiedelte, um dort Braunkohle zu fördern.

    #GrüneEndlichMalWasWagen

  • Ein längst überfälliges Zeichen. Sehr wichtig ist aber hier, dass nicht wieder verpasst wird die Energie auch da zu erzeugen wo sie verbraucht wird. In der Nähe von den großen Industriezentren und v.a. Großstädten bleiben die Leitungswege kurz und der Eingriff in ungestörte Naturräume sehr gering. Das größte Zeichen wie Ernst es die Gesellschaft mit der Energiewende nimmt, wäre daher eine Windkraft Bebauung des Tempelhofer Feldes und andere Parkanlagen. Allein auf dem Tempelhofer Feld wären min 8 - 12 große Windanlagen möglich, ohne die Freizeitnutzung oder den Artenschutz (kein Rotmilan) zu Beeinträchtigen. So könnten min. 20 bis 25000 Haushalte mit Ökostrom vollkommen ohne Überlandleitungen versorgt werden. Bitte kämpft dafür!!

    • @Farmer:

      Unser Oligarchen, die Strom-, Kohle- und Gaskonzerne - Also Energie Oligarchen werden das zu verhindern versuchen.



      Bisher doch wohl sehr erfolgreich....



      Und das wird auch sich im Anbetracht des Krieges nicht ändern, hat doch die FDP bereits Bedenken gegen den notwendigen Wandel, bereits angemeldet!



      Schaun wir mal...

      • @KielerSprotte:

        ROFL. Welche Energie-Olis haben den Berliner Senat so fest in der Hand, dass der das nicht macht?

        Und man sollte sich nicht hinter einer 7% Oppositions-Partei verstecken wenn man regiert. Das ist peinlich.

    • @Farmer:

      In Grosstädten liegt das Potential wohl eher darin, ungenutzte Dachflächen mit Photovoltaik oder Solarthermie zu bestücken. Oder mittels städtebaulichen Massnahmen die Sommerhitze zu mindern. Da gibt es sicher noch viele ungenutzte Möglichkeiten. Windräder sind vielleicht doch eher woanders ideal, z.B. Offshore, oder mehr ländlich geprägte Gebiete.

      • @Flachköpper:

        In Großstädte liegt das Potential vor allem darin, dass in den viel zu großen Wohnungen mehr Menschen wohnen.