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Umgang mit ObdachlosigkeitHelfen per App oder Verschreibung

Eine App will das Spenden für Obdachlose erleichtern – raubt ihnen aber die Würde. In Hawaii könnten Ärzte bald Wohnungen verschreiben.

Das Gegenteil von gut geholfen ist gut gemeint Foto: reuters

Seit vier Jahren ist Marcellus obdachlos in Philadelphia. Doch nun hat er endlich Hoffnung, wenn man einem Online-Video glauben darf: „Obdachlos sein ist nicht leicht. Hungrig aufwachen, hungrig einschlafen“, sagt der Mann mit dem grauen Bart in die Kamera. Dann hält er einen blauen Plastikchip hoch. „Aber das hier hat mir Essen verschafft. Es hat mir Kleidung verschafft, eine Dusche und all das.“

Das blaue Stück Plastik ist ein Bluetooth-Ortungsgerät – das mit der App StreetChange verbunden ist. Die will Gutes tun, nämlich spendenwillige Passanten mit bedürftigen Obdachlosen in Verbindung setzen. Die Obdachlosen sollen eine Wunschliste der Dinge anlegen, die sie gerade am besten bräuchten, etwa Socken, Regenmantel, Decke. Vorbeilaufende Menschen mit der App können sich diese Liste anzeigen lassen und entsprechend per App spenden.

Hört sich eigentlich gut an: Die Obdachlosen können ganz konkret sagen, wie man ihnen am besten helfen kann. Und Passanten können ganz konkret spenden. Super. Oder?

Nicht ganz. Um an dem App-Programm teilnehmen zu können, müssen die Obdachlosen von einem Sozialarbeiter betreut werden, in einem Fragebogen die langfristigen Ziele definieren sowie die Maßnahmen, die sie ergreifen wollen, um diese Ziele zu erreichen.

Neoliberale Zwänge

Nach eigenen Angaben haben die Ersteller der App, Andrew Siegel und Dan Treglia von der University of Pennsylvania, mit der Mental Health Association of Southeastern Pennsylvania zusammengearbeitet. Doch sie hätten besser noch Rat von Obdachlosen-Verbänden eingeholt.

Das Projekt tut zwar so, als würde es Obdachlosen ihre Freiheit und Würde lassen, indem diese selbst sagen, was sie am dringendsten brauchen. Doch gleichzeitig werden die Obdachlosen nun per App rund um die Uhr überwacht und in ein neoliberales System von Förderungen und Forderungen eingezwängt, das eigentlich nur kontraproduktiv wirken kann.

Wohnung ärztlich verschreiben

Eine andere Strategie wählt Hawaii, berichtet der Guardian: Dort haben Untersuchungen ergeben, dass die medizinischen Kosten zur Versorgung von Obdachlosen radikal sinken, sobald man ihnen ein Dach über dem Kopf verschafft hat. Nun will Senator Josh Green, selbst Mediziner, einen Antrag einbringen, dass Ärzte Obdachlosen statt Medikamenten auch Wohnungen verschreiben können.

„Wir geben das Geld für die Obdachlosen ja schon aus, nur bisher so ineffizient und teuer wie möglich“, sagt Green laut Guardian. „Die Ressourcen sind da, es fehlt nur der politische Wille.“

Natürlich wäre es Blödsinn, Obdachlosigkeit zu pathologisieren, indem man sie zu einer medizinischen Diagnose erklärt. Aber der Vorschlag dürfte auch Konservative und Neoliberale überzeugen, weil Kosten gesenkt werden.

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2 Kommentare

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  • Auf jeden Fall ein interessanter Ansatz der meiner Meinung nach in die richtige Richtung geht. Lieber das Übel gleich an der Wurzel bekämpfen als hinterher an den Symptomen herumdoktern.

     

    Das dürfte für viele Probleme ein weit sinnvollerer Lösungsansatz sein.

     

    Ob das mit einer Wohnung aber vielleicht übers Ziel hinausgeschossen ist bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall ein innovativer Versuch.

  • Leider versäumt der Artikel darzulegen, worin die Forderung in diesem "neoliberalen System aus Fördern und Fordern" besteht.

    Sind die Obdachlosen irgendwelchen Sanktionen ausgesetzt, wenn sie ihre Ziele nicht erreichen oder zu niedrig stecken? Werden sie permanent geortet (wie wir alle mit dem Handy)?

    Ist der Ansatz ihnen ganzheitlich helfen zu wollen nicht sinnvoll?

    Die Grundidee bleibt super - vllt. schaffen es ja die Obdachlosenverbände hierzulande auch sowas auf die Beine zu stellen.