Ukraine-Gipfel in Brüssel: Weitere Militärhilfe für Kyjiw
Die EU will für Aufrüstung 150 Milliarden Euro Schulden aufnehmen. Auch die Mitgliedstaaten müssen ran. Nichtsdestotrotz ist die EU in der Defensive.

Die EU sagte weitere Militärhilfe für die Ukraine zu. Außerdem will Europa nun selbst massiv aufrüsten, um Russland notfalls auch allein die Stirn zu bieten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat dazu einen „Wiederbewaffnungs-Plan“ vorgelegt, der bis zu 800 Milliarden Euro mobilisieren soll.
Allerdings muss die EU dafür neue Schulden aufnehmen – die Rede ist von 150 Milliarden Euro. Den Rest müssten die 27 Mitgliedsstaaten selbst finanzieren, zumeist ebenfalls durch Neuverschuldung. Dafür will die EU-Kommission die strikten Schuldenregeln lockern. Bundeskanzler Olaf Scholz forderte sogar, die Regeln komplett zu überarbeiten.
Das Ziel sei, „dass Europa selber in der Lage ist, seine Sicherheit zu stärken“, erklärte Scholz. Europa müsse sich „dem von Russland initiierten Wettrüsten“ stellen und es auch „gewinnen“, forderte Polens Regierungschef Donald Tusk. Man sei an einem „Wendepunkt“ angelangt, betonte von der Leyen.
Markige Worte
Die markigen Worte können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU in der Defensive ist. Auch für die Ukraine sieht es nicht gut aus. Trump hat die US-Militärhilfe ausgesetzt und den Zugang zu Satellitendaten und anderen Geheimdienstinformationen beschränkt. Dies hilft Russlands Militär, das immer mehr Gelände gewinnt.
Die EU will nun versuchen, die fehlenden US-Hilfen zu kompensieren. Allerdings verfügt sie bisher nicht über die nötigen Kapazitäten – es fehlt an Satelliten, Raketen und kriegswichtigen Daten. Diese lassen sich auch nicht kurzfristig beschaffen. Zudem hat die EU keinen eigenen Friedensplan, den sie Trump entgegensetzen könnte.
Ungarn und die Slowakei haben zwar gefordert, die Europäer sollten selbst in Verhandlungen mit Russland eintreten. Damit stehen sie allerdings allein. Selenskyj sagte nach dem Eklat im Weißen Haus, er sei „bereit, unter der starken Führung von Präsident Trump zu arbeiten, um einen dauerhaften Frieden zu bekommen“.
Die Europäer kämen nach den bisherigen Planungen erst nach einem möglichen Waffenstillstand ins Spiel – mit Friedenstruppen, die Russland von einem neuen Angriff abhalten sollen. Doch außer Frankreich und Großbritannien hat sich noch kein großes europäisches Land bereit erklärt, Truppen zu stellen. Deutschland und Polen winken ab.
Klare Ablehnung
Erschwerend kommt hinzu, dass die USA keine Sicherheits-Garantien geben wollen – und dass Russland die Friedenstruppen entschieden ablehnt. „Wir sind strikt gegen solche Maßnahmen, sie bedeuten eine offizielle Beteiligung der Nato-Truppen am Krieg gegen Russland“, warnte der russische Außenminister Sergej Lawrow in Moskau.
Russland wendet sich auch gegen die geplante Aufrüstung der EU. Mit seiner Äußerung über eine angebliche Bedrohung durch Russland bringe Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Westen an den Rand eines neuen Weltkrieges, hieß es in Moskau. „Eine solche Fehlanalyse führt zu fatalen Fehlern“, warnte der einflussreiche russische Senator Konstantin Kossatschow.
Macron hatte am Mittwochabend in einer Fernsehansprache erklärt, Russland stelle eine akute Gefahr für Frankreich und Europa dar. Zudem hat er sich offen für Gespräche über den Einsatz französischer Atomwaffen zum Schutz europäischer Staaten gezeigt. Damit reagierte er auf entsprechende Überlegungen von CDU-Chef Friedrich Merz.
Kanzler Scholz (SPD) winkte jedoch beim EU-Gipfel ab. Der bestehende US-Nuklearschirm habe sich bewährt und sollte „nicht aufgegeben werden“, sagte er in Brüssel.
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