Abschluss der COP28: Pathos nach dem Hammerfall
Die Weltklimakonferenz in Dubai stellt ein Ende der Nutzung klimaschädlicher Energien in Aussicht. Leider bleibt das Abschlusspapier vage.
In der sogenannten Globalen Bestandsaufnahme haben die Regierungen damit gemeinsam festgehalten, wo sie die Welt beim Klimaschutz sehen – und wo sie sie noch hinbringen wollen.
Was nicht vereinbart wurde, war während der zweiwöchigen Verhandlungen das größte Streitthema gewesen: Ein Ausstieg aus den fossilen Energien. Stattdessen werden Staaten „ersucht“, zu einem Übergang weg von fossilen Kraftstoffen in Energiesystemen „beizutragen“. Eine weiche Formulierung also. Trotzdem ist es das erste Mal, dass die Weltklimakonferenz ein Ende fossiler Energien für das Klima überhaupt in Aussicht stellt. Einzelne Länder haben das natürlich schon getan, aber alle fast 200 zusammen bisher nicht.
Auch die Delegierten der einzelnen Teilnehmerstaaten scheinen kurz überrascht zu sein, als der Hammer des COP-Präsidenten fällt. Ein paar Sekunden verstreichen, bevor der übliche Applaus beginnt. Normalerweise enden die Klimakonferenzen nicht reibungslos. Vor jeglichem Beschluss will doch mit Sicherheit noch mal Indien weniger Fokus auf Kohle, Brasilien mehr Geld, irgendwie so etwas. Und diesmal: Niemand? Im Prinzip hat al-Jaber schlicht nicht genug Zeit für solche Zwischenmeldungen gelassen und alle ein wenig überrumpelt. Und so geht er dann auch schnellstens nach dem Hammerfall dazu über, mit allem Pathos der Welt die anwesenden Regierungen zu loben.
„Lassen Sie mich zuerst aus tiefstem Herzen Salam Aleikum und Danke sagen“, sagt al-Jaber. Um eine bessere Zukunft „für unsere Menschen und unseren Planeten“ zu sichern, habe man zwei Wochen lang hart gearbeitet. Die Welt müsse auf einen neuen Pfad kommen. „Indem wir unserem Polarstern gefolgt sind, haben wir diesen Pfad gefunden.“
Kritik von Inselstaat-Vertreterin
Polarstern – so hat al-Jaber schon den ganzen Gipfel über das 1,5-Grad-Ziel genannt. Laut Pariser Weltklimaabkommen wollen die Staaten die Erderhitzung bei deutlich unter 2 Grad gegenüber den vorindustriellen Zeiten begrenzen – möglichst nicht mehr als 1,5 Grad ist die Zielmarke.
Aktuell sind diese 1,5 Grad schon fast erreicht, man ist nur noch etwa 0,3 Grad entfernt. Und die bisherige Erderhitzung hat nachweislich schon etliche Katastrophen begünstigt: das Ahrtalhochwasser 2021 zum Beispiel, die enormen Fluten in Pakistan ein Jahr später, zahlreiche tödliche Hitzewellen überall in der Welt, die Liste ist lang. Um die Erwärmung bei 1,5 Grad zu begrenzen, müssten die CO2-Emissionen sich bis zum Ende des Jahrzehnts ungefähr halbieren – um bis 2050 praktisch bei null zu liegen.
Sabine Minninger, Brot für die Welt
Im Saal in Dubai nun doch noch eine Wortmeldung aus dem Plenum: „Wir sind ein bisschen verwirrt darüber, was gerade passiert ist“, sagt eine Vertreterin vom kleinen Inselstaat Samoa, der nordöstlich von Fidschi im Pazifischen Ozean liegt. „Es scheint, als hätten Sie den Hammer fallen lassen, als die kleinen Inselstaaten noch gar nicht im Raum waren“, beklagt sie an den Konferenzpräsidenten al-Jaber gerichtet. „Der Entwurf, den Sie uns präsentiert haben, enthält gute Elemente. Die Frage ist: Sind sie gut genug?“ Nein, findet Samoa. Der Inselstaat läuft Gefahr, vom steigenden Ozeanpegel schlicht verschluckt zu werden. „Dieser Prozess hat uns im Stich gelassen“, rekapituliert die Vertreterin Samoas die vergangenen Konferenztage.
Al-Jabers großer Auftritt ist nun akut in Gefahr: Viele Delegierte im Plenarsaal stehen auf, spenden der Vertreter*in aus Samoa rauschenden Applaus, sogar Jubel. Und der Konferenzpräsident guckt griesgrämig. Aber beschlossen ist beschlossen: Die Anmerkung aus Samoa geht ins Protokoll.
Aber hat die Vertreterin des Inselstaats Recht – reicht schon wieder alles nicht, was mühsam an Klimakompromissen errungen wurde?
„Der COP 28-Abschluss wird die Welt nicht in die Lage versetzen, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten“, sagt Klimawissenschaftler Johan Rockström, Co-Chef des renommierten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Von einem „entscheidenden Meilenstein“ spricht er trotzdem. „Die Aussage zur Abkehr von fossilen Brennstoffen bleibt jedoch zu vage und es gibt keine harten und nachvollziehbaren Grenzen für 2030, 2040 und 2050.“ Es gebe keinen überzeugenden Plan, wie der Übergang weg von fossilen Brennstoffen erfolgen soll. „Wir wissen, dass dies nicht allein durch nationale freiwillige Maßnahmen geschehen wird“, so Rockström. „Es sind auch kollektive, globale Vereinbarungen über die Finanzierung, die Bepreisung von Kohlenstoff und den Technologieaustausch erforderlich, und zwar in einem Umfang, der weit über das hinausgeht, was derzeit auf dem Tisch liegt.“
Finanziell verantwortungslos
Neben der Abkehr von fossilen Kraftstoffen haben sich die Staaten in der Globalen Bestandsaufnahme vorgenommen, die Kapazität an erneuerbarer Energie bis 2030 zu verdreifachen sowie das Tempo bei der Steigerung der Energieeffizienz zu verdoppeln.
Es sind auch weitere Beschlüsse gefallen, ein globales Anpassungsziel beispielsweise. Es soll helfen, die Welt auf die Folgen der Klimakrise vorzubereiten, die nicht mehr zu verhindern sind – damit mehr Menschen Hitze, Starkregen, Dürre, Fluten und Meeresspiegelanstieg überleben. Das betrifft sämtliche Länder, aber besonders den Globalen Süden. Dort fehlt es an Geld, um die nötigen Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen.
„Die Weltgemeinschaft zeigt sich empathisch für die Nöte und den Überlebenskampf derjenigen in der Klimakrise, die sie nicht verursacht haben, aber am stärksten betroffen sind“, meint Sabine Minninger von Brot für die Welt. „Jedoch mangelt es bei den Verursachern der Klimakrise erheblich am politischen Willen, auch finanziell Verantwortung zu übernehmen.“
Also wird nächstes Jahr weiterverhandelt. 2024 zieht die COP nach Aserbaidschan. Klar war, dass dem üblichen Turnus entsprechend ein Land aus Osteuropa, Kaukasus oder Zentralasien dran ist. Russland blockierte Bewerbungen von EU-Ländern. Und auch Aserbaidschan kam durch den Angriff auf Armenien nicht infrage – bis es doch eine Übereinkunft gab. Wie die Vereinigten Arabischen Emirate gehört Aserbaidschan zu den Ländern, deren Wirtschaftskraft stark auf dem Export von fossilem Öl beruht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?