Überfall auf jüdisches Paar bei Paris: Brutaler Angriff schockiert Frankreich
Antisemitische Übergriffe haben in Frankreich jüngst stark zugenommen. Nach dem jüngsten Überfall auf ein Paar bei Paris zeigen sich Politiker bestürzt.
PARIS taz | Weil sie Juden sind, müssen sie Geld haben. Dieser „primitive und idiotische Antisemitismus“ war laut der Pariser Kriminalpolizei ein ausreichendes Motiv für drei junge Männer, um im Pariser Vorort Créteil zwei brutale Überfälle zu verüben. In beiden Fällen waren laut der Staatsanwaltschaft ihre rassistischen Vorurteile ausschlaggebend. Die Täter wurden gefasst. Sie sind zwischen 18 und 20 Jahre alt und waren der Polizei bereits wegen anderer Delikte bekannt.
Am 10. November hatten sie einen 70-jährigen Rentner in seiner Wohnung überfallen, geschlagen und beraubt. Doch das war offenbar erst eine „Mutprobe“ für ihr weiteres Vorgehen. Am Montagmittag klingelten sie vermummt an der Türe einer jüdischen Familie in einem Wohnblock in Créteil, deren Adresse einer zuvor ausfindig gemacht hatte.
Zu Hause war nur einer der beiden Söhne, der 21-jährige Jonathan, und dessen 19-jährige Freundin. Sie wurden sofort mit Waffen bedroht und gefesselt. „Ihr Juden habt Geld, wo ist das Geld?“, habe einer der Angreifer gefragt.
Da in der Wohnung nichts zu finden war, mussten die Überfallenen ihre Kreditkarten hergeben und ihren Pin-Code verraten, damit einer der Räuber auf einem Bankautomaten Geld abheben konnte. Während zu diesem Zweck einer von ihnen die Wohnung verließ, zwang einer seiner Komplizen die junge Frau, sich auf ein Bett zu legen, wo er sie vergewaltigte.
Erinnerungen an 2006
Wenige Stunden nur nach dem Überfall entdeckte die Polizei ein Fahrzeug mit zwei Verdächtigen. Die beiden Festgenommenen hatten noch den kurz zuvor geraubten Schmuck bei sich. Der Dritte konnte zunächst flüchten, er hat sich aber am Tag danach der Polizei gestellt.
Das Verbrechen schockiert wegen seiner Gewalt und des offen antisemitischen Charakters. Es erinnert an einen dramatischen Präzedenzfall: Im Januar 2006 hatte die Vorstadtbande „Gang des barbares“ den Telefonverkäufer Ilan Halimi entführt und zu Tode gefoltert. Damals stellten sich die antisemitischen Gangster ebenfalls vor, weil ihr Opfer Jude war, könnten sie von einer „reichen“ Familie ein hohes Lösegeld erpressen.
Der Rat der jüdischen Institutionen Frankreichs (CRIF) warnt vor einer erschreckenden Häufung antijüdischer Aggressionen in Frankreich. Diese hätten in den ersten sieben Monaten des Jahres um 91 Prozent zugenommen. Auch die nationale Menschenrechtskommission spricht von einer bedenklichen Banalisierung antisemitischer „Klischees“. Vor diesem bedrohlichen Hintergrund sind 2014 bereits 5.000 FranzösInnen nach Israel ausgewandert.
Dieser Artikel wurde um 17.29 Uhr korrigiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül