Überalterung der Gesellschaft: Probleme bei Pflege auf Distanz
Wer sich um Angehörige kümmert, die weit weg wohnen, verliert viel Zeit und Geld. Die Inflation trifft diese Menschen nun ganz besonders.
Von den Befragten, die länger als 20 Minuten zu pflegebedürftigen Angehörigen fahren müssen, gaben über 40 Prozent an, mit ihrer Situation gar nicht zufrieden oder eher unzufrieden zu sein. Bei denen, die über zwei Stunden fahren müssen, waren es sogar 60 Prozent.
Die Befragten klagten vor allem über großen zeitlichen Aufwand und berufliche Einschränkungen. Drei Viertel der Befragten gaben an, dass sie darunter leiden, in Notsituationen den Pflegebedürftigen nicht schnell helfen zu können. 60 Prozent sagten, dass die Coronapandemie ihre Situation noch komplizierter gemacht habe.
Für ihren Einsatz fühlen sich viele Pflegende außerdem nicht genug wertgeschätzt. Knapp 40 Prozent klagten, sie würden von anderen Personen im Umfeld der Pflegebedürftigen nicht richtig wahrgenommen. Etwa genauso viele gaben an, dass die pflegebedürftige Person ihnen das Gefühl gebe, sie seien zu wenig bei ihr.
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In Deutschland kümmert sich schätzungsweise ein Viertel der Pflegenden aus der Distanz um Angehörige. Das ist Ausdruck einer Gesellschaft, in der immer weniger Menschen dauerhaft an einen Ort gebunden bleiben. „Insgesamt ist die Gesellschaft mobiler geworden“, sagt auch Studienautor Simon Eggert zur taz. „Menschen ziehen häufiger als früher an Orte, die von dem Wohnsitz ihrer Eltern beziehungsweise Elternteile deutlich entfernt liegen.“
Pflegende reduzieren ihre Arbeitszeit
Werden Eltern dann pflegebedürftig, übernehmen Kinder aus der Entfernung häufig administrative Angelegenheiten, etwa den Kontakt mit der Krankenkasse oder mit Pflegediensten, berichtet Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP. „Viele von ihnen sind aber auch direkt vor Ort im Einsatz und begleiten den Arztbesuch, besorgen Medikamente, unterstützen im Haushalt oder helfen bei der Körperpflege.“
Das geht ins Geld, insbesondere dann, wenn Pflegende ihre Arbeitszeiten reduzieren müssen, um sich um die Angehörigen zu kümmern. Weil die Befragungen für die Studie im Februar durchgeführt wurden, spielen die seit März drastisch gestiegenen Preise noch nicht in die Ergebnisse hinein. Doch schon damals gaben etwa 20 Prozent der Befragten an, von finanziellen Kosten der Pflege belastet zu sein. Inzwischen hat sich die Situation noch einmal verschärft.
Steigende Preise sind existenzbedrohend
Kornelia Schmid aus dem Vorstand des Vereins Pflegende Angehörige sagt: „Für viele Pflegende sind die steigenden Preise existenzbedrohend.“ Gerade die hohen Benzinkosten seien ein Problem für diejenigen, die lange Strecken fahren müssen. Hilfsmittel wie etwa Einmalhandschuhe seien schon seit der Pandemie deutlich teurer geworden, nun drohen wohl weitere Preisanstiege.
Schmid fürchtet, dass Angehörige im Winter gezwungen sein werden, dort zu sparen, wo es die Pflegebedürftigen direkt trifft, etwa bei den professionellen Pflegediensten. Schmids Forderung: „Es braucht ein einheitliches und gerechtes Entlastungspaket für Pflegende.“
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