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Umstrittenes Projekt Nord Stream 2Polen vereint gegen die Pipeline

Gastkommentar von Hanna Gill-Piątek

Nord Stream 2 ist eine Bombe, sagt Hanna Gill-Piątek. Die polnische Aktivistin und Parlamentarierin appelliert dazu, sie gemeinsam zu entschärfen.

Nord Stream 2: Rohrstück für Rohrstück bahnt sich die Gas-Pipeline den Weg durch die Ostsee Foto: Stine Jacobsen/reuters

E s ist offensichtlich für jeden in Polen, dass wir uns auf eine gemeinsame Position von weit links bis ganz rechts einigen können. Deshalb der Appell an die Bundesregierung und die demokratischen Parteien in Deutschland, ein Moratorium für Nord Stream 2 abzuhalten. Wenn die Pipeline erst einmal fertig ist, wird sie zahlreiche Probleme in Europa mit sich bringen. Erstens unterminiert die Pipeline die Versorgungssicherheit und den Wettbewerb auf unserem Gasmarkt.

Hanna Gill-Piątek

1974 in Łódź geboren, ist Malerin, Journalistin, Aktivistin für LGBT- und Frauenrechte. Sie ist Abgeordnete und Vorsitzende des neuen polnischen Parlamentskreises 2050, den sie im Februar selbst mit ins Leben rief.

Angesichts der Tatsache, dass die EU 2020 insgesamt 326 Milliarden Kubikmeter Erdgas importierte, könnten die beiden Nord-Stream-Leitungen mit ihrer Kapazität von 100 Milliarden Kubikmeter nahezu ein Drittel des europäischen Gasimports abdecken. Die kombinierte Kapazität der beiden Pipelines würde Russland zum unangefochtenen König des europäischen Gases mit enormem Einfluss auf unseren Gasmarkt machen.

Zweitens widerspricht die Verdoppelung der Kapazität von Nord Stream unseren Klimazielen und verzögert die Energiewende. Mit Blick auf die Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050 sollte Erdgas nur für den Übergang als Energiequelle genutzt werden.

Die Errichtung solch enormer Kapazitäten für den Gasimport nährt nicht nur eine fossile Energielobby, die den grünen Umstieg untergraben könnte – insbesondere in Ländern wie Polen, wo das Thema eher zurückhaltend betrachtet wird –, sondern sie könnte auch Anreiz für neue Gaskraftwerke an Standorten sein, wo stattdessen erneuerbare Energien durchaus erfolgreich eingesetzt werden könnten.

Drittens erzeugt Nord Stream 2 Sicherheitsrisiken für unseren wichtigen Nachbarn Ukraine und für die gesamte EU. Die Energieunion mit ihrem Ziel der Energiesicherheit wurde nachdem zwei Konflikten zwischen der Ukraine und Russland geschmiedet, die Millionen Europäer in den Wintermonaten von 2006 und 2009 ohne Heizung zurückließ. Wir sollten nicht vergessen, was für einige eine wirtschaftliche Angelegenheit ist, bedeutet für andere ein ernstes Sicherheitsrisko.

Die polnische Politik ist sehr gespalten – Energie- und Klimapolitik bildet hier keine Ausnahme. Trotzdem herrscht im Parlament in der Frage von Nord Stream 2 Einvernehmen. Derzeit arbeiten wir an einer Resolution, die eine gute Chance hat, einstimmig angenommen zu werden. Allen ist klar: Nord Stream 2 ist eine mächtige Bombe, die die europäische Solidarität sprengen kann. Lasst sie uns gemeinsam entschärfen, bevor es zu spät ist.

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19 Kommentare

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  • Kontext: Polen verdient aktuell durch die Jamal-Pipeline, die durch Nord Stream 2 Konkurrenz erhalten würde, und Polen arbeitet mit der Baltic Pipe an einem eigenen Pipeline-Projekt: www.rnd.de/politik...ONPBVTHC7U2CE.html

    @Taz: Solche Einordnung erwarte ich bei Zeitungsartikeln. Sie zu finden braucht 5 Minuten googlen.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Die Polen sind also dagegen.



    Ich bin gegen die vielen polnischen Kohlekraftwerke.



    Und nun?

  • Die Pipeline ist jetzt fast fertig und wird durch die geringeren Leitungsverluste Unmengen an CO2 einsparen.



    Das Klimaargument GEGEN die Pipeline ist hirnbefreit.

    • @PS007:

      1,7% des ergas gehen bei der föderung und lecks in der pipline verloren und treiben die klimaerwärmung massiv an da ergas methan ist und methan ist 30 mal so klimaschädlich wie co2.



      www.deutschlandfun...:article_id=402450



      die bessere energieerzeugung die methan und co2frei ist und jede menge arbeitsplätze in europa schafft ist wind und sonnenernergie .Mit Blick auf das EU-Ziel, bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu werden, haben EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans und EU-Energiekommissarin Kadri Simson heute (Donnerstag) die EU-Strategie für erneuerbare Offshore-Energie vorgestellt. Die Europäische Kommission schlägt darin vor, die Offshore-Windenergiekapazität Europas von derzeit 12 GW bis 2030 auf mindestens 60 GW und bis 2050 auf 300 GW auszubauen. Ergänzt werden soll dies bis 2050 durch 40 GW an Meeresenergie sowie durch erneuerbare Offshore-Energie aus anderen Quellen wie schwimmende Wind- und Solaranlagen. Bis 2050 werden dafür Investitionen von knapp 800 Mrd. Euro erforderlich sein.

      • @prius:

        "die bessere energieerzeugung die methan und co2frei ist und jede menge arbeitsplätze in europa schafft ist wind und sonnenernergie ."

        Der Grund, warum die Merkel-Regierung dieses Projekt gegen alle Widerstände fördert, ist die stabile Energieversorgung Deutschlands nach dem Ausstieg aus Kernkraft und Kohle. Wind und Solar allein sind leider nicht in der Lage, eine stabile und zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten.

        Die Alternative zum russischen Gas wäre Gas aus den Golfstaaten (besonders Katar), was wiederum deren Einfluss auf Europa erhöhen würde. Oder teures Fracking-Gas aus den USA, welches erst über den Atlantik geschippert werden müsste. Vor diesem Hintergrund erscheint mit die Ostsee-Pipeline als beste Alternative.

        • @Jan:

          hier fehlt ein "noch" bei dem "nicht in der Lage".

  • Alle Kommentatoren und auch die Autorin des Artikels haben meiner Meinung nach Recht. Es gibt sehr viele Argumente für und auch gegen NordStream2. Jeder zählt immer nur weiter diejenigen auf, die seinen eigenen Standpunkt untermauern. Die anderen Argumente erwähnt man lieber nicht. Wenn ich mir aber die Wichtigkeit der Argumente ansehe, dann bleiben für mich zwei wesentliche Punkte ganz oben stehen, gegen die alle anderen Argumente eher zweitrangig scheinen. Punkt 1: Wir müssen so schnell wie möglich weg von den fossilen Energieträgern, also auch von Gas. Und zwar besser gestern als heute. Es ist eigentlich schon 5 nach 12. Das Überangebot an Gas auf dem deutschen Energiemarkt und damit der viel zu niedrige Gaspreis (im Vergleich zu Strom) ist das Haupthindernis für umweltfreundlichere Heizungen. Punkt 2: Wir müssen aufhören, mit einem Diktator und Verbrecher wie Putin Geschäfte zu machen. Mit ihm reden - ja. Aber keine Geschäfte mit diesem Regime. Solange wir das nicht konsequent umsetzen, wird er weiter über unsere "Sanktionen" lachen und machen was er will.

    • @Andreas Klein:

      Vieles sollte berücksichtigt werden.

      Für micht ist wichtig, dass das Gas aus Russland eine Alternative ist zu dem von den USA kontrolierten und sanktionsanfälligen Energielieferungen aus dem nahen Osten ist.

      Vedächtig für mich ist, dass die kritischen töne aus seinem land kommen, das selber nicht auf seine Kohlekraftwerke verzichten will, und selber eine Gaspipeline baut (Baltic Sea).

      Bei der Ausbaugeschwindigkeit der regenerativen Erzeugung und dem fehlen von Speichern hat Gas als speichermedium sehr wohl eine Bedeutung, und ist im Rahmen von KWK und GuD Kraftwerken ein Schritt in eine verlässliche Energieversorgung mit wenig Belastungen. Mit mindestens 30 Jahren Betriebszeit (2050) lohnt sich das ganze auch (besonders weil sie schon fast fertig ist, und baltic Sea nicht).

      Dieser Gedanke an ein "böses Regime" kommt eigentlich eher aus den Unwarheiten in den Medien und aus dem Messen mit zweierlei Maß.

      Warum bildet sich eigentlich der Westen ein, alle Länder müssten sich an ihm ausrichten. Normalerweise sollten sich doch jeder um die Prbleme im eigenen Land kümmern, und da gibt es bei uns doch auch genug.

      • @Martin_25:

        @MARTIN_25 "Vedächtig für mich ist, dass die kritischen töne aus seinem land kommen, das selber nicht auf seine Kohlekraftwerke verzichten will, und selber eine Gaspipeline baut (Baltic Sea)." Die kritischen Töne kommen von allen Seiten. Klar, natürlich sind dabei auch viele, die ihre eigenen Ziele verfolgen. Die Autorin gehört jedoch aus meiner Sicht eher zur Opposition in Polen. Ich würde sie deshalb nicht mit Polens Regierung in einen Topf werfen.

        "Dieser Gedanke an ein "böses Regime" kommt eigentlich eher aus den Unwarheiten in den Medien und aus dem Messen mit zweierlei Maß." Damit stellen Sie sich sehr dicht zu Gruppen wie Pegida oder den Querdenkern. Können Sie für die "Unwahrheiten in den Medien" konkrete Beispiele anführen?

