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Umstrittene Kunstaktion vor BundestagKunstaktivisten entschuldigen sich

Das Zentrum für Politische Schönheit reagiert auf die harsche Kritik an seiner jüngsten Aktion. Die Schoah-Gedenksäule soll verhüllt werden.

Der Kern, in dem die Asche zu sehen ist, soll verhüllt werden Foto: Reuters/Hannibal Hanschke

Berlin taz | Die neuste Aktion des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS) erzeugte in den letzten Tagen viele Reaktionen. Harsche Kritik aus Politik und Verbänden sowie mehreren Strafanzeigen waren die Folge der Installation der „Widerstandssäule“ vor dem Reichstagsgebäude. Denn angeblich befindet sich in der Säule die Asche von Holocaust-Opfern. Nun sah sich das Künstlerkollektiv offenbar zu einer Entschuldigung gezwungen. In einer Stellungnahme versuchen die Aktivisten die Wogen zu glätten und ziehen erste Konsequenzen.

In dem Dokument, das am Mittwoch veröffentlicht wurde heißt es: „Wir bedauern aufrichtig, dass wir den zentralen Wirkungsaspekt unserer Arbeit nicht erkannt haben“. Man habe nie vorgehabt, Gefühle Überlebender und Betroffener zu verletzen und entschuldige sich bei den jüdischen Verbänden, Institutionen und Einzelpersonen.

Auch Konsequenzen werden gezogen: Das Kernstück der Säule, in dem die Asche zu sehen ist, soll verhüllt werden. Auf der Homepage sammelten die Aktivisten bis heute Spenden zur Finanzierung der Aktion. Dieses Crowdfunding wird in der Stellungnahme für beendet erklärt. Außerdem wird der für Samstagmittag geplante „Zapfenstreich gegen die AfD“ abgesagt. Auf die Frage, wohin mit der Asche, hat das Zentrum für Politische Schönheit allerdings „keine Antwort“.

Mit der Säule sollte im Sinne des ZPS, die CDU gemahnt werden, nicht mit der AfD zu koalieren. Die Aktion solle außerdem darauf hinweisen, dass es für viele Ermordete kein würdiges Gedenken gebe.

Mit der Aktion stießen die Aktivisten aber vor allem auf Unverständnis. Der Grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck erstattete Strafanzeige, jüdische Verbände kritisierten die Aktion scharf. Der Zentralrat der Juden sprach von einer „Unvereinbarkeit mit dem jüdischen Religionsgesetz“, während Beck in der Aktion eine strafbare Störung der Totenruhe erkannte.

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24 Kommentare

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  • Konsequenz zeigen heisst für mich, nach der geschmacklosen Entgleisung nur noch Auflösung der politischen "Schönheit"

  • „ Auf die Frage, wohin mit der Asche, hat das Zentrum für Politische Schönheit allerdings „keine Antwort“„

    Einfach wieder zurückbringen. An alle Orte wieder ausstreuen. Ohne jegliches Mediengedöns drumrum!

  • "komplette Ignoranz der Mehrheitsgesellschaft gegenüber dem Judentum." - aber wollte das ZPS nicht die Ignoranz den ermordeten Juden gegenüber, die sich in der Mehrheitsgesellschaft breit macht abhelfen? Ich verstehe diesen Drang, unbedingt das Schlechte herausarbeiten zu wollen, nicht. Die Intention war uneingeschränkt unterstützenswert. Wenn jemandem die Form nicht passt - gut das passiert, Gründe gibt es für alles und immer viele davon, aber der Inhalt, die Aussage, der Finger in der Wunde... das kann man doch nicht einfach wegwischen.

    • @My Sharona:

      "- aber wollte das ZPS nicht die Ignoranz den ermordeten Juden gegenüber, die sich in der Mehrheitsgesellschaft breit macht abhelfen?"

      Im Leben nicht, es ging um größtmögliche Aufmerksamkeit für die eigene Aktion und dafür eignen sich leider tote Juden in Deutschland.

