Umgang mit Energiepreiskrise in Hamburg: Schonung für Gaskunden der Stadt?
Der Hamburger Senat prüft, ob die stadteigenen Energiewerke auf ein Weiterreichen der Gasumlage verzichten können. Andere Versorger tun das nicht.
Es geht um jene 2,4 Cent plus Mehrwertsteuer pro Kilowattstunde, die für Firmen wie Haushalte ab dem 1. Oktober fällig sein sollen, um zu verhindern, dass Gas-Importeure Pleite gehen. Die Umlage funktioniere ja so, „dass die Energieversorger sie bezahlen müssen und von der EU das Recht bekommen, sie an ihre Kunden weiterzugeben“, sagte Kerstan.
Der Senat prüfe nun, ob es möglich sei, diese an die Kunden der Hamburger Engergiewerke nicht weiterzugeben. Das sind etwa 30.000. Hamburg hat rund 160.000 Gaskunden. Für die anderen Versorger könne der Senat das leider nicht beschließen. Deshalb werde es einen Härtefallfonds für Bürger in Not geben.
„Die Diskussion um die Übergewinnsteuer wird ja nicht zu Unrecht geführt“, ergänzte Finanzsenator Dressel in Anspielung auf die in der Krise erworbenen Profite. Lese er die Presse richtig, spielten einige private Versorger mit dem Gedanken, die Umlage nicht an die Kunden weiterzugeben, weil die nicht wollten, dass die Diskussion über die Übergewinnsteuer überhand nimmt. „Wenn man dann sagt: So groß sind jetzt deine Gewinne, und dann musst du aber unbedingt die Umlage weiterreichen? Guck vielleicht doch noch mal ein bisschen in deine Zahlen.“
Andreas Dressel, Finanzsenator
Hamburg sei gut durch Corona gekommen und stehe gerade aufgrund seiner Einnahmen aus der Beteiligung an Hapag Lloyd gut da, sagte Dressel. Die Stadt gehe hier als Versorger mit gutem Beispiel voran. „Private sind herzlich eingeladen, sich das anzuschauen.“
Nur profitiert davon zunächst eben nur ein kleiner Teil der Gaskunden. Auch wird hier die Politik von Kerstans Parteikollegen Robert Habeck hintertrieben. Der Bundeswirtschaftsminister nannte diese Umlage „die gerechteste Form, die zusätzlich auflaufenden Kosten in der Bevölkerung zu verteilen“.
Darauf angesprochen, erklärt Kerstans Sprecherin, es gehe hier auch darum, „sozialen Härten zuvorzukommen“. Die Hamburger Energiewerke stünden wirtschaftlich gut da, auch weil sie einen Gewinn durch klimaschädlich produzierten Kohlestrom machten. „Den wollen wir an die Kunden weitergeben und sie nicht zusätzlich belasten.“
Beim Bundeswirtschaftsministerium war am Mittwoch kein anderer Fall eines Versorgers, der so handeln möchte, bekannt. Die Umlage werde von der „Trading Hub Europe“ ermittelt und dann auf die Energieversorger umgelegt, sagte eine Sprecherin. Die Energieversorger, etwa Stadtwerke, seien dann frei, diese an den Verbraucher weiterzugeben.
Das sieht im Prinzip auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft so. Ein Energieversorger könne auf die Umlage verzichten, „wenn das Unternehmen die finanziellen Folgen selbst tragen kann“, sagt eine Sprecherin. Geschehe dies allerdings bei kommunalen Unternehmen durch Kommunen, so löse dies einen beihilfe- und wettbewerbsrechtlichen „Prüfbedarf des Einzelfalls“ aus.
Andere Stadtwerke im Norden wie etwa Lübeck und Flensburg planen das nicht. Auch die SWB, die privatisierten Stadtwerke Bremen, wollen die Umlage zum 1. Oktober erheben. Der Grundversorger in Hamburg ist Eon. Man „prüfe aktuell die Details zur Weitergabe an die betroffenen Kundinnen und Kunden“, sagt ein Eon-Sprecher.
Runder Tisch geplant
Auch der Versorger Green Planet Energy, vormals Greenpeace Energy, winkt ab. Letztlich stehe die Möglichkeit der Nicht-Weitergabe vor allem Unternehmen offen, die dafür ihre Rücklagen belasten wollten, sagt ein Sprecher. Für Green Planet Energy als Genossenschaft komme das nicht infrage.
Insgesamt hatten zwölf Gasimporteure geltend gemacht, dass sie Geld aus der Umlage zum Ausgleich des Wegfalls günstigen russsischen Gases benötigen. Der Energiekonzern RWE, der Industriekunden mit Gas beliefert, will indes auf eine Kostenerstattung verzichten. Dennoch müssen nach Auskunft einer Konzern-Sprecherin auch RWE-Gaskunden „wie alle anderen auch“ die Gasumlage zahlen.
Der CDU-Oppositionspolitiker Stephan Gamm nennt Kerstans Ankündigung „politischen Baldrian“. Es sei unrealistisch, dass die Prüfung positiv ausfalle.
Stephan Jersch von der Linksfraktion sagt hingegen zu Kerstans Vorstoß: „Die Richtung stimmt.“ Nur brauche man ein Vorgehen, dass alle Hamburger von der Umlage entlaste. „Dafür sollten sich die Energieversorger an einen runden Tisch setzen“, schlägt Jersch vor. Ein solcher runder Tisch sei ja auf Antrag von SPD und Grünen ohnehin geplant, um Härtefallregelungen zur Vermeidung von Ernergiesperren für Menschen, die in Not geraten sind, zu besprechen.
Übrigens hält der Hamburger Senat an seinem Plan, seine Gaskunden zu schonen, auch noch fest, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verkündet hatte, dass zur Abfederung der Belastung die Mehrwertsteuer für Gas temporär von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt wird. „Wir gehen weiter davon aus, dass wir dieses Vorhaben umsetzen, soweit es rechtlich, wettbewerbs- und beihilferechtlich möglich ist“, sagt Umweltbehörden-Sprecherin Renate Pinzke am Freitag. „Und nach Befassung des Aufsichtsrats der Hamburger Energiewerke“.
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde nach Erscheinen um die Stellungnahme von RWE und um eine Stellungnahme der Umweltbehörde zur angekündigten Mehrwertsteuer-Senkung aktualisiert.
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