        "Warum bildet sich eigentlich der Westen ein, alle Länder müssten sich an ihm ausrichten. Normalerweise sollten sich doch jeder um die Prbleme im eigenen Land kümmern, und da gibt es bei uns doch auch genug." Das ist eine völlig sinnlose und pauschale Unterstellung. Bitte bleiben Sie konkret und sachlich!

  • Nicht die Pipeline, sondern zusätzliches Gas unterminiert Klimaschutz und Energiesicherheit.



    Sinnvoller wäre eine Genehmigungsauflage, die den Betrieb der Pipeline an eine summierte Lieferobergrenze und daneben daran knüpft, dass die technisch optimale Verteilung der Gasmengen auf die dversen Leitungen stattfindet. Die Verteilung des Gasstroms auf weitere Leitungen reduziert nämlich die Strömungsgeschwindigkeit und dmit die beträchtlichen Gasverluste/ den Gasverbrauch durch die Pumpen, sofern nicht auch die Menge gesteigert wird.

  • Sorry liebe Nachbarn in Polen, aber selten habe ich so einen Unsinn gelesen. Wie bitte kann eine zusätzliche Pipeline die "Versorgungssicherheit unterminieren"? Für mehr Wettbewert auf dem deutschen / europäischen ("unserem Gasmarkt"?) sind mehr LNG Terminals notwendig, es steht jedem Land frei sich diese zu bauen und Erdgas aus Katar oder Fracking-Gas aus USA zu beziehen. Ob damit mehr Versorgungssicherheit gewährleistet ist, das Geld in demokratischere Quellen (Katar) fließt oder der Umwelt mehr gedient ist (Fracking) sei dahingestellt.

    Die Möglichkeit mehr Gas zu importieren "verzögert die Energiewende" nicht, denn liebe Nachbarn auch Ihr werdet irgendwann Eure Kohlekraftwerke abschalten müssen und wenn dann Hochöfen "grünen" Wasserstoff brauchen, Euro Autos Strom tanken etc... wo soll die Primärenergie dann herkommen? In D bspw. erreichen die erneuerbaren Energien gerade mal 16% Anteil an der Primärenergie... mit dem Kohleausstieg und dem Ende der Kernkraftwerke sowie dem nahenden Ende des Ausbaus in der Nordsee (siehe Fraunhofer Studie zur Windverknappung) werden wir in Deutschland das Gas noch bitter nötig haben. Zumal es gut in Pipelins nach Süddeutschland gebracht und dort verstromt werden kann.

    Was die Frage der europäischen Solidarität angeht, ist diese keine Einbahnstraße. Sei es die Flüchtlingspolitik oder die Rechtsstattlichkeit oder die Fördermittel. Einfach mal die eigene Position reflektieren.

    • @Klaus Meier:

      Richtig, die Kritik ist daneben, besonders wenn man bedenkt, dass Polen auch eine Erdgaspipeline (Baltic Sea) plant, und LNG Terminals.

  • Ein erstes guten Angebot aus Polen, Weißrussland und der Ukraine wäre doch beispielsweise der vollständige unwiderrufliche Verzicht auf die Transitgebühren. Dann wäre zumindest das wirtschaftliche Interesse Deutschland an Nord Stream 2 sehr viel geringer als bisher.

    • @DiMa:

      Die erste Röhre ist fertig, und die nächste fast fertig. Woher sollten da noch die finanziellen Vorteile beim Wegfall der Transitgebüren kommen?

  • Für die übergängliche Versorgung (2030 bis 2050) von Europa ist die Pipeline doch mehr als nützlich. Und aus polnischer Richtung Kritik hinsichtlich der europäischen Solidarität zu hören klingt mir doch recht makaber

    • @palu:

      Wenn die CO2-Emissionen 2050 bei Null ankommen sollen, braucht man von 2035-2050 bestimmt keine weiteren Importkapazitäten jeglicher Art für Erdgas.



      Für die Versorgung von Sant Petersburg mit solar erzeugtem Hydrolysegas aus der Sahara braucht man keine so großen Pipelines.

      • @meerwind7:

        > Wenn die CO2-Emissionen 2050 bei Null ankommen sollen, braucht man von 2035-2050 bestimmt keine weiteren Importkapazitäten jeglicher Art für Erdgas.

        Nur baut Polen selbst genau solche zusätzlichen Kapazitäten auf.

      • @meerwind7:

        Umständliche geht es nicht!



        solar erzeugtes Hydrolysegas aus der Sahara, statt die Aluminiumwerke und sonstige stromintensiven Betriebe in die Sahara zu verlegen. St Petersburg kann sich gut um sich selber kümmern.

      • @meerwind7:

        Damit wir uns auf den Umbauweg machen können brauchen wir für Flautephasen etc. eine schnell regelbare und speicherbare Energiequelle. GuD Kraftwerke und KWK liefern das mit Gas am einfachsten. Damit haben wir den Rücken frei für die Abschaltung von Kohlekraftwerken (auch in Polen) Abschaltung der AKW, und Umstieg von Heizung und Verkehr auf CO2 Frei. Besser als jahrlich 2 Wo mit Stromausfällen ist das allemal.