      Machen wir mal ein kleines Gedankenspiel, wir tauschen mal Jude gegen eine andere Opfergruppe des 3. Reiches, wie Roma oder Zeugen Jehovas oder Homosexuelle oder sagt einfach es sind Opfer des Nationalsozialismus, what ever.

      Hat man aber nicht, hätte nicht so anklagend geklungen...

      • @Sven Günther:

        ach ja?



        Sie können es auf politicalbeauty.de/ nachlesen: es ist dort meistenteils von opfern des nationalsozialismus die rede!

      • @Sven Günther:

        "Im Leben nicht, es ging um größtmögliche Aufmerksamkeit für die eigene Aktion und dafür eignen sich leider tote Juden in Deutschland."

        Vollkommen richtig! Und selbst das haben [...] [sie] versaut. Unabhängig davon, ob nun tatsächlich menschliche Überreste für diese "Kunstaktion" verwendet wurden. Allein die Behauptung ist eine unglaubliche Respektlosigkeit gegenüber den Opfern, die, zu wirklich allen Überfluss, zu einer Enthemmung bei heute lebenden, potenziellen, antisemitischen Tätern führen könnte.

        Entweder haben sie beim ZPS diese Gefahr nicht gesehen, das würde beweisen, daß sie vollkommen von der Realität entkoppelt sind. Oder sie sahen sie und haben sie einfach ignoriert.

        Außerdem: von Papens Totenruhe wurde nicht gestört, hier haben sie sich lediglich den Grabstein "ausgeborgt". Somit haben diese von allen guten Geistern verlassenen Vollidioten einen Wegbereiter der damaligen Täter mehr Respekt entgegengebracht als den damaligen Opfern.

        Kommentar geändert. Die Moderation

      • @Sven Günther:

        ich wusste nicht, dass Aufmerksamkeit eine Sache schon falsch macht - die Aktion des ZPS ist ja nicht selbstdienlich gewesen, die haben ja nichts davon

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @My Sharona:

          Alle Aktionen des ZPS sind nur und ausschließlich selbstdienlich.

          Sie leben von der Steigerung von Aktion zu Aktion und übergehen dabei Betroffene.

          Das war so bei der Höcke-Aktion und so war es bei der Aktion jetzt auch.

          Wenn man sich für den Schwachsinn, den manche als theoretische Unterfütterung der ganzen Veranstaltung ansehen, interessiert, wird man hier bedient:

          konkret-magazin.de...s-der-idiotie.html

          Die Aktionen des ZPS erinnern schwach an Schlingensief. Allerdings minus Intelligenz und minus Empathie.

        • @My Sharona:

          Aufmerksamkeit ist überhaupt nichts verwerfliches, es kommt immer nur darauf an wie man die erzeugt.

          Wenn ich gegen Antisemitismus protestieren will und dafür eine Chanukkia in den Rasen vorm Reichstag brennen würde, erzeugt das Aufmerksamkeit, nur ob das meinem Anliegen nützen würde, wage ich mal zu bezweifeln.

  • Meiner Ansicht nach wurde diese fadenscheinige Diskussion künstlich entfacht denn die Aktion hat voll ins Schwarze getroffen - in beiderlei Wortsinn.



    Für mich völlig unverständlich wie Leute eine Störung der Totenruhe vermuten können - nichts, nichts auf dieser Welt kann eine eindringlichere Mahnung sein wie die Opfer selbst - oder dass, was von diesen Menschen noch übrig ist.



    Aber grade Das ist nur schwer zu ertragen - denn man kann nicht einfach wegschauen, übersehen oder Gras darüber wachsen lassen.

    • @Bolzkopf:

      Die Diskussion ist nicht fadenscheinig, sie zeigt leider mal wieder treffend die komplette Ignoranz der Mehrheitsgesellschaft gegenüber dem Judentum.

      Ist ja nicht so, das es sich hier um eine total neue Problematik handeln würde und immer ist man überrascht und ist dann beleidigt, weil die jüdischen Mitbürger nicht dankbar sind, denn eigentlich wollte man doch nur Gutes tun.

      So wie hier zum Beispiel.

