Umgang mit Hatespeech im Netz: Was wenig überrascht

Eine Studie soll Redaktionen Maßnahmen zum Umgang mit Hasskommentaren aufzeigen. Doch die Umsetzung verlangt einen deutlichen Mehraufwand.

Ein Mensch mit einem weißen Kapuzenpulli ist von der Seite zu sehen. Er schreit

Laut einer Forsa-Umfrage geben 78 Prozent an, mit Hass im Netz in Kontakt zu kommen Foto: inkje / Photocase

Hasskommentare überfluten das Netz. Dieses Gefühl kann man schnell bekommen, wenn man sich durch Kommentarspalten und Facebookseiten klickt und sich vom vorherrschend aggressiven Ton bis hin zu Hetze, Diffamierungen, Verleumdungen und Bedrohungen überrollt fühlt. „35 Prozent der Bevölkerung glauben, dass Hasskommentare der überwiegende Teil im Netz seien“, zitiert Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien (LfM) NRW eine aktuelle Forsa-Umfrage.

Dabei habe diese Untersuchung auch herausgearbeitet, dass nur etwa ein Prozent der Internetnutzer aktiv Hasskommentare verfasse. Dennoch geben 78 Prozent der Befragten an, mit Hassreden im Netz in Kontakt zu kommen. Dass eine Minderheit von Scharfmachern und Trollen den Gesamtdiskurs im Netz negativ dominieren kann, ist eines der vieldiskutierten Probleme von Nachrichtenredaktionen, die sich täglich mit der Problematik konfrontiert sehen.

Schmid, der bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin die Ergebnisse einer Studie zu konkreten Maßnahmen zum Umgang von Redaktionen mit Hasskommentaren im Netz vorstellt, hebt die Dringlichkeit hervor: „Wir müssen einen Weg finden, dieses Phänomen, das sich im Netz breitmacht, in den Griff zu bekommen, weil es am Ende für das demokratische Medium Internet auch eine Gefahr ist. Wenn sich dort nur die Lauten und Aggressiven durchsetzen, drängt es die anderen zurück, obwohl die anderen offensichtlich ja die Mehrheit sind.“

Deswegen will die LfM NRW mit der Initiative „Verfolgen statt nur löschen – Rechtsdurchsetzung im Internet“, auch eine schnelle und effektive Ahndung von Rechtsverstößen im Netz vorantreiben. „Weil derjenige, dessen Kommentare gelöscht werden, in der Regel nicht versteht, warum sie gelöscht werden“, so Schmid. Auf diese Weise wolle man den Verursachern ihre Grenzen aufzeigen.

Konkrete Maßnahmen

Straftaten machten aber nicht den Hauptanteil der Gesamtproblematik aus: „Es bleibt eine Vielzahl von mindestens unappetitlichen und aggressiven, vielleicht strafrechtlich relevanten Diskussionsverläufen, die auch die Diskussion bei Medienhäusern und deren Angeboten betreffen.“ Deswegen soll eine unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Stephan Weichert (Hamburg Media School) und Dr. Leif Kramp (Universität Bremen) durchgeführte und von Google Deutschland mitfinanzierte Studie namens „Hasskommentare im Netz. Steuerungsstrategien für Redaktionen“ den betroffenen Medienmachern konkrete Maßnahmen zum Umgang mit dem Thema an die Hand geben.

In Zusammenarbeit mit den Online-Redaktionen von Deutschlandfunk Kultur, Rheinische Post, Mediengruppe RTL Deutschland, Spiegel Online und tagesschau.de wurden qualitative Redaktionsbefragungen sowie quantitativ-qualitative Diskursanalysen von rund 8.500 Nutzerkommentaren auf Facebook und den redaktionellen Nachrichten-Websites durchgeführt und Kommunikationsstrategien erprobt.

Die LfM will eine schnelle und effek-tive Ahndung von Rechtsverstößen im Netz vorantreiben

Die Ergebnisse – in einem „10-Punkte-Plan gegen Hassrede“ zusammengefasst – sind allesamt weder neu noch überraschend, bieten aber nun zumindest eine wissenschaftlich fundierte Grundlage, die neben Handlungsmöglichkeiten für Redaktionen, wie eine entschiedene Diskussionsmoderation, häufige Wortmeldungen, Stärkung von konstruktiven Gegenreden oder offensiven Aktionen und Formaten gegen Hassreden auch die Wirkung eines nüchternen und professionellen Tonfalls gegenüber den Störenfrieden und Provokateuren hervorhebt, der ironie- und zynismusfrei auf Augenhöhe kommuniziert.

Botschaft an die Medien

Tobias Schmid sieht sich durch die Studie bestätigt: „Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass man etwas tun kann. Das ist die medienpolitisch wichtige Botschaft. Ich würde sogar sagen, dass man etwas tun muss. Und dass es sich auch lohnt, etwas gegen diese Kommentare zu tun, weil man damit dem Phänomen durchaus entgegenwirken kann.“

Die Botschaft an die Medienhäuser lautet also auch, dass eine effektive Eindämmung von Hassreden auf den eigenen Portalen und Social-Media-Profilen mit einer dauerhaften professionellen und konstruktiven Präsenz der Redaktionen einhergehen muss und dadurch wohl auch einen personellen und zeitlichen Mehraufwand bedeutet. Zumindest, wenn man es ernst meint mit dem Kampf gegen den Hass.

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