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Überraschung auf KlimagipfelBreites Bündnis fordert Fahrplan für Ausstieg aus Fossilen

Immer mehr Staaten wollen auf dem UN-Klimagipfel einen Fahrplan für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas beschließen. Der Vorstoß kommt unerwartet.

Fordert klaren Fahrplan für Ausstieg aus den Fossilen: Tina Stege, Klimabotschafterin der Marshallinseln Foto: Fernando Llano
Jonas Waack

Aus Belém

Jonas Waack

Auf dem UN-Klimagipfel formiert sich eine wachsende Koalition, die auf der Konferenz einen Fahrplan für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas beschließen will. Neben den meisten EU-Staaten sind auch sieben lateinamerikanische Staaten sowie 39 kleine Inselstaaten Teil des Bündnisses. Aus Verhandlungskreisen heißt es, etwa 80 Staaten zählten derzeit zu den Unterstützern. Am Wochenende war noch von etwa 45 Staaten die Rede.

„Wir bringen viele verschiedene Interessen zusammen“, sagte die Klimabotschafterin der vom Meeresspiegel-Anstieg bedrohten Marshallinseln Tina Stege auf einer spontan anberaumten Pressekonferenz am Dienstagnachmittag (Ortszeit). „Die Energiewende ist entscheidend, um das 1,5-Grad-Ziel erreichbar zu halten.“

Der deutsche Umweltminister Carsten Schneider forderte, dass „wir uns befreien müssen von fossilen Brennstoffen. Wir wollen ein Ergebnis, das die Energiewende weg von den Fossilen auf eine gerechte Weise adressiert.“

Die „Abkehr von den Fossilen“ war zwar schon bei der UN-Klimakonferenz 2023 in Dubai beschlossen worden. Einen konkreten Ausstiegstermin aus Kohle, Öl und Gas gibt es jedoch nicht – auch nicht in Deutschland, wo zwar Klimaneutralität 2045 als gesetzliches Ziel verankert ist, aber nur das Ende der Kohleverbrennung mit 2038 datiert ist.

Die Initiative kommt für alle überraschend

Be­ob­ach­te­r*in­nen erwarten, dass im Falle einer Einigung vereinbart wird, über mehrere Jahre gemeinsam einen Ausstiegsplan zu erarbeiten. Einen fertigen Plan wird es zum Ende der Konferenz nicht geben. Überhaupt lässt sich noch niemand zu öffentlicher Zuversicht hinreißen: Auf Beschlüsse müssen sich die Staaten im Konsens einigen. China und viele prekäre Länder haben sich nicht zu dem Vorstoß geäußert, während die arabischen Staaten und Russland Widerstand ankündigten.

Die 1,5-Grad-Grenze entscheidet über unsere Existenz

Jiwoh Abdulai, Umweltminister aus Sierra Leone

Vor Beginn des Gipfels galt eine derartige Vorwärtsbewegung als unwahrscheinlich. Zwar hatten Ak­ti­vis­t*in­nen und Staaten von der Konferenz verlangt, auf die Lücke zwischen dem notwendigen und dem tatsächlich umgesetzten Klimaschutz einzugehen. Aber einen Fahrplan brachte erst Brasiliens Präsident Lula da Silva bei seiner Eröffnungsrede ein.

Die brasilianische Konferenzleitung schien davon überrumpelt: Den Fahrplan erwähnte sie in den täglichen Pressekonferenzen kaum, ihr Fokus lag auf der Klima-Anpassung sowie Versprechen und Maßnahmen von Unternehmen, Staaten und der Zivilgesellschaft außerhalb der UN-Verhandlungen. Im Verhandlungstext, den die Präsidentschaft vorlegt und in dem der Fahrplan hätte vorkommen können, war noch am Dienstagmorgen davon nur ein schwacher Abklatsch zu finden. Der Gipfel endet offiziell Freitagabend, in der Vergangenheit wurde aber fast immer überzogen.

