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Überraschungen im alpinen Ski-WeltcupSpeed ohne Spleen

Dass Simon Jocher ein guter Skifahrer ist, wusste man. Mit Platz acht in Gröden zeigt er, dass er nun reif ist für Erfolge in der Abfahrt.

Zum ersten Mal schneller als alle anderen: Bryce Bennett auf der Saslong über Gröden Foto: Gabriele Facciotti/ap

Gröden taz | Der Zielraum der Saslong begann sich bereits zu leeren. Die Sieger­inter­views waren alle erledigt, da hob sich die Stimme des Streckensprechers noch einmal, aufgeregt verkündete er glänzende Zwischenzeiten eines deutschen Abfahrers. Die drei bis dahin Schnellsten mussten sich zwar keine ernsthaften Sorgen machen, aber sie starrten bei der Fahrt von Simon Jocher dennoch gebannt auf die große Leinwand.

Kurz darauf kam der nächste Deutsche, der den Sprecher forderte. Auch Josef Ferstl setzte ein Ausrufezeichen bei dieser an Überraschungen nicht armen Weltcup-Abfahrt von Gröden. Er hatte die Strecke am Samstag sogar eineinhalb Mal bewältigen müssen, weil er bei seiner ersten Fahrt wegen eines Sturzes des Rennläufers vor ihm abgewunken worden war. Am Ende lagen sich Jocher und Ferstl in den Armen.

Sie haben mit den Plätzen acht und nicht nur die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele geschafft, sondern vor allem das deutsche Ergebnis aufgepeppt in diesem Rennen, bei dem die Außenseiter dominierten und Favoriten wie der Norweger Aleksander Aamondt Kilde strauchelten. Andreas Sander wurde beim Pre­mie­ren­sieg von Bryce Bennett aus den USA Elfter, Romad Baumann landete auf Rang 18.

Die beiden hatten in Abwesenheit von Thomas Dreßen in der vergangenen Saison und auch zu Beginn dieses Winters für die Spitzenresultate im Weltcup gesorgt. Aber „der Knaller“ hatte Cheftrainer Christian Schwaiger vor den Rennen in Gröden gesagt, fehle noch, so ein Podestplatz, wie er den beiden im Februar bei der WM in Cortina d’Ampezzo gelungen war.

Den gab es auch in Gröden nicht, aber den Auftritt des 25 Jahre alte Jocher geht zumindest als „Knallerchen“ durch. Weil er mit Startnummer 51 unter die besten zehn raste, weil sein bestes Abfahrtsergebnis bis dahin ein 25. Platz war. „Das ist schon überraschend, da muss ich noch mal kurz darüber nachdenken“, fand Jocher.

Lange Reifezeit

Für die Verantwortlichen im Deutschen Skiverband kam der Sprung nach vorne mit Ansage. „Es hat sich in den vergangenen Jahren schon abgezeichnet, dass er eine hohe Talentierung für den Abfahrtssport hat“, sagt Alpinchef Wolfgang Maier. „Simon ist in seinem Altersbereich mit der Beste der Welt und skitechnisch sehr weit.“ Im Super-G hat Jocher schon vorgesprochen in der Weltelite, erst am Freitag mit Platz 15, aber in der Abfahrt dauert die Reifezeit vom Talent zum Weltklasseathleten oft länger. Jocher musste erst die Strecken kennenlernen und das Drumherum, „das alles kostet ein bisschen Energie“, gibt er zu.

Er hat eine hohe Talentierung für den Abfahrtssport

Wolfgang Maier, DSV-Alpinchef

Sein Aufstieg mag ein wenig an den von Dreßen erinnern, wenngleich Jocher abwinkt. „So weit würde ich nicht gehen.“ Dreßen war in seinem Alter schon Kitzbühel-Sieger und auch sonst hat der zurückhaltende Schongauer nicht viel gemeinsam mit dem emotionaleren, älteren Kollegen – außer der Tatsache, außergewöhnlich hochbegabt zu sein. Rein körperlich wirkt Jocher fast schmächtig in den Reihen der Kraftprotze, obwohl er zuletzt dank Ernährungsberatung dem Idealbild eines Abfahrers etwas näher gekommen ist. Als „jungen Typen ganz ohne Spleen“ bezeichnet ihn Maier. „Man kann ihn total gut führen“, was heißen soll, dass er mehr auf andere hört als auf sich.

Für Jocher in der Endphase der Ausbildung ist das vermutlich genau der richtige Weg. Für Ferstl war es in den vergangenen beiden Jahren der falsche, so glaubt er es jedenfalls. „Ich habe mich in der letzten Saison zu oft von anderen beeinflussen lassen.“ Unter anderem bei der Abstimmung des Materials. „Ich habe mein Hirn abgegeben. Und das ist völlig in die Hose gegangen“, sagt Ferstl. Nun hört er wieder auf sich, hat einen neuen Ser­vice­mann und auch sonst „viel verändert“.

Aber allein auf dieser mag Maier die Zwei-Jahres-Krise von Ferstl nicht schieben. „Das gehört dazu, ja“, findet er, aber eben auch eine Fokussierung, und die habe ihm bei dem sensiblen 32-Jährigen zuletzt gefehlt. Dass das eine mit dem anderen zusammenhängt, mag auch Maier nicht ganz ausschließen, denn „der Pepi ist ja kein Killer, sonder eher der soziale Typ“. Da hängt die Leistung womöglich mehr noch als bei anderen von der Harmonie ab. Auf der Saslong war Ferstl wieder im Einklang. Mit sich und den anderen.

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