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Umweltzustand in BremenAufgaben für alle

Welche Umweltprobleme muss die neue Bremer Landesregierung lösen? Die taz ergänzt den Umweltzustandsbericht des scheidenden Senators Lohse.

Müll und was dann passiert: die Müllverbrennungsanlage in Bremerhaven Foto: dpa

Bremen taz | Seit jeder mit den Grünen regieren will, haben alle Parteien in Bremen ihr Herz für den Umweltschutz entdeckt. Sogar die FDP: „Für uns stehen die Zeichen auf Grün“, sagt deren autoverliebte Spitzenkandidatin Lencke Steiner nun und distanziert sich sogleich von ihrem Parteichef Christian Lindner. Auch CDU-Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder will den Klimaschutz „ernst nehmen“. Deshalb hat auch er sich von seiner Parteispitze distanziert – und argumentiert für eine Kohlendioxid-Steuer.

Da ist es doch an der Zeit für eine Bestandsaufnahme. Die hat die alte Landesregierung gerade selbst geliefert: Kurz vor der Wahl erschien der „Umweltzustandsbericht 2019“, der vor allem den Zeitraum zwischen 2014 bis 2017 genauer analysiert. Der scheidende grüne Umweltsenator Joachim Lohse verkündet darin „zahlreiche gute Nachrichten“, listet aber auch allerlei Probleme und Versäumnisse auf, die er aber lieber „Handlungsnotwendigkeiten“ nennt.

Ist die Erderwärmung schon messbar?

Ja. Seit Beginn der Temperaturaufzeichnung 1881 wurden im Land Bremen fünf der zehn wärmsten Jahre in den letzten zehn Jahren gemessen. Von 1881 bis 2016 ist das Jahresmittel der Lufttemperatur in Bremen und Bremerhaven um etwa 1,3 Grad Celsius angestiegen. Beim „Weiter-wie-bisher-Szenario“ läge gemäß des Deutschen Wetterdienstes die mittlere regionale Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts bei 3,6 Grad Celsius, bei einer Bandbreite von 2,5 bis 4,9 Grad Celsius. Zugleich wäre dabei eine Erhöhung des globalen Meeresspiegelanstiegs um mehr als 100 Zentimeter „wahrscheinlich“.

Wie fällt Bremens CO2-Bilanz aus?

Das Land verfehlt seine Klimaschutzziele sehr deutlich. Bis 2020 sollten die bremischen CO2-Emissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent reduziert werden – damals waren das rund 6,9 Millionen Tonnen, die Stahlindustrie nicht mitgerechnet. 2015 lag der Energieverbrauch in Bremen noch bei rund 5,9 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht einer CO2-Minderung von 13,6 Prozent. Im Vergleich zu 2010 sind die CO2-Emissionen um 6,7 Prozent gesunken. Die mit 49 Prozent größten Verbraucher sind „Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen“, der Verkehr trägt 24 Prozent bei.

Wie belastet ist die Bremer Luft?

Am Flughafen wird die Schadstoffbelastung der Luft mit Grünkohl gemessen, vor allem jene mit Schwermetallen. Beim Feinstaub liegt Bremen seit Jahren unterm EU-Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter, auch im Bereich stark befahrener Straßen. Anders sieht es bei der Belastung mit Stickoxiden aus, bei der seit 2010 derselbe Grenzwert gilt. Zwar wird er an verkehrsfernen Messstellen seit Jahren eingehalten. Dagegen lag die Stickoxid-Belastung an den verkehrsnahen Orten bis 2015 konsequent über dem Grenzwert – von 2003 bis 2008 waren es jeweils zwischen 50 und 60 Mikrogramm je Kubikmeter – 2017 noch 37. In der Umweltzone war ein größerer Anteil an Fahrzeugen mit modernen Abgasstandards unterwegs als außerhalb. Der Rückgang beim Stickstoffdioxid war laut Bericht aber „nicht so stark war wie erhofft“.

Wie viel Natur wird täglich verbraucht?

Die Bundesregierung hat das Ziel vorgegeben, die Fläche, die für Straßen oder Siedlungen neu bebaut wird, bis 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag zu verringern. Gemessen am Bevölkerungsanteil bedeutet das für Bremen eine Größenordnung von knapp 90 Hektar pro Jahr, also rund 2.500 Quadratmeter pro Tag. Zwischen 2014 und 2016 lag der bremische Flächenverbrauch bei rund 60 Hektar pro Jahr und 0,16 Hektar pro Tag. Zum Vergleich: Zwischen 2002 und 2006 waren es deutlich über 120 Hektar pro Jahr. Weil immer weniger Platz ist für Natur, nimmt auch die Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen „weiter ab“, wie der Bericht beklagt. Mittlerweile verzeichnen selbst viele „Allerweltsarten“ und bisher als ungefährdet geltende Tiere Bestandsrückgänge. Auch die Fließgewässer sind trotz rechtlicher Vorgaben von einem guten ökologischen Zustand weit entfernt.

Wie viel Abfall produziert Bremen?

Bis zur Jahrtausendwende verzeichneten Bremen und Bremerhaven einen stetigen Anstieg der im Durchschnitt erzeugten Hausmüllmenge auf 508 Kilo pro EinwohnerIn. Zwar hat diese Abfallmenge bis 2013 um etwa 13 Prozent auf 442 Kilo je Einwohner abgenommen. Bis 2017 sank sie dann aber nur noch sehr geringfügig, während die absolute Menge stieg. 2013 waren es 290.000 Tonnen, vier Jahre später aber schon 300.000 Tonnen. Der Grund: Die Einwohnerzahl stieg. Soweit er nicht recycelt wird, verbrennt Bremen den Müll in vier Heizkraftwerken, die jährlich bis zu 1,25 Millionen Tonnen „energetisch nutzen“ und, nach Abzug ihres Eigenbedarfs, jährlich bis zu 605.000 Megawattstunden Strom ins Netz einspeisen. Zum Vergleich: Zwischen 2014 bis 2017 wurden in Bremen zehn Windenergieanlagen mit einer Leistung von rund 34 Megawatt neu in Betrieb genommen.

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5 Kommentare

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  • 0G
    05653 (Profil gelöscht)

    Die Temperaturmessreihe in Bremen ist wegen unterschiedlicher Messbedingungen hinsichtlich des Klimas nicht sehr aussagekräftig. Hier könnte auch die Bodenversiegelung ein gravierender Faktor sein.

  • Die zu 90% vom Bund finanzierbaren Radfahrbrücken über die Weser haben die bereits in der letzten Periode in den Wind geschlagen. www.weser-kurier.d..._arid,1689985.html

  • Die neuen Windkraftanlagen aus vier Baujahren erzeugen aber immerhin um die 80.000 MWh Strom im Jahr. Weniger als die 600.000 MWh aus dem gesamten Muell, aber da vergleicht man ja Aepfel mit Birnen.

  • und wie geht es der weser ...

    wenn sie an bremen vorbeifliesst ?

    wie sehr schützen wir in bremen 'unseren' fluss ?

    bestimmt helfen wir ihm nicht, in dem zugelassen wird, einen flohmarkt direkt an der wasserkante zu veranstalten.

    meinem vorschlag an den beirat östliche vorstadt, ab der deichkrone vermüllung zu verhindern, in dem der bereich bis zum wasser zum naturraum erklärt wird, ist leider unisono nicht gefolgt worden.

  • Lärm, A1