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Umgang mit KriegFrieden ist eine Aufgabe

Es ist fahrlässig, Krieg erzählen zu wollen, als sei er ein populäres Strategiespiel. Frieden ist kein Zustand, er braucht die Mühen der Vielen.

Während einem Raketeneinschlag suchen die Menschen Schutz in der U-Bahn und informieren sich Foto: Vladyslav Musiienko/reuters

K rieg ist schlimm, das lernt man als Kind, auch wenn man das Glück hat, nicht von ihm umzingelt zu werden. Keine Ahnung, ob mir mal erklärt wurde, was Krieg bedeutet. Ist ja auch schwer. Aber es gab eine Zeit, in der wir als Antwort auf die Frage Was wünschst du dir?, die oft in Poesiealben stand, neben Zopfgummis und bedruckter Bettwäsche aufzählten: Dass es keinen Krieg gibt.

Frieden, das haben sie in der Schule gesagt, ist die Abwesenheit von Krieg. Das ist eine leere Definition. Wo einmal Krieg war, bleiben Einschusslöcher. Ich habe die letzten Monate viel über Frieden nachgedacht – das allein ist ein schuldiger Satz. Ich habe nachgedacht. Es ist grausam, dass Frieden den einen entrissen wird und die anderen deshalb an Küchentischen, in Restaurants oder Kolumnen über sein Wesen sinnieren.

Haben wir etwas über Frieden gelernt? Nichts Hilfreiches aus zig Texten über moderne Panzer, Luftabwehrsysteme und Militäranalysen. Ich weiß nicht, was das soll. Es ist nicht falsch, Krieg verstehen zu wollen, aber es ist fahrlässig, ihn zu erzählen, als sei er ein populäres Strategiespiel. Wenn ich etwas gelernt haben sollte über Krieg und Frieden, dann von den Menschen, die den russischen Angriffskrieg in der Ukraine erleben und von denen, die gegen das iranische Regime kämpfen.

Von denen, die unter fallenden Bomben schreiben, und während Luftalarm. Die vom Alltag in Bunkern berichten, von Angst und Gewöhnung, vom Gärtnern und vom Sterben. Die ihre Haare abschneiden, die sich auf Straßen küssen, die nach Freiheit rufen, die an Kränen hängen. Von denen, die geflohen sind, und von denen, die nicht fliehen konnten. Kann man nichts lernen, wenn man auf die Fotos ihrer Gesichter starrt? Ich bilde mir ein, sogar dann etwas zu lernen, wenn ich wegsehe.

Zerbrechlichkeit des Friedens

Dass es keinen Krieg gibt, ist ein guter Wunsch. Als Kind soll man nur wünschen, aber später muss man sich auch mit dem Machen beschäftigen, und vielleicht tun wir das zu wenig, Frieden machen. Während Krieg von ein paar beschissenen Einzelnen vom Zaun gebrochen werden kann, braucht Frieden die Mühe der Vielen. Der Getroffenen, ja, aber auch der anderen. Ich denke nicht, dass man Frieden automatisch für selbstverständlich hält, wenn man keinen Krieg erlebt hat. Oder dass man erst dann den Wert von etwas erkennt, wenn man es verliert.

Beides passiert nicht, wenn eine Gesellschaft ihren Job gut macht. Wenn sie an die Zerbrechlichkeit des Friedens erinnert, wenn sie seine Zartheit nicht vergisst, dann muss man Krieg nicht am eigenen Körper erfahren, um Frieden als kollektive Aufgabe anzusehen. Die Bemühung darum kann klein sein, sie passt überall hinein. In eine Begegnung, in mein Schreiben, dein Wahlverhalten, unseren Protest. Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg, kein Zustand im Minus, sondern eine Summe, unsere. Auch die gehört zum Nie Wieder, wenn man es ernst meint.

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag. Foto: Amelie Kahn-Ackermann
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8 Kommentare

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  • Vielen Dank! Gerade jetzt sehr nötig und leider eine sehr seltene Haltung!

    Den Krieg wie ein Stratgiespiel zu erzählen ist übrigens die typische auch gerade wieder angewandte Strategie des Militärs, Militäraktionen populär zu machen - und die entsprechenden Milliarden in die entsprechenden Taschen fließen zu lassen. Und diese Komunikationsweise ist gerade tausendfach zu sehen und zu hören.

  • Stimmt.



    Für den Frieden müssen wir offenbar mehr tun.



    Für Frieden, jenseits von Gruppenzughörigkeit, Loyalität und Identifikation mit Supermächten, Nationen, Ideologien, Waffenhersteller, Glaubensrichtungen usw. usw.



    Das geht.

  • Aber war man nach Putins Einmarsch in die Krim 2014 nicht sehr friedensbezogen? Und so richtig aufgehalten hat diese Haltung den Ukraine Krieg nicht. Dem Bild was in dieser Kolumne gemalt wird fehlt vieles.

  • Sinnvolle Worte nach viel Kriegsgeschrei, danke.

    • @Philippo1000:

      Aber leider Worte, die sehr im Abstrakten bleiben und deshalb wenig weiterführen.

      Die Worte sind so gewählt, dass quasi niemand widersprechen kann.

      Das Problem ist doch, dass nach dem Einmarsch niemand mehr so richtig wusste, wie man Frieden noch herstellen kann.

      Schäuble sagt in dem Tazinterview, er und andere wollte die Zeichen nicht sehen.

      Merkel ließ sich von Putin persönlich bloßstellen und hielt trotzdem an Nord Stream fest. Wohl für den Frieden.

      Oft wurden in diesem Land Verhandlungen gefordert, als würden Verhandlungen auch als deutsches Selbstgespräch funktionieren.

      Manche Pazifisten sind sogar bereit, für den Frieden Ukrainer sterben zu lassen. Als könnte man Frieden durch Menschenopfer erreichen.

      In unserem Land ist der Wunsch nach Frieden so groß, dass man über so Vieles hinwegsieht.

      Damit meine ich nicht mal nur den Ukrainekrieg.

      Das ist mir sympathisch.

      Die Frage ist nur, ob die Gesellschaft dann ihren Job noch gut macht.

      • @rero:

        Gerade das "Abstrakte" , die Beschäftigung mit Werten, ist das Besondere des Artikels.



        Wenn Sie der Meinung sind, kaum Jemand könne hier widersprechen, so ist das doch ein Erfolg.



        Sicher sind Debatten Teil der Demokratie, jedoch muss am Ende ein Ergebnis stehen. Oft ein Kompromiss.



        Wenn dieser Artikel bereits das Ziel beinhaltet, so ist das zu Begrüßen.



        Was die derzeitige Einstellung der Gesellschaft betrifft, so kann ich einen überwiegenden Hang zum Frieden nicht feststellen.



        Auch darin unterscheidet sich der Artikel vom mainstream.



        Der Schrei nach Panzern und die Hoffnung auf Sieg bestimmt die üblichen Artikel zum Thema.



        Ihre Behauptung " Pazifisten würden Menschenopfer gutheißen" klingt nicht nur nach Weltverschwörungstheorie, es ist eine.



        Das widerspricht Ihrem allgemein positiven Standpunkt zum Thema Frieden.

        • @Philippo1000:

          Weltverschwörungstheorie???

          Die Leute, die von der Ukraine mehr oder weniger verblümt eine Kapitulation gefordert haben, wissen genau, dass viele Ukrainer nach der Kapitulation bei den anschließenden Säuberungsaktionen sterben werden.

          Eine Weltverschwörungstheorie brauche ich dafür nun nicht.

          So läuft eben Faschismus.

          • @rero:

            Frieden und Panzer sind nicht das Gleiche.



            Dass Eine Kapitulation der Ukraine gefordert wurde, ist wohl eine Einzelmeinung. Anregungen zu Friedensgesprächen wurden von Seiten der Ukraine allerdings als russische Propaganda bezeichnet .



            Ihre Annahmen von folgenden Säuberungsmaßnahmen können Sie sich vorstellen,



            eine Gewissheit gibt es für solche Ideen nicht.



            Mit dem Begriff Faschismus benutzen Sie außerdem einen populistischen Begriff.



            Es mag ja sein, dass Ihnen die Berichterstattung der Ukraine näher liegt, als die Russlands.



            Russland ist offiziell eine Demokratie, mit entsprechenden Strukturen. Die Macht des Präsidenten ist größer als bei uns, entsprechend Frankreich z.B. .



            Die Entwicklung zu mehr Macht für Putin kann man als autokratische Entwicklung bezeichnen, mit Faschismus hat das allerdings wenig zu tun.



            Nur um das klarzustellen, auch ich verurteile den russischen Angriff auf die Ukraine, ziehe aus der Situation allerdings gänzlich andere Schlüsse, als Sie.



            Nach Ihrer nochmaligen Antwort kommen mir außerdem Zwefel, ob Sie an einem Frieden Interesse haben.