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Umstrittene Gas-PipelineNord Stream 2 wird weitergebaut

Trotz US-Sanktionsdrohungen ist der Pipeline-Bau nahezu abgeschlossen. Das russische Rohrlegerschiff „Fortuna“ liegt in der dänischen Ostsee.

Die Position des russischen Verlegeschiffs Fortuna vor der Ostseeinsel Bornholm (Dänemark) Foto: Jens Büttner/dpa

Moskau/Berlin AFP/taz | Ungeachtet neuer Sanktionsdrohungen der USA baut das Unternehmen Nord Stream 2, das zum russischen Staatskonzern Gazprom gehört, seit Sonntag weiter an seiner gleichnamigen Gas-Pipeline. Die Arbeiten fänden „in Übereinstimmung mit den erhaltenen Genehmigungen“ statt, teilte das Unternehmen in Moskau mit.

Das russische Rohrlegerschiff „Fortuna“ befand sich am Sonntag rund 15 Seemeilen (rund 28 Kilometer) von der dänischen Insel Bornholm entfernt, wie Daten der Ortungsdienste Vesselfinder und Marine Traffic zeigten. In der Nähe befanden sich demnach mehrere russische Schiffe, die die „Fortuna“ bei den Arbeiten unterstützen sollen.

Nord Stream 2 soll das Potenzial für russische Gaslieferungen nach Deutschland deutlich erhöhen. In der EU ist das Neun-Milliarden-Euro-Projekt seit langem umstritten und auch die USA lehnen es ab. Die Bundesregierung steht weiterhin hinter dem Vorhaben. Der Pipeline-Bau ist nahezu abgeschlossen, es stehen vor allem noch Arbeiten in dänischen Gewässern aus.

Anfang Dezember waren die Arbeiten an der 1200 Kilometer langen Pipeline durch die Ostsee in deutschen Gewässern wieder aufgenommen worden, nachdem sie wegen US-Sanktionen fast ein Jahr lang unterbrochen gewesen waren. In Dänemarks Gewässern ist die Fortsetzung des Baus seit dem 15. Januar wieder erlaubt.

Konflikt spitzt sich nach Nawalny-Verhaftung zu

Zunächst wurde aber die Amtsübernahme des neuen US-Präsidenten Joe Biden am vergangenen Mittwoch abgewartet. Kurz zuvor hatte die Regierung von Bidens Vorgänger Donald Trump die Bundesregierung informiert, dass gegen die „Fortuna“ US-Sanktionen verhängt würden.

Kritik an der Pipeline gibt es aus ganz verschiedenen Gründen: Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen warnen, dass eine derartige Investition in fossile Infrastruktur der nötigen Minderung der CO2-Emissionen im Weg stehe.

Andere befürchten eine Schwächung alternativer Pipelines und traditioneller Transitländer, etwa der Ukraine. Speziell die USA dürften auch die Konkurrenz auf dem Gasmarkt fürchten, denn sie wollen in Europa verstärkt Flüssiggas verkaufen.

Für zusätzliche Kritik hatte zuletzt die Verhaftung des prominenten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny nach seiner Rückkehr nach Russland gesorgt. Das EU-Parlament forderte daraufhin in einer Entschließung vom Donnerstag einen Baustopp für das deutsch-russische Pipeline-Projekt.

Duda bereit zu einem Konsens

Polens Staatschef Andrzej Duda sprach sich in einem am Sonntag veröffentlichten Interview für weitere EU-Sanktionen gegen Russland wegen des Vorgehens der russischen Sicherheitskräfte gegen Proteste von Nawalnys Anhängern aus.

„Wenn man internationales Recht durchsetzen will, ist die einzige Möglichkeit ohne Gewehre, Kanonen und Bomben die der Sanktionen“, sagte Duda der Financial Times. „Deshalb sind wir bereit, zu einem Konsens in dieser Frage beizutragen.“

Nawalny war im Sommer in Russland mit einem Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden und in der Folge in Berlin behandelt worden.

Direkt nach seiner Rückkehr nach Russland wurde Nawalny am Sonntag festgenommen und später im Eilverfahren wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen zu 30 Tagen Haft verurteilt. Bei landesweiten Protesten dagegen wurden am Samstag mehr als 3.500 Menschen festgenommen.

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9 Kommentare

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  • wo ist eigentlich der linke Zeitgeist der 68er, als man noch gegen Menschenrechtsverbrechen auf die Strasse gegangen ist? Heute haben "Linke" offenbar nichts besseres zu tun, als Putins Terror-Regime bei jeder Gelegenheit zu verharmlosen und zu verteidigen...sollte Northstream 2 wider erwarten doch noch angeschlossen werden (was mit dem Fischkutter Fortuna wahrscheinlich in absehbarer Zeit kaum möglich sein dürfte), würde das Regime Putin keine Hemmungen mehr haben, der Ukraine den Rest zu geben. Mitschuld hätte daran Deutschland, das schizophrenerweise gleichzeitig erfolglose Friedensverhandlungen in Minsk betreibt. Und übrigens für alle Umweltexperten: auch russisches Gas wird teulweise durch Fracking gewonnen...

  • „ Wenn man internationales Recht durchsetzen will, ist die einzige Möglichkeit ohne Gewehre, Kanonen und Bomben die der Sanktionen“, sagte Duda der Financial Times. „Deshalb sind wir bereit, zu einem Konsens in dieser Frage beizutragen.“

    Liest sich lustig, wenn man die Entwicklung von Polen und Ungarn so betrachtet.

    Ich sehe nirgends, dass der Handel mit autokraten Staaten bzw. Menschenrechte verletzenden Ländern aufhört oder eingeschränkt wird (manche sind sogar in der EU). Noch nicht einmal Waffengeschäfte unterbleiben, heimische Firmen und Immobilien werden fleißig an Oligarchen/Heuschrecken aller Herren Länder verscherbelt.

    Man sollte Nord Stream 2 darum nur vom Umweltschutzaspekt betrachten. Inwieweit dabei allerdings der Katastrophenplan „Flüssiggas mit Tankern aus USA“ und „Monsterplan Stade“ dazu beitragen soll, ist mir schleierhaft.

    Entweder wir „zaubern“ uns innerhalb des nächsten Jahres eine Energieversorgung ohne Braunkohle und Gas oder wir versuchen, Putin beiderseitiges Interesse zu veranschaulichen.



    Außerdem sollten vielleicht endlich mal bürokratische Hindernisse in punkto Umweltenergien beseitigt werden.



    Und was ist umwelttechnisch gut daran, km-lange Rohre unnutzbar im Meer liegen zu lassen?

  • Nun, die Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) spricht sich für den Weiterbau der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 aus. Recht hat sie.

    Die Ukraine-Pipeline ist in einem schlechten Zustand und muss rundum erneuert werden. Das kostet gewaltig CO2.

    Während Nordstream 2 fast fertig ist.

    Verglichen mit einem Stein- oder Braunkohlekraftwerk, verursacht ein Gaskraftwerk bis zu 30 Prozent weniger CO2-Emissionen pro Kilowattstunde (kWh). Gleichzeitig ist es der wichtigste Garant für eine sichere Versorgung, wenn Wind und Sonne aufgrund des Wetters kaum einen Beitrag zur Stromerzeugung leisten können.

    Durch den Ersatz der Braunkohleverstromung mithilfe von Gaskraftwerken ab 2021 würden jährlich etwa 70 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Das wäre immerhin fast die Hälfte der Menge, die laut dem Plan der Bundesregierung bis 2030 von der Energiebranche eingespart werden sollen.

    Und es stehen genug Gaskraftwerke fast ungenutzt und nagelneu in der Gegend herum. Da muss nichts neu gebaut werden.

    Also Gaskraftwerke sind gut für eine Übergangszeit, so auch die Argumentation der Bundesumweltministerin.

    In der Zwischenzeit gibt es zudem deutlich billigere Methoden, CO2 einzusparen. Beispielsweise durch die Verlagerung des zunehmenden Güterverkehrs von der Straße, auf Schienen- und Schiffstransport.

    In Deutschland sträflich vernachlässigt.

    Genauso wie die Photovoltaik. Mein Gott, was hätte man da in den letzten 20 oder 30 Jahren machen können! So auch geothermische Kraftwerke.

    Und Grüner Wasserstoff wird in riesigen Mengen gebraucht werden.

    Bis wir endlich soweit sind, ist Gas hilfreich. Und selbstverständlich kein amerikanisches Fracking-Gas, welches sogar noch per Schiff hierher transportiert werden müsste.

    Für die Pipeline wurden insgesamt 200.000 Rohre mit einer Länge von jeweils zwölf Meter und einem Gewicht von etwa zwölf Tonnen benötigt. Nahezu 1200 Kilometer wurden bisher bereits gelegt. Fast fertig also.

    • @shantivanille:

      Wenn Sie sich um den schlechten Zustand von Russlands Pipelines ernsthaft Sorge machten, müssten Sie sich diese schon näher anschauen und nicht nur das kurze Stück durch die Ukraine. Fakt ist, dass die Gazprom mehr als die Hälfte ihrer Leitungen erneuern müsste, da diese Großteils das Ende ihrer Lebenszeit erreicht haben. Macht sie das nicht, ist es um die langfristige Energieversorgung durch Russland schlecht bestellt.



      Das Problem: die Gazprom - ein äussert schlecht geführter Konzern - hat das Geld für die erforderliche Sanierung gar nicht. Es geht um ca. 240 Milliarden USD die hierfür aufgewendet werden müssten. Das ist viel Geld, Geld das die Gazprom nicht hat. Die ist jetzt schon über beide Ohren verschuldet.



      Schon der Bau und der Anschluss von NS2 an das bestehende Netz hat 17 Milliarden gekostet.



      Warum baut die Gazprom eine Pipeline, die es nicht braucht, statt ihr Netz zu sanieren. Funktioniert dieses Netz nicht mehr, kann sie nicht mehr, sondern immer weniger verkaufen.

  • Ehrlich gesagt habe ich so den Eindruck, dass man im Westen so ein bisschen raus hat wie der Putin tickt und ihn so immer wieder in die Scheisse greifen lässt. Wundert mich schon, wie jemand der Kriege im nahen Osten diplomatisch unter Kontrolle kriegt sich immer wieder so vorführen lässt.

    Das Schiff für die Pipeline ist endlich da, Navalny entschließt sich genau jetzt nach Russland zurückzugehen und schwupps wird er verhaftet. Damit hätte man auch zwei Monate warten können und ihn erstmal voll gegen die Wand laufen lassen.

    • @Imto:

      Ah, ein Freund der russischen Kanonenbootdiplomatie...

      Russland bekommt herzlich wenig auf die Reihe. Wer die Hizbollah und Assad mit Waffen, Mannschaft und Munition versorgt, hat nicht gerade den Frieden im Sinn.

  • „Nord Stream 2 wird weitergebaut“

    Warum denn auch nicht? Das Projekt wurde genehmigt und ist nahezu fertig. Ein öffentliches Interesse an unfertigen Bauruinen gibt es nach meiner Kenntnis hier nicht und unerwünschte Abhängigkeiten von Russland ergeben sich doch allein aus dem Bau einer weiteren Pipeline noch lange nicht, zumal ja offenbar zahlreiche andere Gas-Anbieter auch mit auf dem Markt sind. Solange der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ordnungspolitisch weiterhin so abgebremst wird wie zuletzt, wird man Gas leider auch in absehbarer Zukunft noch dringend brauchen, zumal es ideal geeignet ist zur dynamischen Lastabdeckung.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Die USA will ihr eigenes klimaschädliches Fracking Gas vekaufen! Die Ukranie will das Geld behalten das Sie mit einer veralteten defekten klimaschädlichen Pipeline verdient.

    Alternativ wird eine weitere Pipeline von Russland in die Türkei gelegt. Nur wenige Kilometer nach Bulgarien oder Rumänien, also Abnehmer in der EU. Die Türkei, oder Zypern oder Israel werden bald Erdgas direkt in die EU liefern.

    Nord Stream 2 ist aus geopoltischen Gründen sicherlich ein Vorteil für Deutschland. Eine Abhängigkeit wiord nicht passieren da es Alternativen gibt.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      LNG kann man aus der ganzen Welt beziehen, nicht nur aus USA. Gas aus dieser Pipeline nur von der Gazprom, aus einer Pipeline, die es nicht braucht.