Ulf Poschardts Buch „Shitbürgertum“: Willst du mein Freund sein?
In „Shitbürgertum“ erklärt Ulf Poschardt einem links-grünen Milieu vulgär den Krieg. Dabei wird deutlich, wie sehr er dieses eigentlich braucht.
Nur einen Verlag, den hat er aktuell nicht mehr. Mit den „Analysen“ in seinem jüngsten Band mit dem Titel „Shitbürgertum“ stimme man zwar „grundsätzlich“ überein, meinte der Verlag zu Klampen, aber „so“ wolle man das Buch nicht. Nun steht „Printed in Poland by Amazon Fulfillment“ im Einband, der schwache Druck auf den dünnen Seiten sieht billig aus und das anständig designte Cover präsentiert sich im Look and Feel einer studentischen Arbeit frisch vom Copyshop.
Das macht aber nichts, im Gegenteil, denn: Wann kann ein erklärter Porscheliebhaber sich sonst noch wie ein Punk, wann ein viel publizierter Autor noch mal wie eine rebellische, beinahe zensierte Stimme fühlen?
Bislang war es der Gegenstand seines Essays, der Ulf Poschardt den dafür nötigen Widerstand bot: sein Sozialcharakter des „Shitbürgertums“. Wer oder was das ist, bleibt im Buch nicht immer widerspruchsfrei: Mal ist es sächlich, mal weiblich (hätte ein Verlag vielleicht doch gutgetan?), mal eine Art Habitus, dann wieder die SPD, die Grünen und sämtliche Linke gleichermaßen wie Angela Merkel, der Ethikrat oder Günter Grass.
Giorgia Meloni als „Antifa“
Klarer bleibt, wer nicht zum verhassten Milieu gehört: Donald Trump etwa, Elon Musk natürlich, Giorgia Meloni, die laut Poschardt „Antifa“ verkörpere, oder Javier Milei.
Insbesondere das vulgäre Auftreten von Letzterem habe den Autor zu einer inner-ideologischen Reform hin zu mehr politischer Respektlosigkeit inspiriert: „Auch in der eigenen Denkbiographie des Autors ist dieses Büchlein das öffentliche Bekenntnis, endgültig aus dem Selbstverständnis gestolpert zu sein, dass man es mit dem kulturell dominanten Links-/Grün-Bürgertum noch irgendwie hinkriegen könne oder hinkriegen müsse.“
Den theoretischen Überbau für diese politische Konversion hat sich der Autor erarbeitet, durch Lektüre von Friedrich Nietzsches „Zarathustra“ etwa, den er ausgiebig zitiert, mit Joseph Schumpeter, Ernst Jünger, Martin Heidegger oder bei „South Park“ und „Batman“. Dort fand er Bestätigung für seine Idee, dass links von der eigentlichen Bürgerlichkeit ein Moloch voller scheißliberaler Untertanen liege – staatstreu, angepasst, dekadent und faul.
Die genüsslich Beschimpften seien oft verbeamtet, arbeiteten in Stiftungen, in Politik, Kultur oder der Wissenschaft – je der falschen freilich – und müssen sehr liberal „zerstört“ werden. Auf der anderen Seite der Bürgerlichkeit, die nicht rechts sein soll, gedeihen hingegen Authentizität, Rebellentum und Fleiß.
Er kopiert sich selbst
Wer Poschardts Werk bisher kannte, dem könnte das erstaunlich unfleißig vorkommen. Weite Teile des kurzen Buches entsprechen älteren Veröffentlichungen, zum Teil bis aufs Wort. „Der freie Mensch kann fliegen“, lautet etwa ein Kalenderspruch aus „Mündig“ (2020), und nun: „Ein freier Mensch kann fliegen.“
Ulf Poschardt: „Shitbürgertum“. Selbstverlag 2024, 164 Seiten, 18 Euro
Aber wer braucht Originalität, wenn er performen kann? Nur: Jetzt, da rechte, autoritäre Kräfte in den westlichen Gesellschaften dominant werden und den angespitzten Freiheitsbegriff als Waffe gegen Minderheiten richten; jetzt, da Elon Musk in der Welt zur Wahl der AfD aufruft, lässt sich die Inszenierung als liberaler Widerstandskämpfer gegen einen angeblich linken Mainstream nicht mehr ganz so authentisch aufrechterhalten.
Und irgendwie hat der Autor es doch genossen, sich im Glanze linksintellektueller Rebellion zu bewegen, als „Zögling und langjähriger Nutznießer des Shitbürgertums“, wie er es formuliert.
Orientierung im Widerhall
„Fledermäuse“ nannte ein kluger Kollege solche exlinken Schreibtischrebellen einst, weil sie sich nur im Widerhall orientieren können. Wo das enden kann, ist bekannt: Auch der ehemalige Maoist Matthias Matussek schwor einst feierlich seiner politischen Sozialisation ab und endete in der Fußgängerzone, zusammen mit Rechtsextremen über „Islamisierung“ fabulierend.
Von einer solchen Ideenkarriere trennt Poschardt nicht mehr allzu viel, insbesondere da, wo er die Deportationspläne von Trump und der AfD verharmlost oder „Grünen-Wähler“ als eine „unerschütterlichere Parallelgesellschaft als Menschen muslimischen Glaubens“ bezeichnet.
Eigentlich möchte man ihn doch beglückwünschen, denn nach Jahren des Klagens gegen sein herbeigeschriebenes Feindbild befindet sich Ulf Poschardts politische Wahnvorstellung offenbar auf dem Rückzug. Aber wo Freude sein müsste, jammert es. Es bleibt nichts, als ihn zu bedauern, den einsamen Sisyphus, dem das Abarbeiten an einem immer wiederkehrenden Widerstand so viel Sinn verlieh. Eigentlich war ihm sein Shitbürgertum doch längst ein Freund geworden.
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