Wohl auch wegen des schwachen Vorschlags der Konferenzleitung entschieden sich die Ver­tre­te­r*in­nen des Bündnisses, am Dienstagnachmittag vor die Presse zu treten: Sie wollen Druck auf den Präsidenten Andrea Correa do Lago und sein Team aufbauen. „Die 1,5-Grad-Grenze entscheidet über unsere Existenz“, sagte Jiwoh Abdulai, Umweltminister aus Sierra Leone.

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5 Kommentare

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  • Einer der großen Klimaverpester ist natürlich historisch wie gegenwärtig Deutschland. Merz sollte da in der EU also ganz andere Saiten spielen und statt Redenschwingen Taten bringen.

    Doch wie zu sehen kommen auch andere ins Spiel. In deren Länder Deutschland doch gerne in guten Beziehungen leben und exportieren möchte. Und die es braucht, wenn USA, Russland und China Power Play probieren.

  • Wobei die großen Klimaverpester (USA, Indien, China, Japan, Russland) entweder gar nicht erst angereist oder mit einer untergeordneten Delegation vertreten waren.

    Ein Ausstieg aus der Brandstifter- und Luftverpestungspolitik ist aber nur durch wissenschaftlich unterfütterte, politisch sorgfältig abgestimmte und streng kontrollierte gemeinsame, globale Vereinbarungen möglich.

    Der Anstieg der Temperatur wird bis zum Ende des Jahrhunderts auf jeden Fall bei ca. 2,5 °C liegen, was bezogen auf Mitteleuropa bis zu 6 °C bedeuten kann.

    Und der Bauturbo der Konservativen und mithinkenden "Sozialdemokraten" soll dann auch noch die Baustandards senken, damit die Wärmedämmngsstandards für Neubauten "erfolgreich" gesenkt werden. Die nennen das "Bürokratieabbau". Die sollten sich am besten lieber selbst abbauen.

    Unter'm Strich wird die Umweltverpestung der Luft in beschleunigtem Maße ebenso weiter gehen wie die Vergiftung von Wasser, Boden und Lebensmitteln.

    So ist das halt, wenn Aufrüstung und Profit im Zentrum der Politik stehen mit entsprechenden, kongenialen politischen Vertretern.

    Wehrmachtsgeneräle und Blackrock-Lobbyisten sind nun mal keine Vertreter der Menschheitsinteressen.

    • @Uns Uwe:

      Wenn Sie noch einen Wehrmachtsgeneral finden sollten, fragen Sie ihn bitte nach seinen Tricks für ein extrem langes Leben. Wenn Sie den Unterschied der Armeen nicht begriffen, gäbe es die Bundeszentrale für politische Bildung, die Sie vor der indirekten Verharmlosung der Wehrmachtzsuntaten auch schützen sollte.



      Ich mag vielleicht sogar einiges teilen, aber immer Vorsicht mit Wörtern wie "in jedem Fall".

      • @Janix:

        Die heißen heute natürlich anders. Ob es darauf ankommt?

        Für die Umweltverschmutzung wohl eher nicht. Denn Aufrüstung und Kriege auf der einen Seite sowie Industrialisierung ohne Rücksicht auf die Umwelt gehen weiter, als hätte man es noch mit Wehrmachtsgenerälen und Industriekapitänen ganz alter Schule zu tun.

        Modern ist nicht nur Technik. Modern ist eine globale zivile Kooperation und 90% der Weltbevölkerung ist sicher auch dafür. Nur mit den Ewiggestrigen geht das nicht.

        Was ist Ihre Lösung?

        • @Uns Uwe:

          Wer die Wehrmachtsausstellung sah oder die Bücher hierzu kennt, kennt auch den Unterschied, der zum Glück da ist. Verstehen Sie meine Verwunderung?

          Sie meinen, verstehe ich, die Führungsschichten austauschen reiche? Wollen Sie 'Ewiggestrige' auf die Reisfelder schicken?



          Ich setze eher auf andere Anreize, Einpreisen und Regulieren des Schädlichen, ebenfalls in globaler Kooperation, zur Not aber mit Vorreitern.