Umgang mit berufstätigen Frauen: Keine Karriereleiter vorgesehen

Offiziell sind in Japan Männer und Frauen gleichberechtigt. Die Realität sieht für viele arbeitende Frauen allerdings anders aus.

Porträt von Shiori Itō

Shiori Itō wurde bekannt, als sie einen berühmten Fernsehjournalisten wegen Vergewaltigung verklagte Foto: Franck Robichon/epa

Ist Japan ein attraktives Land, um dort zu arbeiten?

Als Kindergartenkind, das keine anderen Sorgen hat, als was als Nächstes in meiner Lunchbox landet, hätte ich diese Frage definitiv mit Ja beantwortet. Ein paar Jahre später muss ich mir die Frage dreimal durch den Kopf gehen lassen. Insbesondere als Frau.

Als seien viele Probleme, die in der japanischen Berufswelt auf einen warten, nicht schlimm genug, haben es Frauen in dieser Gesellschaft besonders schwer. Denn auf sie kommt zusätzlich zu Überarbeitung, Mobbing und langen Arbeitswegen die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hinzu.

Ein Beispiel bietet der Gender Pay Gap. Demnach erhalten Frauen nur wenig mehr als 70 Prozent dessen, was ihre männlichen Kollegen ausgezahlt bekommen.

Immer nur Männer nach oben

Allgemein wimmelt es in der japanischen Privatwirtschaft nur von Männern: Nur knapp über 8 Prozent der Führungspositionen werden von Frauen besetzt. Im Vergleich liegt die Quote in Deutschland bei 29 Prozent.

Ein japanischer Bekannter erzählte mir einst von den Bewerbungsgesprächen seines Unternehmens. Er erklärte mir, dass die jungen Frauen, die sich bewerben, nicht nur qualifiziert, sondern auch attraktiv sein sollen. Meine irritierte Nachfrage beantwortete er unkritisch. „Na, attraktive Frauen heiraten früher und verlassen die Firma. So steigen sie nicht auf, verstehst du?“

Seine Einstellung ist kein Einzelfall. Von Frauen wird vielerorts erwartet, dass sie ihren Job kündigen, sobald sie heiraten. Dafür gibt es sogar einen eigenen Begriff: Kotobuki Taisha. Allerspätestens sollen Frauen aber dann, wenn sie schwanger werden, die Firma verlassen. Wollen sie trotzdem ihrer Tätigkeit weiter nachgehen, bekommen manche von ihnen „Maternity Harassment“ zu spüren: Die Belästigung aufgrund von Schwanger- und Mutterschaft.

Oft machen ihnen die – in der Regel männlichen – Vorgesetzten den Alltag schwerer. So dürfen manche Schwangere beispielsweise nicht während ihrer Arbeitszeiten zur klinischen Untersuchung fahren. Im Alltag sind japanische Arbeitszeiten mit vielen Überstunden verbunden. Einen Slot zu finden, an dem die Schwangere nicht mehr arbeiten muss, aber die Praxis geöffnet hat, wird kein Kinderspiel. Anderen wird mit einer Kündigung gedroht, wenn sie Elternzeit in Anspruch nehmen wollen.

Haben Frauen erstmal Kinder, sind sie meistens mit der Carearbeit auf sich allein gestellt. Umfragen zufolge übernehmen Männer höchstens 30 Prozent der Hausarbeit. Je älter das Paar ist, desto mehr fällt die Arbeitslast auf die Frau. Insbesondere jüngere Frauen wehren sich zunehmend gegen die Rolle als Mutter und Ehefrau, sodass Japan verstärkt mit einer niedrigen Geburtenrate zu kämpfen hat.

Im Zweifel immer für den Mann

Diejenigen, die kein Interesse an Eheschließung und Fortpflanzung haben, dürfen sich derweil mit sexueller Belästigung rumschlagen. So erregte im August der Fall der 22-jährigen Rina Gonoi landesweit Aufsehen. Die ehemalige Soldatin der japanischen Selbstverteidigungsarmee „Jieitai“ wurde berühmt, nachdem sie ihre Vorgesetzten wegen mehrfacher sexueller Belästigung angezeigt hatte.

Als Gonoi im Internet nach Menschen suchte, die in der Armee ähnliche Erfahrungen gemacht hatten, bekam sie einen Schwall an Rückmeldungen zurück. Betroffene berichteten, dass man ihnen die Kleidung gegen ihren Willen auszog oder dass Fotos von ihrem Intimbereich geschossen wurden.

Trotz medialer Aufregung wurde Gonois Fall von der japanischen Justiz zurückgewiesen. Nur in seltenen Fällen, wenn eine Tat globale Aufmerksamkeit bekommt, rappelt sich Japan auf, um mit einem halb zugedrückten Auge das Problem zu beschnuppern – wie im Fall der Journalistin Shiori Itō. Diese wurde bekannt, als sie einen berühmten Fernsehjournalisten wegen Vergewaltigung verklagte. Doch sowohl die japanische Justiz als auch Gesellschaft kehrten Itō schnell wieder den Rücken zu, da ihr Täter eine Freundschaft zum damaligen Premierminister Abe genoss. Aufgrund des öffentlichen Drucks sah sich Itō gezwungen, Japan zu verlassen und im Ausland zu leben.

Man möchte meinen, das seien Extrembeispiele. Nicht jede Person erfährt Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung oder Mobbing am Arbeitsplatz. Natürlich könnte ich Glück haben und von all den Ungerechtigkeiten verschont bleiben. Die Frage ist nur, ob ich wirklich verschont bleibe, nur, weil es mich selbst nicht betrifft.

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In Tokyo und Hamburg aufgewachsen, Auslandsjahr in Shanghai. Studium in Berlin, Chongqing und Halle. Schreibt seit 2021 für die taz. Kolumnistin des feministischen Magazins an.schläge (Foto: Hella Wittenberg)

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