Umstrittener Moscheeverband: Verfassungsschutz überprüft Ditib
Der Verfassungsschutz prüft, ob der Islamverband Ditib bald beobachtet wird. Nächste Woche eröffnet Erdoğan die Ditib-Zentralmoschee in Köln.
Ditib koordiniert in Deutschland über 900 Moscheevereine, die Dachverbandszentrale in Köln wird jetzt als Prüffall geführt. Der Verband wird dauerhaft von der türkischen Religionsbehörde beaufsichtigt und kontrolliert, die Imame werden in der Türkei ausgebildet und vom türkischen Staat bezahlt.
Der Moscheeverband war in Deutschland vor allem nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei im Juli 2016 in die Kritik geraten. Die türkische Regierung beschuldigt den Prediger Fethullah Gülen des Putschversuchs. 2017 ermittelte die Generalbundesanwaltschaft gegen 19 Geistliche, die Informationen über Gülen-Anhänger beziehungsweise Erdogan-Gegner gesammelt haben sollen. Der Auftrag dieser Bespitzelung soll von der türkischen Religionsbehörde gekommen sein.
Die Ermittlungen wurden später eingestellt, da die Beschuldigten entweder ausgereist waren oder ihnen keine Spionage nachgewiesen werden konnte. Im Januar 2018 rief Ditib ihre Imame dazu auf, für den Erfolg des türkischen Einmarschs im nordsyrischen Afrin zu predigen und beten zu lassen.
Zudem waren im April Fotos und Videos aus mehreren Ditib-Moscheen aufgetaucht, in denen kleine Kinder zu sehen waren, die in Kampfanzügen mit türkischen Abzeichen Kriegsszenen nachspielten. Beispielsweise wurden auf der Facebook-Seite der Ditib Herford Bilder gepostet, auf denen Kinder durch die Moschee marschieren und andere auf dem Boden liegende Kinder mit einer türkischen Fahne bedecken. Der Vorstand der Moschee distanzierte sich nach kritischen Berichten von der Aufführung.
Erdoğan soll Zentralmoschee eröffnen
Das Bundesinnenministerium wollte auf Anfrage der taz nicht bestätigen oder kommentieren, ob es sich bei Ditib um einen Prüffall des Verfassungsschutzes handele. Ein Sprecher teilte lediglich mit, das BfV habe „im Zusammenhang mit aktuellen Geschehnissen, insbesondere mit Blick auf die türkische Militäroperation in Nordsyrien“ festgestellt, „dass einzelnen Ditib-Moscheegemeinden zurechenbare Personen verfassungsfeindliche nationalistisch-religiöse Aktivitäten entwickelten und entsprechende Äußerungen tätigten.“ Die Ditib reagierte nicht auf eine Anfrage der taz.
Der Grünen-Politiker und Lehrbeauftragte am Centrum für religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Universität Bochum, Volker Beck, ist schon lange der Überzeugung, dass Ditib beobachtet werden müsste. „Man muss die Frage stellen, warum der Verfassungsschutz jetzt erst aktiv wird“, sagte er zur taz. „Im Fall der Auslandsspionage im Auftrag der türkischen Religionsbehörde hat man die Hauptverdächtigen türmen lassen. Seit dem gescheiterten Putsch macht die Ditib immer wieder Schlagzeilen – mit Unterstützung der demokratiefeindlichen und nationalistischen Propaganda der AKP-Regierung, die wenig mit Religion zu tun hat. Das nährt den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen.“
Die Berichte über die mögliche Beobachtung kommen kurz vor dem Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in der kommenden Woche. Nach Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin soll Erdoğan am 29. September bei der Eröffnung der Ditib-Zentralmoschee in Köln sprechen. Die Großmoschee gilt als Prestigeobjekt des Islamverbands. Ursprünglich hatte Ditib angekündigt, dass dort auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprechen soll. Laschet ließ dies zurückweisen.
Reker stellt Bedingungen
Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) will auf Einladung der Ditib an der Eröffnungsfeier teilnehmen, allerdings nur, wenn sie dort selbst eine Rede halten darf. Dies sagte sie am Donnerstag der Bild-Zeitung. Sie sehe sich nicht als Statistin beim Erdoğan-Besuch. Ein Bündnis kurdischer Gruppen hat für Erdoğans Köln-Besuch eine Großdemonstration unter dem Motto „Erdoğan not welcome – keine schmutzigen Deals mit der Türkei“ angemeldet.
Die Islamwissenschaftlerin und Gründerin des Liberal-Islamischen Bunds, Lamya Kaddor, forderte auf Twitter, dass Ditib nach der Rede bei der Moscheeeröffnung „definitv kein echter Partner deutscher Politik“ mehr sein könne. Ditib ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz und außerdem in mehreren Bundesländern an der Konzeption des islamischen Religionsunterrichts beteiligt. Falls der Verband einen offiziellen Beobachtungsstatus des Verfassungsschutzes erhält, könnte sich dies ändern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative