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Umgang mit der AfDBundestagspräsidentin Julia Klöckner will vermitteln

Die AfD sitzt nach ihren Wahlgewinnen mit einer größeren Fraktion im neuen Bundestag. Was heißt das für den Parlamentsbetrieb und wichtige Ämter?

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) will vermitteln – ist selbst aber schon mit zweifelhaften Aussagen zur AfD aufgefallen Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin dpa | Bundestagspräsidentin Julia Klöckner schaltet sich in die Debatte um den Umgang mit der AfD bei parlamentarischen Abläufen und Funktionen ein. „Die Fraktionen untereinander müssen sich absprechen, wie sie mit der AfD umgehen wollen“, sagte die CDU-Politikerin der Bild am Sonntag. Für den gesamten Bundestag, für den sie spreche, gelte die Geschäftsordnung. „Keine Fraktion, kein Abgeordneter wird vom Präsidium anders behandelt als andere.“ Klöckner kündigte auch an, in strittigen organisatorischen Fragen zu vermitteln.

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn hatte sich dafür ausgesprochen, mit der AfD im Parlamentsbetrieb so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien auch. Dies löste eine Kontroverse aus. Zum Start der Wahlperiode stehen Abläufe und auch praktische Fragen wie Sitzungssäle im Blickpunkt. Seit dem Bundestagseinzug der AfD 2017 fielen alle ihre Bewerber als Vizepräsidenten durch. In der vergangenen Wahlperiode ging die AfD bei Ausschussvorsitzen leer aus. Sie ist nun zweitstärkste Fraktion mit 152 statt zuvor 77 Abgeordneten.

Ältestenrat als Klärungs-Gremium

Zur Frage, ob AfD-Politiker Ausschüsse leiten sollten, sagte Klöckner: „Das wird jetzt besprochen. Das ist jetzt Sache der Fraktionen. Und wenn die Fraktionen sich nicht einigen, wird das in den Ältestenrat gebracht. Und da werde ich vermitteln.“

Ob ausgerechnet sie dafür geeignet ist, bleibt fraglich. Anfang Januar 2025 schrieb Julia Klöckner auf Social Media: „Für das, was Ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU“. Nach Kritik löschte sie den Beitrag.

Dem Ältestenrat, der auch strittige organisatorische Fragen klärt, gehören die Bundestagspräsidentin, ihre Vizes und weitere Abgeordnete an, wobei die Mehrheitsverhältnisse des Bundestags abgebildet sind.

In der künftigen schwarz-roten Koalition pocht die SPD auf eine weitere klare Abgrenzung zur AfD. Parteichef Lars Klingbeil sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Ich bin irritiert über diese Diskussion, die unnötig und falsch ist.“ Klingbeil sprach auch von einem internen „Foulspiel“ gegen CDU-Chef Friedrich Merz nach den Vereinbarungen für eine neue Koalition.

SPD warnt vor Belastung der Koalition

Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner sagte dem Handelsblatt: „Wenn Konservative das Verhältnis zur rechtsradikalen AfD normalisieren, also auf Deutsch gesagt, sich annähern wollen, legen sie die Lunte an eine mögliche Koalition mit der Sozialdemokratie.“ Die AfD habe Vorschlagsrechte wie jede andere Fraktion. „Das Anrecht, gewählt zu werden, hat dagegen niemand“.

Auch aus der Union kam Kritik. Der Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels, Dennis Radtke, nannte die Debatte in der taz überflüssig und schädlich. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass die Geschäftsordnung des Bundestages zulasten der AfD nicht verletzt worden sei.

Streit um Vize-Posten schon bei Grünen und Linke

Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte kürzlich daran erinnert, dass die Grünen nach ihrem Bundestagseinzug 1983 mehr als zehn Jahre warten mussten, bis sie zum ersten Mal im Präsidium vertreten waren. „Damals gab es noch Zweifel an ihrer parlamentarischen Gesinnung“, sagte er dem Portal „ntv.de“. Ungewöhnliche Umstände gab es auch 2005. Damals fiel der Linke-Vorsitzende Lothar Bisky viermal als Vizepräsidentenkandidat durch. Im April 2006 wurde dann die Linke-Abgeordnete Petra Pau ins Amt gewählt.

Aktuell beansprucht die AfD auch den zweitgrößten Fraktionssaal, in dem bisher die SPD tagt. Klöckner sagte, über die Raumverteilung entscheide der Ältestenrat. „Ich werde dort auch versuchen, zu vermitteln.“ Sie wies darauf hin, dass AfD und SPD wenige Prozente trennten, was 32 Abgeordneten entspreche. Als Regierungspartei werde die SPD in Fraktionssitzungen auch Beamte und Bedienstete dabeihaben. „Grundsätzlich sage ich, es gelten die gleichen Regeln für alle. Und am Ende entscheiden Mehrheiten. Aber die AfD muss auch angemessen tagen können.“

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16 Kommentare

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  • taz: *Umgang mit der AfD - Bundestagspräsidentin Julia Klöckner will vermitteln*

    Möchte Frau Klöckner (CDU) 'vermitteln' oder schon mal schauen ob man der AfD nicht auch die Hand reichen kann? Das muss die Bundestagspräsidentin natürlich auch alles sofort dem Politik-Fachblatt 'Bild am Sonntag' erzählen. In welche unsicheren Gewässer die Merz-CDU da segelt, sollte wohl jedem klar sein, der sich in Deutsche Geschichte etwas auskennt. Wer aber noch etwas Unterricht benötigt, dem empfehle ich den Beitrag aus der Sendung Mitternachtsspitzen, wo der Kabarettist Christoph Sieber das alles noch mal sehr gut zusammengefasst hat.

    ***Mitternachtsspitzen, 23.11.2024, WDR*** www.youtube.com/watch?v=UnEWiP0bsVE

    • @Ricky-13:

      Die Mitternachtsspitzen hatte ich nicht gesehen.



      Aber nach dem Vortrag konnte man eine Stecknadel fallen hören. Was sehr beeindruckend.

  • All das Gezanke, Gerede und die Profilierungsversuche halten unsere Politiker davon ab, endlich etwas für alle Bürger zu TUN.



    Alle die hier leben müssen spüren dass die Politik sie nicht vergessen hat! Dazu gehören gute Lebensumstände, gute Bildung, gleiche Chancen für Alle, gutes Essen in der Kita, Zukunft und Herausforderungen für die Jugend, eine gute Bahn und so weiter.

    Es gibt viel zu tun, aber sehr wenig für Bürger gemacht.

    Wenn unsere Industrie "jammert", geht es hingegen ganz schnell.

    Dieser Unterschied fällt auf. Eine auf Industrie ausgerichtete Politik ist verfehlt und spielt den Rechtsradikalen in die Hände!

  • Da gibt es nichts zu vermitteln! Die AfD ist eine demokratiefeindliche Partei, die unsere Demokratie zerstören will. Es ist alles zu tun, dies zu verhindern. Laut Bundesverfassungsgericht stehen der AfD keine Ausschussvorsitze im Bundestag zu, Basta! Zeigen wir, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind. Spahn, Klöckner und deren Mitläufer sollten doch aus der Geschichte gelernt haben. Für Spitzenämter sind sie nicht geeignet.

  • Beide 'Parteien' , die CDU und die AfD, sind eine Heimsuchung, die sich beide bedingen: Wäre die CDU eine (noch?) christlich-soziale Partei, die auch die Anliegen der Mehrheit der einfachen Leute im Blick hat und nicht die Realität durch Populismus verkleistert, nur um an der Macht zu bleiben, gäbe es keine AfD. So sehen die früher einmal 'Christlichen' die AfD nur als eine Konkurrenzpartei, die nur ein Bisschen beteiligt werden müsste, um sie wieder klein zu machen.

    • @Dietmar Rauter:

      Jetzt müssten Sie noch erklären, warum die Wähler nicht die SPD, die Linke oder das BSW wählen, wenn ihnen die Angelegenheiten der Mehrheit der kleinen Leute wichtig ist.

      Den Aufstieg einer Defizitpartei können Sie doch nicht durch das Versagen einer einzelnen Partei erklären.

      Übrigens ist die CDU gar nicht an der Macht. Wir hatten gerade eine Ampel-Regierung.

      "Nur um an der Macht zu bleiben " passt nicht.

      • @rero:

        „Den Aufstieg einer Defizitpartei können Sie doch nicht durch das Versagen einer einzelnen Partei erklären.“



        Das ist zweifellos so richtig wie banal. Sie können allerdings auch nicht den Aufstieg des (neuen) Faschismus erklären, ohne Ross und Reiter beim Namen zu nennen, d.h. diejenigen Worte und Taten aufzuzählen, die für diese Entwicklung konkret verantwortlich sind.