      "Darf man die Totenruhe der 30 Juden, die auf dem verwahrlosten Häftlingsfriedhof des ehemaligen KZ-Außenlagers Flößberg begraben wurden, stören und sie in guter Absicht umbetten? Um diese Frage entwickelte sich eine Auseinandersetzung, mit der die Initiatoren der Umbettung nicht gerechnet hätten."

      www.deutschlandfun...:article_id=176295

    • @Bolzkopf:

      Ach, und das entscheidest Du als (mutmaßlich) nichtjüdischer Deutscher über die Köpfe von KZ-Überlebenden und jüdischen Menschen hinweg?

      • @Suryo:

        Was hat er denn hier entschieden?

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @Bolzkopf:

      Ging und geht mir ähnlich. Als ich zuerst von der Aktion las, dachte ich auch: "ins Schwarze"!



      Das in andere Länder ausgelagerte Grauen und Töten an den Ursprung zurückholen, wo man es anschauen MUSS. Damit hoffentlich einige einsehen, wohin das Kokettieren mit Nationalismus führt.



      Dann kam der Aufschrei. Der Einwand mit der ewigen Totenruhe jüdischer Opfer lasse ich gelten, die Kritik jüdischer Verbände auch.



      Dass sich so viele jetzt aber zur empörtenVerteidigung der Pietät aufschwingen, erscheint mir auch fadenscheinig.



      Die hinter der Aktion stehenden Absichten und Überlegungen waren grundsätzlich richtig.

  • Aktivisten, Aktionskünstler und Kreative? Sind das alles gescheiterte Existenzen?

  • Tja, das kommt dabei raus, wenn man glaubt, Religion spiele keine Rolle mehr. Ich hab noch in der Schule gelernt, dass ein Grab im Judentum unverletzlich ist.

  • Der Zapfenstreich gegen die AfD wird also abgesagt. Dann dürfen jetzt bitte alle, die sich übers ZPS empörten, in die Bresche springen und mal was bewegen...

    • @My Sharona:

      Es redet doch absolut NIEMAND über die AfD, sondern alle nur über dieses "Kunstwerk" und das ZPS. Klarer Fall von mißratenem Schockeffekt.

      • 9G
        92489 (Profil gelöscht)
        @Suryo:

        Auf der anderen Seite wird ja schon eine Verknüpfung geschaffen zwischen Holocaust, AfD und Skandal (und ZfP). Die psychologischen Effekte von sowas sind glaub nicht zu unterschätzen. Ich persönlich habe z.b. in dem Zusammenhang schon über die AfD nachgedacht. Und sie haben zumindest das Kürzel niedergeschrieben...

  • So, sie wissen also nicht was mit der Asche, in de sich sterbliche Überreste befinden (oder auch nicht?) nach Ende der Aktion machen sollen? Also planloser Aktionismus als Kunst? Das Kann ich mir bei den Profis des ZPS nun wirklich nicht vorstellen.



    Ich denke eher, hier hat die Möglichkeit eine auf die Schnelle vor Weihnachten nicht unerhebliche Menge an Spendengeldern zu aquirieren eine sorgfältige Planung schlicht und ergreifend torpediert.



    Das wird meiner Meinung nach dem Geschäftsmodell in Zukunft leider keinen Abbruch tun.

    • @ChristianP:

      "Profis"?

      Mir kommen diese Leute sehr dilettantisch vor bei gleichzeitig narzisstischer Egopflege.

      Und was meinen Sie mit "Geschäftsmodell"? Habe ich irgendwas verpasst?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Na immerhin. Das hätte ich denen gar nicht zugetraut. Respekt dafür.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Ich auch nicht.

      Die nächste zumindest egozentrische Aktion wird wohl allerdings nicht lange auf sich warten lassen.

    • RS
      Ria Sauter
      @88181 (Profil gelöscht):

      Das unterscheidet sie von den rechten Dumpfbacken.



      Die Aktion war ohne jeden Respekt . Das haben sie jetzt begriffen.



      die gestohle Grabplatte aus Wallerfangen des von Papen sollte auch zurückgegeben werden. EinFoto davon reicht auch aus.