Umbau der fossilen Industrie: Grüner soll die Aussicht sein
Die Klimaschutzverträge kommen – in Deutschland können sich Firmen um Subventionen bewerben. Die Bedingung? Sie müssen ihren CO2-Ausstoß reduzieren.
In Deutschland produzierende Firmen, beispielsweise der Stahl-, Zement-, Chemie- oder Glasindustrie, die viel Energie verbrauchen und hohe Emissionen verursachen, können sich ab jetzt im Rahmen von Ausschreibungen um staatliche Zuschüsse bewerben. Die günstigsten Gebote für die Einsparung von klimaschädlichem Kohlendioxid erhalten den Zuschlag. Unternehmen bekommen eine Förderung, wenn sie in der Produktion etwa Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzen. Der Staat übernimmt dabei vorübergehend die im Vergleich zur konventionellen Herstellung höheren Kosten. Sinken die Produktionsausgaben unter eine vorher vereinbarte Schwelle, müssen die Firmen Geld zurückzahlen. Habeck sprach von einem „superkosteneffizienten“ Verfahren – der Staat werfe kein Geld zum Fenster hinaus.
Dieser Mechanismus der staatlichen Förderpolitik ist neu. Im vergangenen Jahr nahmen knapp 100 Firmen an einem Vorverfahren teil. Diese können sich nun an der ersten Ausschreibungsrunde beteiligen. Voraussichtlich drei weitere Runden mit anderen Unternehmen werden folgen. Die Verträge zwischen Staat und Wirtschaft haben eine Laufzeit von 15 Jahren.
Vier Milliarden Euro in der ersten Runde
Für die erste Runde stehen vier Milliarden Euro zur Verfügung. 19 weitere Milliarden Euro sind im Haushaltsplan 2024 für die Zukunft schon festgelegt. Da es auch in früheren Bundesetats bereits Verpflichtungen für dieses Programm gab, konnte Habeck von einem „mittleren zweistelligen“ Milliardenbetrag sprechen, der im Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung insgesamt für die Klimaschutzverträge zur Verfügung stehe. Für das Wirtschaftsministerium genießt das Programm eine hohe Priorität – anscheinend hat es deshalb die jüngsten Kürzungen in Klimafonds und Haushalt mehr oder weniger unbeschadet überlebt.
Nach Ansage von Habeck ist Deutschland das „erste Industrieland“ weltweit und der „erste EU-Staat, der dieses innovative Instrument zur Dekarbonisierung seiner Industrie einsetzt“. Weil es sich um Subventionen handelt, die Unternehmen anderer Staaten benachteiligen können, brauchte es eine Genehmigung durch die Europäische Kommission.
Die Klimaschutzverträge richten sich an Großunternehmen, aber auch an mittlere Firmen. Diese können sich zu Konsortien zusammenschließen, um an den Ausschreibungen teilzunehmen. Bis 2045 soll das Programm den Ausstoß von etwa 350 Millionen Tonnen Kohlendioxid vermeiden helfen. Das ist ungefähr die Hälfte der derzeitigen Gesamtemission Deutschlands in einem Jahr.
Obwohl es sich um ein massives Subventionsprogramm handelt, hat auch die FDP ihren Segen erteilt. Lukas Köhler, Fraktionsvize der Liberalen im Bundestag, nannte die Verträge mit Blick auf die Ausschreibungen ein „wettbewerbskonformes Instrument“. Außerdem sei die „Technologieoffenheit“ gewährleistet. Soll heißen: Nicht nur neue Produktionsverfahren mit grünem Wasserstoff erhalten Geld, sondern auch solche mit blauem Wasserstoff, welcher aus fossilem Erdgas gewonnen wird. Diesen Punkt kritisiert dagegen die Umweltorganisation Greenpeace. Deutschland-Chef Martin Kaiser fordert, dass nur mit Wind- oder Solarenergie erzeugter, grüner Wasserstoff eingesetzt werden dürfe.
„Fairer Deal zwischen Industrie und Staat“
„Es ist höchste Zeit, dass vor allem die energieintensive Industrie mit Maßnahmen unterstützt wird, die Planungssicherheit zu stabilen und wettbewerbsfähigen Preisen gewährleistet“, sagte Jürgen Kerner, der Zweite Vorsitzende der Industriegewerkschaft Metall. „Die Bundesregierung muss sich stärker um den Erhalt von gefährdeten Industriearbeitsplätzen bemühen.“ Zustimmung zu den Klimaverträgen signalisierte auch der Geschäftsführer des Verbandes der Chemieindustrie, Wolfgang Große Entrup: „Es wäre klug, sie als langfristiges Instrument zu etablieren.“ Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin lobte das Verfahren als „fairen Deal zwischen Industrie und Staat“.
Neben den Klimaschutzverträgen existieren weitere EU-genehmigte Subventionsprogramme. Aus diesen soll Thyssenkrupp in Duisburg 2 Milliarden Euro erhalten, um Stahl mittels grünen Wasserstoffs herzustellen anstatt mit Kokskohle. Die Firma Northvolt bekommt fast 1 Milliarde Euro für eine neue Fabrik für E-Auto-Batterien in Schleswig-Holstein – mittels eines Programms, das die Subventionen Chinas und der USA in diesem Sektor ausgleichen soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften