Übergriffe durch japanische Streitkräfte: Im Schneckentempo zur Aufarbeitung
Nach langem Zögern räumt Japans Verteidigungsministerium sexuelle Übergriffe durch Armeeangehörige ein. Betroffene fordern Aufklärung.

Gonois Fall erregte im August landesweites Aufsehen, als sie sich Im Internet öffentlich zu sexueller Belästigung bei der japanischen Selbstverteidiungsarmee äußerte. Sie selbst war von April 2020 bis August 2021 Mitglied bei den Streitkräften. Voller Hoffnung und Stolz absolvierte Gonoi ihre Ausbildung und wurde im Juni 2021 zu einer Kompanie im Nordosten entsandt – zwei Monate später quittierte sie den Dienst, nachdem sie die sexuellen Übergriffe nicht mehr ertragen konnte.
Insgesamt hatte die Kompanie 58 Mitarbeiter:innen, nur fünf davon waren Frauen. Da sich eine in Mutterschaftsurlaub befand, konzentrierte sich die Belästigung der männlichen Streitkräfte auf die vier Verbliebenen. Bereits zu Beginn wurde Gonoi von ihrer Kollegin gewarnt, dass sie sich auf sexuelle Bedrängnisse gefasst machen solle.
Dabei hatte es Belästigungen auch schon vor ihrer Versetzung gegeben. Bereits im Herbst 2020 wurde Gonoi von männlichen Kollegen ohne Einwilligung berührt oder kommentiert. Im Sommer 2021 wurde sie in einem Zelt von drei Kollegen gleichzeitig bedrängt. Über ein Messenger-Programm bat sie ihre Kollegin mehrmals dringend um Hilfe, doch diese war am Tag zuvor selbst belästigt worden und hatte nicht die Kraft, Gonoi zu helfen. Gonoi wurde auf ein Bett geworfen, die Männer rieben sich wiederholt und nacheinander an der Frau. In einer späteren Pressekonferenz sagte die Kollegin aus, dass sie selbst Angst gehabt hatte. Gonoi äußerte dafür Verständnis.
Streitkräfte beklagten fehlende Beweise
Im August wurde Gonoi freigestellt, nachdem bei ihr eine Anpassungsstörung festgestellt wurde. Sie wandte sich an ihren Kompaniechef, der den Fall nicht an den Bataillonskommandeur weiterleitete.
Daraufhin meldete Gonoi die Fälle bei einer Abteilung für allgemeine Angelegenheiten. Da dieser Abteilung aber Zeugenaussagen fehlten, wandte sie sich an die Polizei. Nach einer Untersuchung gab die Staatsanwaltschaft im Mai bekannt, dass das Verfahren eingestellt wird. Die Begründung: Es konnten keine Belästigungen festgestellt werden. Gonoi legte Berufung ein.
Zusätzlich entschloss sich die 23-Jährige dazu, die Sache auch selbst in die Hand zu nehmen. Über YouTube, Twitter und andere soziale Medien wandte sie sich an die Öffentlichkeit und sprach mit Klarnamen über ihre Erlebnisse. Gonois Worte gingen viral, auf Twitter erreichte sie in weniger als fünf Monaten über 53.000 Follower:innen.
Aufklärung muss schneller ablaufen
Am 29. September gab das Verteidigungsministerium schließlich bekannt, dass eine Befragung von hundert Soldat:innen massive sexuelle Übergriffe bei der Armee offenlegte.
„Sie haben sehr lange Zeit leiden müssen. Dafür entschuldigen wir uns aufrichtig“, sagte Kazuhito Machida, der Direktor für Personal und Bildung während seiner Entschuldigung. In einer Pressekonferenz erklärte Yoshihide Yoshida, der Leiter des Bodenstabs, dass er so bald wie möglich „disziplinarische Maßnahmen“ ergreifen wolle.
Indes klagte Gonoi bei der Konferenz, dass die Entschuldigung zu spät sei. Zudem fragte sie, weshalb die Vorfälle nicht schon bei der ersten Ermittlung aufgedeckt werden konnten. Während der Konferenz sagte sie unter Tränen, dass sie hoffe, dass die Situation bei den Streitkräften „grundlegend verbessert“ werde.
In den sozialen Medien änderte sie ihr Profilfoto: Während sie bislang auf Twitter ihren ernsten Gesichtsausdruck mit Mundschutzmaske gezeigt hatte, ist sie nun lächelnd mit einer Geburtstagstorte zu sehen. Ihr oberster Tweet: „Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung. Ich bin 23 Jahre alt, werde meinen Willen nicht brechen und weiterhin stark leben.“
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