Umstrittene Zoll-Einigung von USA und EU: Zusage für fossile Energiekäufe empört Klimaschützer:innen
Der Plan, enorme Mengen fossiler Energie aus den USA zu importieren, stößt auf Unverständnis. Kritiker:innen sehen darin ein falsches Signal.

Trump und von der Leyen haben am Wochenende den Handelsstreit beigelegt, den der US-Präsident nach seinem Amtsantritt losgetreten hat. Die Vereinbarung sieht nicht nur im Vergleich zur Vor-Trump-Zeit höhere Zollsätze für die meisten Exporte aus der EU vor – und keine oder niedrige für Importe aus den Vereinigten Staaten. Sie enthält auch die Zusicherung, dass die EU in den USA Investitionen in Höhe von 600 Milliarden Euro vornimmt. Darüber hinaus erklärt sich die EU dazu bereit, in den kommenden drei Jahren Energie für jeweils 250 Milliarden Euro einzukaufen, bis zu den kommenden Präsidentschaftswahlen in den USA also für insgesamt 750 Milliarden Euro. „Die EU wird russisches Gas und Öl durch bedeutende Käufe von US-LNG, Öl und Kernbrennstoffe ersetzen“, teilte die EU-Kommission mit.
Die Details zu diesem Vorhaben sind allerdings noch unklar. Fest steht, dass es um enorme Mengen geht. Bislang importiert die EU aus den USA fossile Energie im Wert von rund 65 Milliarden Euro im Jahr. Die Vereinbarung sieht also ein Vielfaches vor. Um das Abkommen einhalten zu können, müssten möglicherweise bisherige Gas-Importe aus anderen Ländern wie Norwegen – das kein Mitglied der EU ist – ersetzt werden. Energieexpert:innen warnen vor diesem Hintergrund vor neuen Abhängigkeiten. Die EU-Kommission selbst kann die Energie nicht einkaufen, dafür hat sie weder Mandat noch Geld. Wer den Handel abwickeln soll, ist offen.
Die Vereinbarung sendet ein falsches Signal, betonte der Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) Wolfram Axthelm. „Europa muss den Weg für Klimaneutralität im Rahmen des European Green Deal fortsetzen“, sagte er. Mit dem „Green Deal“ genannten Programm will die EU bis 2050 klimaneutral werden. Dieses Ziel dürfe nicht durch Zoll-Erleichterungen für fossile Energieträger untergraben werden, warnte Axthelm. „Es ist zwingend erforderlich, fossile Lock-ins abzubauen und fossile Abhängigkeiten zu verringern, statt sie vertraglich aufzuwerten.“ Mit fossilen „Lock-ins“ sind Strukturen oder langfristige Verträge gemeint, die eine Bindung an Gas oder Öl festigen und den Wechsel zu erneuerbaren Energien erschweren.
EU soll Ausstieg aus fossilen Energien vorantreiben
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht in dem Abkommen ebenfalls ein „katastrophales Signal“ für den Klimaschutz. „Anstatt auf langfristige Planungssicherheit für die Energiewende zu setzen, binden uns derartige fossile Abkommen an gestrige Technologien – auf Kosten von Klima, Innovation und Sicherheit“, sagte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. „Wir fordern eine klare Positionierung gegen das Importversprechen durch Bundeskanzler Merz und eine Absage des Handelsabkommens durch Kommissionspräsidentin von der Leyen.“
Auf Empörung stößt die Vereinbarung auch bei den Klimaaktivist:innen von Fridays for Future. „Dass die EU inmitten von Klimakrise und Handelskrieg dem US-Präsidenten Donald Trump Hunderte Milliarden für Öl und Gas verspricht, ist eine fatale Idee“, sagt Carla Reemtsma von Fridays for Future. Nachdem die USA unter Trump aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten sind, seien die EU und Deutschland gefragt, sich hinter dem Green Deal zu sammeln und den Ausstieg aus fossilen Energien konsequent voranzutreiben.
Nach Auffassung von Gerard Reid, Fellow bei der NGO Energy Transition Forum, steht die Welt an „einem kuriosen historischen Wendepunkt“. Länder müssten sich entscheiden, ob sie Ölstaaten bleiben oder zu Elektrostaaten werden wollten. Reid: „Leider scheint von der Leyen entschlossen, diese Chance zu verspielen, indem sie Europas Ölstaat-Referenzen aufpoliert und sich zu kostspieligen Importen fossiler Brennstoffe verpflichtet.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche
Im Klassenkampfmodus
Jan van Aken
„Keine Solidarität mit Hungermördern“
Jeanswerbung mit Sydney Sweeney
White Supremacy Sells
Zahlen der Jobcenter
Keine Belege für eine große Bürgergeld-Mafia
100. Geburtstag von Mikis Theodorakis
Unser Mikis
Schluss machen mit Spotify
Es ist aus