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Umstrittenes Bauprojekt auf St. PauliMarkisen plötzlich verschwunden

Das geplante „Paulihaus“ neben der Rindermarkthalle entspricht nicht dem St.-Pauli-Code, kritisieren Gegner*innen des Projekts. Sie vermuten Tricks.

Der Siegerentwurf: Das St.Pauli-Haus rückt sehr nah an die Straße heran Foto: Bloomimages

Hamburg taz | Ist das geplante „Paulihaus“ vor der Rindermarkthalle ein Fremdkörper, der an der Öffentlichkeit vorbei in den Stadtteil gesetzt werden soll? Das jedenfalls behauptet die Initiative „St. Pauli Code jetzt!“.

Seit Monaten mobilisieren Anwohner*innen gegen das geplante Bürogebäude in zentraler Lage, in das unter anderem das Immobilienunternehmen Hamburg-Team, die Stadtentwicklungsgesellschaft Steg, das Planungsbüro Argus und die Agentur Pahnke Markenmacherei einziehen wollen. Die Bauarbeiten sollen im nächsten Jahr beginnen, wenn die Baugenehmigung vom Bezirk Mitte da ist.

Die Initiative hat eine Online-Petition gestartet, um das zu verhindern. Sie beruft sich dabei auf den so genannten St.-Pauli-Code, den die Stadtteil-Aktivist*innen der Planbude bei den Verhandlungen über die Esso-Häuser auf der Reeperbahn mit dem damaligen Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) ausgehandelt hatten. Schlagworte waren: „Alt vor neu“, „Günstig statt teuer“, „Schmuddeliger Glamour statt Hochglanzfassade“ und „Unterschiedlichkeit statt Homogenität“.

Keiner dieser Punkte werde von den Planungen für das „Paulihaus“ berücksichtigt, kritisiert die Initiative. Dabei habe Andy Grote, der heute Innensenator ist, den Code seinerzeit „als verbindliche Leitlinie für künftige große Bauprojekte im Stadtteil“ bezeichnet.

Das Lebensgefühl von St. Pauli

Für das Bezirksamt Mitte ist diese Absprache nicht ganz so wichtig. „Der St.-Pauli-Code beschreibt das ‚Lebensgefühl‘ von St. Pauli und soll für die Debatte um Veränderungen auf St. Pauli als Anhaltspunkt dienen“, sagt Sarah Kolland, Sprecherin des Bezirksamts. Der Code helfe festzustellen, was zu St. Pauli passe. Eine bindende Richtlinie sei er aber nicht.

Die Gegner*innen des Bürogebäudes sehen sich von den Planern getäuscht. So seien den Anwohner*innen noch 2017 Skizzen des Gebäudes mit bunten Markisen präsentiert worden, die unter dem Motto „Built in St. Pauli“ ein „freundliches, luftig gezeichnetes Bild“ in die Welt gesetzt hätten, heißt es auf der Homepage der Stadtteilinitiative „Unser! Areal“, die sich seit Jahren mit den Entwicklungen auf dem Gelände der Rindermarkthalle auseinandersetzt.

Der darauf folgende Architekturwettbewerb wurde nicht etwa vom Bezirksamt, sondern von dem Baukonsortium durchgeführt, und der Siegerentwurf des in der Nachbarschaft am Neuen Pferdemarkt ansässigen Architekturbüros Coido Architects hatte am Ende nichts mehr mit den ersten Skizzen zu tun. Er war zudem um ein Stockwerk gewachsen und sehr nahe an die Straße herangerückt. „Büroklotz“ nennen ihn die Gegner*innen. Die Sieger-Architekten bekamen den Zuschlag bereits im Januar 2018, doch erst im April 2019 wurden die neuen Pläne öffentlich.

Mario Bloem von der Initiative „St. Pauli Code jetzt!“ kritisiert die Pläne als langweilig. „Es passt auch nicht in die Historie der Gegend und sieht eher aus wie ein schlechter Kompromiss“, sagt Bloem, der selbst als Stadtplaner arbeitet. Immerhin sei der Siegerentwurf der am wenigsten hässliche aus dem Architekten-Wettbewerb.

Bemerkenswert findet Bloem auch, wie das Baukonsortium an das Grundstück kam: Die Kommission für Bodenordnung, ein nicht öffentliches, bei der Finanzbehörde angesiedeltes Gremium, hat das Projekt als einen „Wirtschaftsförderungsfall“ anerkannt. Die Begründung: Das Projekt bringe etwa 360 Arbeitsplätze, von denen mehr als die Hälfte auf die Agentur Pahnke Markenmacherei entfielen. Diese habe erwogen, nach Berlin umzusiedeln, weil ihr derzeitiger Mietvertrag in Hamburg auslaufe und sie keine geeigneten Büroräume gefunden habe.

Die Elektrik ist veraltet, wir haben seit Jahren Probleme mit Rissen in den Wänden und selbst Statiker mussten kommen

Thorsten Harms, Inhaber Max-Autowerkstatt

Bloem und die Initiative bezweifeln, dass das stimmt: Bei einem Infoabend mit dem Titel „Netter Nachbar oder Kieztrojaner?“ im Ballsaal des Millerntorstadions präsentierte er leer stehende Büro-Immobilien in nächster Nachbarschaft. Der Bau des „Paulihauses“ sei also nicht erforderlich.

Derzeit steht an der Stelle, an der das „Paulihaus“ gebaut werden soll, die ehemalige Kantine der Rindermarkthalle – ein eingeschossiger Flachbau, in dem das Restaurant „Maharaja“, die Autowerkstatt Max und das Tonstudio Rekorder residieren. Die Autowerkstatt und das Tonstudio sollen in den Neubau einziehen, die Verhandlungen mit dem indischen Restaurant scheiterten. Die Inhaberin Kathrin Guthmann brach die Gespräche ab, nachdem sie sich nicht mit dem Baukonsortium über eine Ablösesumme einigen konnte.

Guthmann hatte sich beklagt, dass sie bei der Vertragsunterzeichnung für ihr Restaurant 2015 nichts von den Neubauplänen gewusst habe. Zwar habe es den Vermerk gegeben, die Immobilie sei „planungsbetroffen“, sie habe damit aber nichts anfangen können.

Bürgerbeteiligung gefordert

Der Inhaber der Autowerkstatt Max, Thorsten Harms, begrüßt die Pläne für das „Paulihaus“. Das alte Gebäude sei baufällig, sagt er. „Die Elektrik ist veraltet, wir haben seit Jahren Probleme mit Rissen in den Wänden und selbst Statiker mussten kommen.“ Harms hofft, dass die Diskussion über den Neubau bald beendet sein wird. Sollte die Neueröffnung verschoben werde, befürchtet er Einbußen „in Höhe von 15.000 Euro monatlich“.

In Harms Mietvertrag aus dem Jahr 2009 steht ebenfalls, dass das Grundstück „planungsbetroffen“ sei und dass die Vermieterin, die städtische Sprinkenhof GmbH, ein Sonderkündigungsrecht habe. „Deswegen habe ich mich nicht über die Baupläne gewundert“, sagt Harms.

Die Initiative „St. Pauli Code jetzt!“ hat inzwischen ein Bürgerbegehren beim Bezirk Mitte eingereicht, um den Neubau doch noch zu verhindern. „So geht das nicht weiter auf St. Pauli“, schimpft Bloem. „Bürgerbeteiligung ist notwendig, damit hier nicht alles kaputtgetrampelt wird.“

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4 Kommentare

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  • Was ist denn mit dem Ensemble Schutz für die Kantine der Rindermarkthalle?



    Ach ja ist ja ein altes Haus, das muss in Hamburg natürlich weg, aus Tradition.

  • Wofür hat das Ding eigentlich einen Preis bekommen? Also gut aussehen tut es ja nun mal nich. Vielleicht irgendwas mit tollen Wörtern? "Strukturelle Anpassungsfähigkeit an soziale Strukturen in Hinblick auf psychozoziale Bedingungen gesamtgesellschaftlicher Prozesse" So was ungefähr? (Sprach-Setzbaukasten von Schwallo, im Einzelhandel erhältlich ab € 19,99)

  • Wenn die Architekten sich doch bloß mal etwas charmanteres als solchen hässlichen Klotz ausgedacht hätten - können die nichts anderes? Das ist eine Beleidigung für die Augen der Menschen, die hier leben!

    Ich bin überzeugt, dass ein ansehnlicherer Entwurf auch mehr Anklang bei der Initiative gefunden hätte.



    Seit Jahren werden den Architekten langweilige Einfallslosigkeit vorgeworfen - es ändert sich aber leider überhaupt nichts!

    • @Rossignol:

      Finde ich auch. Sie können nur Kisten, Kisten, Kisten. Und wenn man das kritisiert, kommen Sie einem immer mit Bauhaus. Also ehrlich gesagt, was am Bauhaus alle so toll finden? An diesen Kisten. Prinz Charles soll mal gesagt haben, daß die modernen Architekten in London mehr Schaden angerichtet hätten, als die deutsche Luftwaffe.