        Sonst müssten Sie möglicherweise postulieren, dass der parlamentarischen Demokratie selbst - analog zur Debatte um das Scheitern der Weimarer Demokratie - eine Art Defekt oder ein Geburtsfehler innewohnt, der sie anfällig und wehrlos im Kampf gegen die Demokratiefeinde macht.



        Ich kann mir allerdings nur schlecht vorstellen, dass Sie sich die Stossrichtung einer solchen Argumentation zu eigen machen.

        • @Abdurchdiemitte:

          Viele Leute, die klüger sind als ich, haben bereits erklärt, warum die Analogie "Weimarer Republik" nicht passt.

          Mich haben die überzeugt.

          Für Dietmar Rauter war es gar nicht banal, dass auch die anderen Parteien irgendwie damit zu tun haben.

          So zumindest mein Eindruck.

          Gerade beim Benennen von Ross und Reiter fehlte es mir deshalb.

          • @rero:

            Auch ich würde die CDU - an der ich ansonsten kaum ein gutes Haar lasse - im Zusammenhang mit Heimsuchung nicht mit der AfD in einem Atemzug nennen.



            Wenn man schon von Gefahren für die Demokratie spricht, muss man alle demokratischen Parteien gleichermaßen an ihre Verantwortung gemahnen, nicht alleine die CDU. Und ich habe sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass die Kontroverse, wie mit der AfD im parlamentarischen Betrieb zu verfahren sei, vor allem quer durch die CDU-Fraktion geführt wird - meine Kritik richtet sich also mehr an die Spahns und dessen Unterstützer als an die Kiesewetters und Wanderwitz.



            Allerdings ist die Abgrenzung in den anderen Fraktionen (SPD, Grüne, Linke) eindeutiger. In der Union scheint man noch nicht vollumfänglich erkannt zu haben, um was für eine Partei es sich bei der AfD handelt.

  • Darf ich das hier schreiben das ich es nicht möchte das Frau Klöckner "Vermittelt"? Auch in der Weimarer Republik hat das Zentrum versucht zu vermitteln, sich die Rechtsextremen zu eigen zu machen um an die Macht zu kommen.



    Vielen Dank Frau Klöckner. Aber mit hat die Aktion an den Verbraucherschutzrechten verumzunestlen schon gereicht.

  • Klöckner redet keinen kompletten Unfug, doch dass sie für dieses Amt nicht einmal ausreichend Reputation hat, wird auch hier wieder mehr als klar. Wer hört ihr denn nach ihren früheren Handlungen noch ernsthaft zu?

  • Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los das einige aus der Union



    gerne mit dem Feuer spielen wollen?



    Diese ständigen Versuche die AfD zu normalisieren fällt mittlerweile auf.

    • @Captain Hornblower:

      Die Union schaufelt sich damit ihr eigenes Grab, die Konservativen müssten die Rechtsextremen am heftigsten bekämpfen, die Union müsste geschlossen für den Verbotsantrag stimmen.



      Es ist zum Verzweifeln, offensichtlich hat man aus den Fehlern der Geschichte nichts gelernt, das Zentrum (als Vorgänger der Union) hat in der Weimarer Republik für das Ermächtigungsgesetz gestimmt und wurde ebenso von den Braunen zermalmt wie der Rest des Parteiensystems.



      Spahn, Klöckner, alle intellektuellen Leichtmatrosen bei den Schwarzen sind ebenso blind wie die Führung der Union, das dümmliche Nachplappern der AfD-Parolen ist genauso schädlich wie die schrittweise „Normalisierung“ der Rechtsextremen.



      Kein Jota mehr als das juristische Minimum darf die AfD erhalten, dazu Verbotsantrag und endlich eine wirksame und offensive politische Bekämpfung dieser Verfassungsfeinde, die Glaceehandschuhe ausziehen und endlich klar für die Demokratie und den Rechtsstaat einstehen. Es reicht wirklich!

      • @Bambus05:

        So ist das zu sehen.

  • Das Wort „vermitteln“ impliziert, dass es einen einfachen Streit gäbe. Das ist eine schlimme Verharmlosung der Situation, in der eine Partei das demokratische System zersetzen will. Klöckner unterstützt mit ihrer Aussage genau das: Die Zersetzung unserer Demokratie.

    • @Mareneff:

      "Klöckner unterstützt mit ihrer Aussage genau das: Die Zersetzung unserer Demokratie."



      Das muss halt nur richtig vermittelt werden.

      Brr, mir schaudert.