Überwachung von Smart-Home-Geräten: Alexa soll Zeugin werden
Innenminister Seehofer will, dass Sprachassistenten abgehört und die Daten als Beweise verwendet werden dürfen. Datenschützer schlagen Alarm.
Die „zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche“ sorge dafür, dass die „Spurensicherung in der digitalen Welt eine immer größere Bedeutung“ gewinne, heißt es in einer Beschlussvorlage des IMK-Gastgebers, Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU), die die taz einsehen konnte. Die Strafverfolgungsbehörden müssten künftig in der Lage sein, „die digitalen Spuren zu erkennen, zu sichern und auch auszuwerten“. Wie dies geschehen könne, solle die IMK, die ab Mitte kommende Woche tagt, bis Herbst prüfen.
Der Vorschlag ist also noch vage. Ein Sprecher Seehofers aber bekräftigte am Mittwoch: „Aus unserer Sicht ist es für eine effektive Kriminalitätsbekämpfung sehr wichtig, dass den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern auch auf diesen Geräten gespeicherte Daten nicht verschlossen bleiben.“ Das Thema werde derzeit geprüft, da die Rechtsgrundlage bisher nicht ausreiche, um Hersteller von Sprachassistenten und vernetzten „Smart Home“-Geräten zur Herausgabe gespeicherter Daten zu verpflichten, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt.
Ein Sprecher Grotes unterstrich den Vorstoß. Auch im Koalitionvertrag von CDU, Grünen und FDP in Schleswig-Holstein sei das Ansinnen festgehalten. Man habe dafür zuletzt sogar eigens ein Kompetenzzentrum Digitale Spuren eingerichtet, das eben solche Spuren sichern und auswerten solle. Dies sei „auf der Basis der geltenden Rechtslage“ geschehen, betont der Sprecher. „Eine Ausweitung polizeilicher Kompetenzen sieht der Antrag Schleswig-Holsteins definitiv nicht vor.“
„Erschreckende Tendenz“
Datenschützer und die Opposition schlagen dennoch Alarm. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sieht den Vorstoß kritisch. Es sei ein gravierender Grundrechtseingriff, wenn Sicherheitsbehörden auf Informationen, Gespräche oder sogar Videos aus Wohnungen und anderen privaten Orten zugreifen könnten. Gerade da die Zahl der Straftaten laut Kriminalstatistiken seit Jahren rückläufig sei, könne er solche „verfassungsrechtlich bedenklichen Kompetenzerweiterungen“ nicht nachvollziehen.
Der FDP-Innenexperte Benjamin Strasser sprach von einer „erschreckenden Tendenz“. „Dieser ausufernde Schnüffelstaat gängelt damit nur die Bürgerrechte von Millionen unschuldiger Bürger.“
Benjamin Strasser, FDP
Die SPD schwieg am Mittwoch weitgehend zu dem „Alexa-Vorschlag“. Das von Katarina Barley, SPD, geführt Bundesjustizministerium appellierte allerdings auch an die Eigenverantwortung der Bürger. Wer Geräte wie Alexa nutze, laufe natürlich Gefahr, dass mitgehört werde, sagte ein Sprecher.
Die SPD-Länder hatten in einer Vorkonferenz zur IMK der Beschlussvorlage zugestimmt. Dort allerdings wird betont, dass es bisher lediglich um eine Prüfung gehe. Es dürfte noch Jahre dauern, bis es wirklich zu einer Umsetzung käme.
Offizielle Reaktionen der betroffenen US-Firmen lagen bis Redaktionsschluss nicht vor. Der Sprecher eines Unternehmens beschwichtigte: Die Software reagiere ausschließlich auf das Aktivierungswort, zeichne also keineswegs alles auf, was die NutzerInnen zu Hause sagten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an