Umgang der Kirche mit der freien Presse: Woelki will Wellen reiten
Der berüchtigte Kölner Kardinal Woelki will mehr Einfluss auf das „Domradio“. Statt kritischen Inhalten könnte der Sender dann kirchlicher werden.
„Einen guten Draht nach oben“, verspricht der katholische Multimediasender Domradio. Angesichts der jüngsten Pläne des Erzbistums Köln soll dieser Draht aber zukünftig eher zum Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki als zu Gott führen. Das Domradio ist ein großer Player in der christlichen Medienlandschaft.
Seit dem Sendestart im Jahr 2001 versucht es den Spagat zwischen theologischen Betrachtungen etwa über den Marienmonat Mai und Beiträgen, die kritisch auf Kirche und Welt blicken. „Vielfalt in der Kirche fördern“, so ist zum Beispiel ein Artikel des Domradios überschrieben.
Diese Freiheit in der Themenwahl wurde stets durch eine spezielle Struktur abgesichert, die bei Gründung des Senders durch den ehemaligen Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner eingerichtet worden war: Das Domradio erhält zwar Zuschüsse des Erzbistums Köln – der „Wirtschaftsplan 2024“ sieht etwa 3,8 Millionen Euro vor – Träger ist allerdings das Bildungswerk des Erzbistums, also ein formal unabhängiger Verein.
Das Domradio ist somit kein offizieller Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Erzbistums Köln und kann sich deshalb auch jenseits der häufig engen Grenzen kirchlicher PR bewegen.
Unmittelbarer Zugriff auf Multimediasender
Im März machte der Journalist Joachim Frank im Kölner Stadtanzeiger öffentlich, dass das Domradio in eine gemeinnützige GmbH überführt werden solle. Das Erzbistum Köln hätte dadurch unmittelbaren Zugriff auf den Multimediasender und könnte diesen nach seinen Vorstellungen formen. Eine Veränderung, die für den Umbruch im kirchlichen Journalismus und das zusehends angespannte Verhältnis der Kirchen zur freien Presse exemplarisch wäre.
Wie das genau passieren soll, ist noch nicht klar. Das Erzbistum Köln bezeichnete die Umstrukturierung in einer kurzen Pressemitteilung im März als „Stärkung“ des Domradios. Es müsse sich mit Blick auf die „zunehmende gesellschaftliche Polarisierung und die rasante Entwicklung im Medienbereich“ weiterentwickeln. Das „journalistische Profil“ solle aber erhalten und sogar ausgebaut werden, teilte das Erzbistum später auf Anfrage der taz mit.
Dem entgegen befürchten viele User*innen in den sozialen Medien, dass sich das Domradio zu einer Art Werbeportal wandeln könnte. Und dass sich der Sender nach dem Eingriff stärker der sogenannten Neuevangelisierung widmen könnte. Darunter wird meistens eine spirituelle Erneuerung der katholischen Kirche verstanden, die Menschen in säkularisierten Gesellschaften wieder an den Glauben heranführen soll.
Diese Ängste sind nicht unbegründet: Bisher gab der Sender immer wieder Reformkräften eine Plattform, die sich wie die Benediktinerschwester Philippa Rath für Gleichberechtigung in der Kirche starkmachen. „Endlich ist das Tabu gebrochen“, sagte Rath etwa 2022 in einer Domradio-Sendung über Frauen in Kirchenämtern.
Damit steht sie in direkter Opposition zum Kölner Erzbischof Woelki. Er hatte das Anliegen von Frauen, die Weihe zur Diakonin oder gar Priesterin empfangen zu dürfen, in der Vergangenheit mehrmals zurückgewiesen. Zudem würden die Auseinandersetzungen um Machtverhältnisse und Strukturen der spirituellen Erneuerung der katholischen Kirche schaden, kritisierte der Erzbischof wiederholt. Wie sähe wohl ein Domradio nach Woelkis Geschmack aus?
DJV kritisiert das Kölner Vorhaben
Auch journalistische Expert*innen wie der Landesverband Nordrhein-Westfalen des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) kritisierten das Kölner Vorhaben: Woelki erweise mit seinen Plänen „der Idee eines professionellen, eigenständigen Kirchenjournalismus einen Bärendienst“.
Der Programmbeirat des Domradios warnte vor einer weiteren Folge: Der Trägerwechsel könnte zu einer neuen medienrechtlichen Bewertung der Landesmedienanstalt NRW und damit zum Verlust der Sendelizenz führen. Andere kirchennahe Medien sind schon davon betroffen.
Zum Beispiel beschlossen die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die acht Trägerbistümer 2010, dass sich die traditionsreiche Wochenzeitung Rheinischer Merkur den „gewandelten Bedingungen des Medienmarktes“ anpassen müsse, obwohl sie noch mehr als 60.000 Leser*innen erreichte. Die Verantwortlichen versicherten damals, dass die Entscheidung keinen „Rückzug der Kirche aus der Publizistik oder aus dem gesellschaftlichen Diskurs“ bedeute.
Ganz eingestellt wurde die Zeitung nicht, stattdessen erschien sie fortan unter dem Namen Christ & Welt als Wochenbeilage der ZEIT und ging 2016 vollständig in deren Besitz über.
Angesichts der immer größeren Distanz der Kirchen zu den Medien fällt auf, dass manche ihrer Vertreter*innen gleichzeitig den Kontakt zu ausgewählten Medien suchen. So feierte der Kölner Erzbischof Woelki anlässlich des 75. Geburtstags der Tagespost im September 2023 eine Messe im Würzburger Neumünster. Die Wochenzeitung sei ein „Symbol für Freiheit“, so der Kardinal in seiner Predigt.
Stimme einer schweigenden Mehrheit
Seit ihrer Gründung widme sich die Tagespost dem „Dienst der Evangelisierung“. Ähnlich wie andere rechte Akteur*innen inszeniert sich die Tagespost trotz einer vergleichsweise geringen Auflage von etwa 10.000 Exemplaren gerne als Stimme einer angeblich schweigenden Mehrheit innerhalb der katholischen Kirche.
Darüber hinaus hat sich das Blatt in den vergangenen Jahren radikalisiert. Vertreter*innen der Neuen Rechten, wie der belgische Historiker David Engels, gehören zu den regelmäßigen Gastautor*innen. Er argumentierte jüngst auf der „National Conservatism Conference“ in Brüssel dafür, dass „wir unsere eigene Zivilisation den anderen vorziehen sollten“.
Zu kirchlichen Fragen kommen ebenfalls mehrheitlich radikale Stimmen zu Wort. Beispielsweise wird häufig gegen das Frauendiakonat geschossen, obwohl selbst der Vatikan angeregt darüber debattiert. Das Erzbistum Köln wollte eine Frage der taz bezüglich der Nähe von Erzbischof Woelki zur Tagespost nicht kommentieren.
Das Domradio bildet diese Diskussion in ihrer Offenheit ab und trifft damit wohl weniger den Geschmack des Kölner Oberhirten. Vielleicht ändert sich das, wenn er größeren Einfluss auf den Multimediasender ausüben kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana